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       # taz.de -- Milliardäre zahlen in der Schweiz mehr: Deutschland verschont Superreiche
       
       > Die Mittelschicht zahlt in Deutschland und Österreich mehr Steuern als
       > Milliardäre und Multimillionäre. In der Schweiz müssen diese mehr
       > abgeben.
       
   IMG Bild: Deutschlands Reiche: Ferienhäuser in Kampen auf Sylt
       
       berlin taz | 73 Milliarden Euro: So viel könnte der deutsche Staat
       einnehmen, wenn die Vermögensteuern auf Schweizer Niveau angehoben würden.
       Österreich würde das Schweizer Steuerniveau etwa 5 Milliarden Euro
       einbringen. Ausgerechnet in der als Steueroase bekannten Schweiz werden
       Superreiche stärker besteuert als in Deutschland und in Österreich. Das
       zeigt [1][eine am Donnerstag veröffentlichte Studie] des Momentum
       Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland. Doch
       wie kommt es zu dieser Ungleichbehandlung?
       
       Einkommen aus Arbeit wird in Deutschland und Österreich stärker besteuert
       als Einkommen aus Vermögen – also Dividenden, Kapitalanteilen etwa aus
       Immobilien und Aktien und Beteiligungen an Unternehmensgewinnen. Daher
       liegt die tatsächliche Besteuerung von Einkommen gemäß der Studie nur bei
       bis zu 30 Prozent. Das ist deutlich niedriger als die vorhergesehenen
       Höchststeuersätze. Erstaunlich dabei: Der Steuer- und Abgabenbeitrag von
       Mittelstandsfamilien ist in Deutschland und Österreich mit über 40 Prozent
       in der Realität [2][höher als der von Superreichen].
       
       Laut den Studienautor:innen heißt das konkret: Die analysierten
       Schweizer Milliardär:innen erreichen mit einem tatsächlichen
       Steuersatz von rund 32 Prozent immerhin etwas mehr als drei Viertel des
       geltenden Höchststeuersatzes ihres Kantons von 41,5 Prozent – und damit
       mehr als der Mittelstand. In Deutschland zahlen die Reichen hingegen nur
       rund halb so viele Steuern wie die Mittelschicht. In Deutschland und
       Österreich liegen die tatsächlichen Steuersätze der Milliardär:innen
       konkret bei lediglich 26 Prozent und damit weit unter den jeweiligen
       Höchststeuersätzen von 47,5 beziehungsweise 55 Prozent – in Österreich
       sogar über die Hälfte darunter.
       
       Auch die typischen Multimillionär:innen bleiben in Deutschland und
       Österreich deutlich unter den Höchststeuersätzen: Ihre Steuer- und
       Abgabensätzen betragen 29 Prozent in Deutschland und 30 Prozent in
       Österreich. Lediglich in der Schweiz zahlt der typische Multimillionär mit
       19 Prozent fast den eigentlich vorgesehenen Höchststeuersatz von 22 Prozent
       in seinem steuergünstigen Kanton Zug.
       
       ## Wirksame Schweizer Vermögensteuer
       
       Dass das Steuersystem in der Schweiz progressiver ist als in Deutschland
       und Österreich, liegt vor allem an der [3][Vermögensteuer], die es weder
       hierzulande noch in Österreich gibt. Mit einem jährlichen Aufkommen von
       knapp 11 Milliarden Euro in der Schweiz tragen die Einnahmen durch die
       Vermögensteuer 7 Prozent zum gesamten Steueraufkommen bei, ein weiteres
       Prozent ergibt sich aus den kantonalen Erbschaftsteuern.
       
       Im Vergleich dazu erzielt die deutsche Erbschaftsteuer als einzig
       verbleibende „echte“ Vermögensteuer lediglich einen Anteil von 1 Prozent am
       Gesamtaufkommen. In Österreich gibt es weder Vermögens- noch
       Erbschaftssteuern. Doch wie kann es sein, dass gerade in der [4][als
       Steueroase bekannten Schweiz] die Reichen mehr zahlen?
       
       „Wie in anderen Ländern haben Millionärs- und Milliardärsfamilien in der
       Schweiz Möglichkeiten, ihre Einkommen aus Unternehmensanteilen zu
       vergleichsweise günstigen Konditionen zu versteuern“, sagt Isabel Martínez,
       die an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zu Steuern und der
       Verteilung von Einkommen und Vermögen forscht. Sie ist verantwortlich für
       die Analyse zur Schweiz. „Besonders wer mindestens 10 Prozent der Anteile
       eines Schweizer Unternehmens hält, kommt in den Genuss der privilegierten
       Besteuerung“, erklärt Martínez.
       
