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       # taz.de -- Die Wahrheit: Herrenmode für Außerirdische
       
       > Was den Modekauf angeht, lastet auf manchen Männern ein Fluch. Zum Glück
       > lässt der sich nachhaltig umgehen, zum Beispiel mit Konzertbesuchen.
       
   IMG Bild: Von Faschisten missbrauchte Symbolkatze
       
       Fällt dir was an mir auf?“, fragt mein Freund Alf, als wir uns vor der
       Kneipe treffen. Alf heißt eigentlich anders, aber er möchte seinen Namen
       nicht in meinen Texten lesen. Lieber will er nach einer „Figur aus der
       Weltliteratur“ benannt werden. Bestimmt hatte er keinen Alien aus dem
       Uralt-TV im Sinn, aber es passt halt: Alf ist klein, rund und haarig.
       Außerdem mag er Katzen.
       
       „Ich war beim Friseur“, klärt mich Alf auf. Ich schaue auf seinen rötlichen
       Schopf. Alf sieht aus wie immer, nur älter. Aber immer noch so, als habe er
       sich mit einem Elektroschocker frisiert. „Ach, Alf“, seufze ich. „Das
       bringt doch nix, weißt du doch.“
       
       Auf meinem Freund Alf und mir lastet nämlich ein Fluch. Frisuren und Mode
       wirken bei uns nicht. Vielleicht sind wir immun dagegen. Ich bin einmal den
       ganzen Tag im Anzug herumgelaufen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
       Die Leute haben es nicht geschafft, den Aufzug und meine Person
       zusammenzubringen, Stichwort kognitive Dissonanz. Da kommt man nicht gegen
       an. Und gegen Alfs wilden Wirbelkopf kommt kein Friseur an.
       
       Außerdem sorgt der Fluch dafür, dass Mode nicht an uns haften bleibt. Wann
       immer ich mir Schuhe kaufen will, komme ich mit einem Buch zurück. Brauche
       ich eine Jacke, wird es eine Schallplatte. Größere Anschaffungsversuche
       münden eigentlich immer in einer Gitarre. Alf ist dagegen ein
       Technik-Midas. Kauft er sich einen Mantel, verwandelt der sich noch in der
       Einkaufstüte in einen Flachbildschirm oder eine Drohne.
       
       Wir haben aber gelernt, dem Fluch ein Schnippchen zu schlagen, indem wir
       Modeläden und Outletstores meiden und alternative Bezugsquellen nutzen. Alf
       trägt heute ein T-Shirt mit dem Aufdruck einer Installationsfirma, obwohl
       er noch nie einen Siphon gewechselt hat und auf meinem steht „Elephant
       Riding Thailand“ drauf, obwohl ich nie in Asien war, sondern bloß mit Alf
       im Sozialkaufhaus um die Ecke. Alle paar Monate treffen wir uns dort. Alf
       tauscht seinen versehentlich erlegten Technikschnickschnack gegen Klamotten
       ein, und ich versuche, Bücherüberschuss gegen Anziehsachen loszuwerden.
       
       Das Geld, dass wir beim Klamottenkauf im Sozialkaufhaus sparen, geben Alf
       und ich für Konzerte aus. Heute spielt ein Gitarrenschrat aus den USA, dem
       ich vor zehn Jahren ein T-Shirt und eine Schallplatte abgekauft habe. Die
       Platte läuft noch, aber das Shirt fällt auseinander, deswegen brauche ich
       ein neues.
       
       Außerdem finde ich das Shoppingkonzept überzeugend: Es gibt Bier und Musik
       bei der Anprobe, vor allem aber wird jeder modische Beratungsversuch
       gnadenlos überdröhnt. Später kann ich behaupten, ich sei beim Kauf eines
       kotzgrünen Shirts in Größe S besoffen gewesen. Dafür haben die Leute
       Verständnis. Wenn ich so was nüchtern aus einem Geschäft mitbringe, lachen
       wieder alle.
       
       Leider ist die Auswahl an den Merch-Ständen begrenzt. „Hoffentlich hat er
       jetzt auch Unterhosen und Socken“, hofft Alf, aber so ausdifferenziert ist
       der Kapitalismus dann doch nicht.
       
       16 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Bartel
       
       ## TAGS
       
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