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       # taz.de -- Letzte Generation vor Gericht: Zum Richter aufgeschwungen
       
       > Raphael Thelen muss sich vor Gericht wegen Blockaden mit der Letzten
       > Generation verantworten. Er versucht, den Spieß umzudrehen.
       
   IMG Bild: Satirische Gerichtsverhandlung. Raphael Thelen in Richterrobe gegen Olaf Scholz
       
       Berlin taz | Soeben wurde der [1][Ex-Journalist und Vollzeit-Klimaaktivist
       Raphael Thelen] vom Amtsgericht Tiergarten für eine Blockadeaktion
       verurteilt, da steht er auch schon inmitten des Gerichtssaals, eine
       schwarze Richterrobe übergeworfen, und wendet sich an einen vor ihm
       sitzenden „Angeklagten“, der eben noch Zuschauer gewesen war: „Wir fangen
       gleich mal mit der Personalienfeststellung an“, sagt Richter Thelen, „Sie
       heißen Olaf Scholz?“
       
       Nach Abhandlung der Frage-Antwort-Formalien folgt die Anklage. Demnach
       schädige Scholz „durch den Bruch des Pariser Abkommens und des
       Klimaschutzgesetzes eine große Zahl von Menschen körperlich und seelisch“.
       Die Performance der Letzten-Generation-Aktivist:innen überrascht Richter
       und Staatsanwältin, die schmunzelnd den Saal verlassen. Erst nach einiger
       Zeit beenden ein ausgelöster Alarm und herbeigeeilte Wachtmeister die
       Aktion. Das Urteil gegen Scholz fällt vor der Tür: schuldig.
       
       So satirisch der Gerichtstermin endete, so ernst war Thelens Versuch in der
       vorausgegangenen Verhandlung gewesen, den Richter von der Legitimität
       seiner Aktionen zu überzeugen. Zur Last gelegt wurden ihm zwei
       Straßenblockaden, im Februar vergangenen Jahres auf dem Mühlendamm in Mitte
       und im April darauf vor der Deutschen Oper. Jeweils saß der
       Letzte-Generation-Prominente mit anderen auf der Straße, nicht festgeklebt,
       und ließ sich friedlich von Polizisten abführen.
       
       Der ehemalige Journalist von Spiegel, Zeit und auch taz, der seine Kontakte
       nutzte, um möglichst viele Medienvertreter an diesem Montag nach Moabit zu
       lotsen, erklärte vor Gericht, wieso gerade er – trotz gutem Einkommen und
       Reputation –, diesen Schritt zum Aktivismus gemacht habe.
       
       Er beschrieb Begegnungen auf seinen Recherchen, in Flüchtlingslagern oder
       versandeten Oasen, mit Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihr Zuhause
       verloren haben. Die Beschäftigung mit dem Klimawandel und seinen
       verantwortlichen Profiteuren habe ihn zu dem Schluss gebracht, dass die
       Demokratie in dieser Frage „nicht mehr funktioniert“. Sein Ausweg: ziviler
       Ungehorsam.
       
       ## Berufung auf den Notstand
       
       Thelens Anträge, mit denen er den rechtfertigenden Notstand nach Paragraf
       34 Strafgesetzbuch durch die gegenwärtige Bedrohung des Klimawandels
       beweisen und dazu auch Experten in den Zeugenstand holen wollte, wurden vom
       Richter abgelehnt. Immerhin zu Protokoll genommen wurden dann aber
       Ausführungen über Klima-Kipppunkte und über Energiekonzerne, die ihr
       Handeln durch Lobbyismus fortführen können. „Die Klimakrise wird bewusst
       für den Profit in Kauf genommen“, so Rahpael Thelen.
       
       In den Zeugenstand aber wurden schließlich nur drei Polizisten gerufen, die
       detailliert schilderten, wie die Blockaden zu Staus geführt und auch
       Rettungswagen, zumindest kurzzeitig, behindert hatten. Weil bei der Aktion
       vor der Deutschen Oper ein schneller Abfluss des Autoverkehrs durch eine
       Seitenstraße möglich war, wurde jener Anklagepunkt fallen gelassen.
       Blockaden seien „nicht per se“ strafbar, so der Richter. Aufgrund „Dauer
       und Intensität“ der Blockade an der Fischerinsel jedoch sei der Tatbestand
       der Nötigung erfüllt.
       
       Das Urteil: 50 Tagessätze à 15 Euro. Fast entschuldigend sagte der Richter:
       „Die Justiz hat keine befriedigende Antwort für Sie.“
       
       15 Apr 2024
       
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   DIR Erik Peter
       
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