       Allerdings führen in der Schweiz andere Steueroptimierungsstrategien, im
       Unterschied zu anderen Ländern, insbesondere die Gründung von
       Gesellschaften zur Verwaltung von Vermögen und Vermögenserträgen, nicht zu
       einer extremen Reduktion der gesamten Steuerbelastung. „Grund dafür ist die
       Vermögenssteuer: Diese wirkt wie eine zusätzliche, indirekte Steuer auf
       Vermögenserträge“, so Martínez.
       
       ## Schlupfloch „Pauschalbesteuerung“
       
       Wie der Vergleich mit umliegenden Ländern zeigt, ist die Steuerlast in der
       Schweiz gemäß der Studie insgesamt tief. Dies gilt insbesondere für
       Multimillionär:innen und Unternehmer:innen, die von tiefen
       Gewinnsteuern profitieren. Das Steuerparadies Schweiz wird seinem Ruf also
       trotzdem gerecht. So zahlt auch die Mittelschicht deutlich weniger Steuern
       als hierzulande. „Zudem darf man nicht vergessen, dass über 4500 reiche
       Ausländer:innen in der Schweiz pauschal besteuert werden. Der Staat
       schätzt ihr Einkommen und Vermögen ohne verlässliche Daten ein, das gibt es
       nur in der Schweiz.“
       
       Zur Erklärung: Steuerbasis ist dann nicht das tatsächliche Einkommen und
       Vermögen, sondern „die weltweit anfallenden Lebenshaltungskosten“, also
       ihre jährlichen Ausgaben, so die Studie. Die Vermögenssteuerbasis, welche
       typischerweise dem 20-fachen der jährlichen Ausgaben entspricht, wird dabei
       insbesondere für Milliardär:innen massiv unterschätzt. Dieses
       Steuerprivileg gilt jedoch nicht für Schweizer Staatsbürger oder jene, die
       in der Schweiz arbeiten.
       
       ## Vermögensteuer fürs Klima
       
       Für alle anderen greift dennoch die Vermögensteuer – und die gibt es in
       Deutschland nicht. Die Organisationen hinter der Studie empfehlen daher
       eine deutlich höhere Besteuerung großer Vermögen, wie in der Schweiz.
       „Während die meisten Menschen unter den Folgen von Pandemie, Inflation und
       Krieg leiden, explodieren die Vermögen von Multimillionär*innen und
       Milliardär:innen, auch in Deutschland, ohne gerecht besteuert zu werden“,
       sagt Manuel Schmitt, Referent für Soziale Ungleichheit von Oxfam
       Deutschland.
       
       Stattdessen setze Finanzminister Christian Lindner im Bundeshaushalt zum
       Kahlschlag bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben an.
       Die Bundesregierung dürfe nicht die ärmsten Menschen die Zeche für ihre
       verfehlte Steuerpolitik zahlen lassen. „Wir brauchen jetzt die Besteuerung
       sehr hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren fairen Beitrag zum
       Gemeinwohl leisten“, fordert Schmitt.
       
       Fest steht: Dem reichsten fünf Prozent der deutschen Bevölkerung gehört
       fast die Hälfte des Vermögens. Barbara Schuster vom Momentum Institut
       Österreich weist zudem auf den überdurchschnittlich [5][hohen Beitrag an
       die Erderhitzung durch Superreiche] hin: „Eine faire Besteuerung würde die
       Ressourcen freisetzen, die wir für sozial gerechte Klimapolitik dringend
       benötigen.“
       
       Für die Studie haben Expert:innen aus Österreich, Deutschland und der
       Schweiz die jeweilige Steuer- und Abgabenquote einer typischen Person der
       reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung anhand einer Modellrechnung
       ermittelt. In einem weiteren Schritt wurde der Steuersatz konkreter
       Milliardär:innen anhand öffentlich zugänglicher Daten über
       Unternehmensbeteiligungen und aus Geschäftsberichten ermittelt.
       
       18 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2024/04/Besteuerung_Reichtum_D_Aut_CHE.pdf
   DIR [2] /Ungerechte-Lastenverteilung/!5965112
   DIR [3] /Vorstoss-zu-Vermoegenssteuer/!5887251
   DIR [4] /Schweiz-trotzt-globaler-Mindeststeuer/!5831894
   DIR [5] /Emissionen-durch-Milliardaerinnen/!5890405
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carlo Mariani
       
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