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       # taz.de -- Abtreibungen in Deutschland: Keine schnelle Legalisierung
       
       > Eine ExpertInnenkommission empfiehlt die Liberalisierung des
       > Abtreibungsrechts. Die zuständigen Ministerien reagierten am Montag
       > zurückhaltend.
       
   IMG Bild: Vier Expertinnen (vl.n.r) stellen den Abschlussbericht der Kommission vor: Claudia Wiesemann, Friederike Wapler, Frauke Brosius-Gersdorf und Liane Wörner
       
       [1][Nach den Empfehlungen einer ExpertInnenkommission zur möglichen
       Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen] sind kurzfristige Neuerungen
       vonseiten der Ampelkoalition nicht zu erwarten.
       
       Die 18-köpfige Kommission hatte im Auftrag der Bundesregierung unter
       anderem geprüft, ob und wie Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des
       Strafgesetzbuchs geregelt werden könnten. Die ExpertInnen kommen zu dem
       Schluss, dass das bisher geltende grundsätzliche Abtreibungsverbot „nicht
       haltbar“ sei. Am Montag übergaben sie ihren Abschlussbericht offiziell an
       die drei beteiligten MinisterInnen.
       
       Die reagierten mit Zurückhaltung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
       (SPD) lobte zwar die „hervorragende“ Arbeit der Kommission. Er sagte aber
       zugleich, für Veränderungen brauche es einen „breiten gesellschaftlichen
       und natürlich auch parlamentarischen Konsens“. Bundesfrauenministerin Lisa
       Paus (Grüne) sagte, die Empfehlungen der Kommission böten eine „gute
       Grundlage“ für den nun nötigen offenen Diskurs.
       
       Und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, die
       Bundesregierung werde den Bericht zunächst „gründlich auswerten“. Was man
       nicht gebrauchen könne, seien Debatten, „die die Gesellschaft in Flammen
       setzen“. Um nun das weitere Verfahren festzulegen, so Buschmann, sei es zu
       früh.
       
       Im Wahlprogramm hatten sowohl Grüne als auch SPD die Legalisierung von
       Schwangerschaftsabbrüchen gefordert. Doch ganz offensichtlich scheut die
       Ampelkoalition im Superwahljahr die politische Kontroverse.
       
       ## Mehrheit der Bevölkerung für Liberalisierung
       
       Dabei sprechen die gesellschaftlichen Mehrheiten klar für eine
       Legalisierung: Ebenfalls am Montag [2][konnte die taz exklusiv Ergebnisse
       einer repräsentativen Umfrage des Bundesfrauenministeriums einsehen.]
       Derzufolge halten es mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung für
       falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere
       sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Rund 75 Prozent
       finden zudem, dass Abbrüche künftig eher nicht mehr im Strafgesetzbuch
       geregelt werden sollten.
       
       Bemerkenswert ist, dass die WählerInnen aller im Bundestag vertretenen
       Parteien die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen deutlich ablehnen. Selbst bei
       der Union, die keine Legalisierung von Abtreibungen will, sind es 77,5
       Prozent, bei der AfD 67,4 Prozent. 93,9 Prozent der Linken-WählerInnen und
       92,4 Prozent der Grünen-WählerInnen halten die Rechtswidrigkeit für falsch,
       unter SPD-WählerInnen sind es 87,5 Prozent.
       
       Während die MinisterInnen erst jetzt Stellung zu den Empfehlungen der
       Kommission nahmen, [3][werden diese schon seit Bekanntwerden vor einer
       Woche gesellschaftlich kontrovers diskutiert]. Am Montag nun sprach sich
       die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme
       Stetter-Karp, gegen eine Legalisierung von Abbrüchen aus. „Wir halten es
       nicht für richtig, dem Embryo in den ersten Wochen keinen Schutz mehr zu
       geben.“
       
       Gökay Akbulut, Sprecherin für Frauenpolitik der Gruppe Die Linke im
       Bundestag, sagte: „Wir fordern die Bundesregierung auf,
       Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren“. Abbrüche müssten „ein normaler
       Teil der gesundheitlichen Versorgung werden – ohne Zwangsberatung und
       Wartepflicht“.
       
       ## Frauenrechtsorganisation mit klarer Haltung
       
       Auch Sina Tonk von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes sagte, es
       sei längst überfällig, „dass der frauenfeindliche Paragraf 218 endlich aus
       dem Strafgesetzbuch gestrichen wird“. Jede Frau müsse frei entscheiden
       können, ob, wann und mit welcher medizinischen Methode sie eine
       Schwangerschaft abbrechen möchte. Jede Frau habe Anspruch auf kostenlose
       und qualifizierte Betreuung.
       
       Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty
       International, sagte: „Die Bundesregierung muss endlich handeln und die
       deutsche Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen mit internationalen
       menschenrechtlichen Standards in Einklang bringen.“
       
       15 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwangerschaftsabbrueche-in-Deutschland/!6000620
   DIR [2] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
   DIR [3] /CSU-Politikerin-Baer-zu-Abtreibungen/!6000649
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
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