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       # taz.de -- Brasiliens Ex-Nationaltrainer Lima: Endlich untragbar
       
       > Brasiliens einstiger Nationaltrainer Kleiton Lima wird nach Klagen wegen
       > sexueller Belästigung beim FC Santos freigestellt, eingestellt und
       > freigestellt.
       
   IMG Bild: Kleiton Lima (links) nimmt sich zu seiner Zeit als Nationaltrainer eine Spielerin zur Brust
       
       Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in der brasilianischen Sportpresse in den
       vergangenen Monaten durchaus ein großes Thema gewesen. Die einstigen
       Fußballnationalspieler [1][Robinho und Dani Alves] sind nicht wegen ihrer
       einstigen Heldentaten auf dem Rasen, sondern wegen ihrer Vergewaltigungen
       und mehrjährigen Haftstrafen im Gespräch gewesen.
       
       Den Frauen-Erstligisten FC Santos hat es dennoch nicht davon abgehalten,
       vor zwei Wochen den Trainer wieder einzustellen, der vergangenen September
       im gegenseitigen Einvernehmen freigestellt wurde, weil 19 Spielerinnen sich
       über Mobbing, Demütigungen und sexuelle Belästigung beklagt hatten.
       Vorgeworfen wurde dies Kleiton Lima, [2][der zwischen 2008 und 2011 das
       brasilianische Nationalteam der Frauen betreute.]
       
       Seine Wiederberufung sorgte nun von Seiten der Spielerinnen in der Liga für
       so große Proteste, dass der Verein am Montag eine Kehrtwende verkündete.
       Handelnder Akteur war aber nach eigener Darstellung nicht der Heimatverein
       [3][von Brasiliens Fußballikone Pelé], sondern Trainer Lima selbst. Es
       hieß, er habe „eine persönliche Entscheidung“ getroffen, um „seine Familie,
       seine Integrität und den Verein zu schützen“. Morddrohungen gegen ihn soll
       es gegeben haben.
       
       Vergangenen Freitag, so berichtet es das Nachrichtenportal Brasil de Fato
       kam es bei zwei Partien zu Protesten gegen die Vorgänge beim FC Santos. Vor
       Beginn des Spiels zwischen Santos und Corinthians bekundeten die
       gegnerischen Spielerinnen ihren Missmut, indem sie sich bei der
       Nationalhymne die Hände vor den Mund und die Ohren hielten. Die
       Spielerinnen von Santos beteiligten sich nicht an der Aktion. Bei der
       Partie zwischen Avaí FC und Palmeiras zeigten beide Teams die
       Hand-Mund-Ohren-Geste.
       
       ## „Zum Schweigen gebracht“
       
       Nach den Klagen gegen Kleiton Lima in der vergangenen Saison stellte der FC
       Santos den Kader für diese Saison neu zusammen. 14 Spielerinnen verließen
       den Verein. Diese berichten davon, sie seien vom Verein unter Druck gesetzt
       worden, sich öffentlich zu den beklagten Vorfällen nicht zu äußern.
       
       Als Lima eingestellt worden ist, erklärte Alexandre Gallo, der
       Fußballkoordinator des FC Santos, die beklagten Zustände vom September
       seien von der Zivilpolizei untersucht worden. Und es habe vor der
       Vertragsunterzeichnung des neuen und alten Trainers eine Überprüfung der
       Compliance-Abteilung des Vereins gegeben.
       
       Die Spielerinnen beklagen, wie das brasilianische Sportportal Trivela
       berichtet, sie seien weder vom Verein angehört worden, noch hätten sie
       irgendwelche Unterstützung erhalten. Einigen sei unverhohlen mit Entlassung
       gedroht worden. Eine der Spielerinnen erklärte: „Sie haben uns zum
       Schweigen gebracht, und jetzt respektieren sie uns mit seiner Rückkehr
       nicht.“
       
       Vergangenen September wurde in der brasilianischen Presse auch aus den
       Briefen der Spielerinnen zitiert, die sie damals dem Vereinsvorstand vom FC
       Santos übergaben. Eine Spielerin schrieb: „Ich habe auch seine respektlosen
       Bemerkungen über unsere Körper und seine unangemessenen Berührungen satt.“
       Eine andere berichtete: „Oft trägt der Coach am Arbeitsplatz keine
       angemessene Kleidung, zeigt seine Genitalien und verursacht dadurch
       Unbehagen.“ Es ist auch von „verbalen Aggressionen“ und „Demütigungen in
       der Öffentlichkeit“ die Rede. Eine Spielerin erzählt: „Ich dachte auch über
       Selbstmord nach und fiel in eine tiefe Depression.“
       
       Kleiton Lima, der die Frauen des FC Santos schon von 1997 bis 2010
       trainierte und wegen seiner großen Erfolge – zweimal gewann er mit dem Team
       den wichtigsten südamerikanischen Vereinspokal, die Copa Libertadores –
       Heldenstatus genießt, streitet alle Vorwürfe ab. Er spricht von
       „irrsinnigen“ und „unseriösen“ Berichten. Er habe stets nach den
       Grundsätzen und Werten gelebt, die ihm seine Eltern vermittelt hätten. Im
       Januar verklagte er eine Spielerin wegen Verleumdung und übler Nachrede.
       
       Thais Picarte, die Managerin der Frauenabteilung des FC Santos, sagte vor
       14 Tagen: „Es wurde nichts bewiesen. Im Gegenteil, es waren äußerst
       schwache, fadenscheinige Argumente, die die Geschichte von Santos unnötig
       befleckt haben.“ Der Schaden ist zweifellos groß. Nur die Spielerinnen
       tragen dafür sicherlich keine Verantwortung.
       
       16 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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