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       # taz.de -- Die Wahrheit: Hitler zur Abwechslung
       
       > Kassel könnte so schön sein und ist es auch. Wenn da nur nicht diese
       > verbiesterte Fascho-Tante vor dem Blumenladen böse herumkalauern würde.
       
       Neulich in Kassel. Einer Stadt, der zu Unrecht nachgesagt wird, sie sei nur
       hässlich. Leute, fahrt hin! Denn es stimmt, jenseits von der per Zweitem
       Weltkrieg zerbombten Innenstadt, schlicht nicht. Die Bombenkrater wurden ab
       den 1950er-Jahren durch gefühlt mindestens siebenspurige Straßen rund um
       den Kasseler Hauptbahnhof ersetzt, das stimmt allerdings. Als wenn der
       ganze furchtbare Nazischeiß in den hessischen Straßenasphalt einbitumiert
       werden sollte, so wirkt es im Kasseler Zentrum. Doch sonst?
       
       Herrlich linde und lindgrüne Wiesen im weitläufigen Staatspark Karlsaue,
       einer barocken und innerstädtischen Parkanlage mit dem mystischen
       Straßennamen „Tempel“. Vom lebenslangen und immer noch, Gratulation, am
       Leben weilenden Übersohn Kassels, dem treuen SPD-Multifunktionspolitiker
       Hans Eichel, wollen wir hier und heute nicht schreiben, wir wüssten auch
       nicht, was. Dafür berichten wir, dass nicht nur Kneippen möglich ist im
       lauschigen und zugleich monumentenreichen Bergpark Wilhelmshöhe – ja,
       Unesco-Welterbe und ja, auch sehr, sehr schön.
       
       Wäre da nur nicht dieser kleine Abstecher zur Floristin gewesen, eben mal
       schnell Blümchen für die famose Kasseler Schlafstattgewährerin besorgen.
       Nichts, aber auch gar nichts gegen die sympathisch professionelle
       Blumenladenherrscherin, nur Gutes, ein luftig adretter Frühlingsstrauß mit
       Tulpen und Flieder ist im Nu ihrerseits gezimmert, freudig strahlend
       verlässt man die Kasseler Stengelboutique.
       
       Draußen empfängt einen dann aus der Richtung der von der Floristin
       liebevoll platzierten und leicht verwitterten Holzbank ein schneidender,
       ein vernichtender Blick. So sehen sie also aus, die wahren Kasseler
       Ladenhüter und Ladenhüterinnen, an ihnen kommt kein auch noch so ob
       Blumenwerk gutgelaunter Kunde, geschweige denn man selbst, heil und ohne
       Aua, vorbei.
       
       ## Verwitterte Visage
       
       „Hitler mochte auch keine Leichen“, hebt die Ladenhüterin mit ihrer weniger
       schön als die Bank verwitterten Visage an. Zum Lachen geht die ältliche
       Zicke sicher tief in den Keller, denn das hier ist keine
       Monty-Python-Veranstaltung, rauscht es uns stante pede durch den Kopf. Aber
       die Fascho-Tante hat ja gar keinen Keller, folgern wir noch, obwohl wir das
       gar nicht wissen können.
       
       Wir frieren also den eigenen, eben noch freundlichen Blick wie aus der
       Pistole geschossen ein. „Und?“, fragen wir kürzer als kurz angebunden
       zurück. „Hitler hasste Schnittblumen.“ Ah, das haben wir schon mal irgendwo
       gelesen, im Zweifel im Netz, wo die florale Spaßverderberin sicherlich
       regelmäßig ihr Heldensüppchen anreichert mit noch mehr Hitler-Kalauern.
       
       Für einen Sekundenbruchteil erwägt unser Gehirn eine Replik auf die
       Leichenschnittblumenhasstirade der Ladenhüterin mit dem Faible für Hitler,
       diesen antisemitischen Floralhassfascho. Doch dann ist uns die Alte einfach
       zu dumpf und wir wechseln entgegen unserer Gewohnheit grußlos ins schöne
       Kassel.
       
       17 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harriet Wolff
       
       ## TAGS
       
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