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       # taz.de -- Pressefreiheit in China: Noch mehr Einschränkung der Presse
       
       > Journalistische Arbeit wird in China immer schwieriger, klagen die
       > dortigen Auslandskorrespondenten. Jeder zweite berichtet von Schikanen
       > der Polizei.
       
   IMG Bild: Journalisten am Rande des Nationalen Volkskongresses. Für ausländische Kollegen wird die Arbeit in China immer schwieriger
       
       BERLIN taz | In der südwestchinesischen Metropole Chengdu protestieren eine
       handvoll Bürger vor einer Bank gegen den laut örtlichen Medien in
       Schieflage geratenen Sichuan Trust. Die Demonstranten fühlen sich um ihre
       Einlagen betrogen und rufen bei ihrem Protest Ende Februar: „Gebt unser
       Geld zurück“. Als der China-Korrespondent Sjoerd den Daas vom
       öffentlich-rechtlichen niederländischen Sender NOS mit ihnen sprechen will,
       wird er von einem Mann und einem Polizisten abgedrängt.
       
       Der Mann, offenbar ein Polizist in Zivil, schubst den gegen seine
       Behandlung protestierenden Reporter zu Boden. Der hatte vergeblich auf
       seinen Presseausweis und seine Akkreditierung verwiesen, doch werden ihm
       Tasche und Mikrofon weggenommen. Danach wird er zu einem Polizeitransporter
       geführt und mit seinem Kameramann weggefahren.
       
       Auf der Wache werden ihnen Handys und Kamera abgenommen, auch ein Telefonat
       wird verweigert, [1][wie der Club der Auslandskorrespondenten in China
       (FCCC) später berichtet]. Erst nach Stunden können Beamte des chinesischen
       Außenministeriums eine Freilassung des NOS-Teams erwirken. Doch danach
       werden die beiden noch von zahlreichen Fahrzeugen verfolgt und so jedweder
       Kontakte zur Bevölkerung wie jede unabhängige Berichterstattung verhindert.
       Dabei haben akkreditierte ausländische Korrespondenten laut chinesischem
       Gesetz das Recht, mit den Menschen in China zu sprechen, sofern diese
       selbst nichts dagegen haben.
       
       Das Vorgehen der lokalen Behörden gegen Sjoerd den Daas gehört in China zum
       Alltag der Auslandskorrespondenten, wie der an diesem Montag
       veröffentlichte [2][Bericht des FCCC] über seine jährliche Umfrage zeigt.
       Besonders an dem Fall ist nur, dass er [3][gefilmt] wurde. Doch in dem
       FCC-Bericht beklagen 54 Prozent der Befragten Behinderungen durch die
       Polizei oder andere Behördenvertreter und 37 Prozent Absagen von
       Interviewpartnern aufgrund von Druck durch offizielle Vertreter.
       
       „Wir hatten in einem Dorf ein sehr erfreuliches Interview mit einer
       früheren Kindergärtnerin, die jetzt als Altenpflegering arbeitet, berichtet
       ein europäischer Korrespondent, der anonym bleiben will. „Doch nach dem
       Gespräch haben uns fünf Zivilpolizisten gestoppt und ein Behördenvertreter
       zur Rede gestellt. Einige Stunden später bekamen wir einen Anruf von
       unserer Protagonistin. Sie drohte uns mit einer Gerichtsklage, sollten wir
       das Interview veröffentlichen.“
       
       ## Nach Covid Rückgriff auf alte Methoden der Einschüchterung
       
       Im Bericht, der auf einer Umfrage unter seinen 157 Mitgliedern aus 30
       Ländern basiert, begrüß der FCCC zunächst, dass mit Abschaffung von Chinas
       weitgehenden Covid-Restriktionen diese nicht mehr für die Unterdrückung der
       Berichterstattung herangezogen werden können.
       
       Seitdem griffen [4][die Behörden aber wieder auf andere Methoden] zurück.
       Heute erklärten nur 13 Prozent der Befragten, dass sie wieder wie vor der
       Pandemie recherchieren könnten. 99 Prozent sagen hingegen, dass die
       Bedingungen in China kaum oder gar nicht internationalen Standards der
       Berichterstattung entsprächen.
       
       Der Bericht ist merklich von einer Bemühung um Differenzierung geprägt.
       Darin stellt der FCCC vereinzelt minimale Verbesserungen für die Arbeit der
       Korrespondenten fest, beschreibt aber insgesamt eine Tendenz weiterer
       Verschlechterungen. Insbesondere die Überwachung der ausländischen
       Journalisten, jetzt zum Teil sogar mit Drohnen, wie auch die
       Einschüchterungen hätten zugenommen.
       
       ## Weniger Visa, weniger Journalisten
       
       Die bisherigen Praktiken wie die „Einladungen zum Tee“ durch die
       Staatssicherheit, also potenzielle Ermahnungen und Einschüchterungen der
       Journalisten, gebe es weiter. Und mit nur einer Ausnahme sei US-Medien
       nicht ermöglicht worden, Mitarbeiter auszutauschen oder neue in China zu
       akkreditieren. 32 Prozent der Korrespondentenbüros beklagten wegen der
       Verweigerung von Journalistenvisa einen Personalmangel.
       
       Für indische Medien habe überhaupt nur ein einziger Journalist eine
       Akkreditierung bekommen. Der FCCC beklagt zudem eine Beschränkung von
       Kurzzeit- und Besuchsvisa für Journalisten.
       
       Recherchen in Tibet, Xinjiang oder in der Inneren Mongolei waren schon
       immer schwierig bis unmöglich. „Zeitweilig folgten uns sechs Fahrzeuge,“
       erzählte ein europäischer Journalist dem FCCC über seine Reise in
       [5][Xinjiang]. Ein anderer berichtete von der westchinesischen Provinz:
       „Aus Angst um unsere Interviewpartner konnten wir in dem Dorf nicht mehr
       weiter arbeiten.“
       
       ## Mehr „sensible Gebiete“
       
       Neu ist laut dem Bericht jetzt aber auch eine verstärkte Überwachung
       journalistischer Recherchen aus Grenzgebieten zu Nachbarländern.
       Insbesondere nahe der russischen Grenze berichteten 79 Prozent der
       Befragten von Problemen. Eine weitere neue Qualität sind Mahnungen an
       Korrespondenten, ja nicht dem FCCC oder seinem Vorstand beizutreten. Denn
       dabei handele es sich um eine „illegale Organisation“.
       
       Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen
       liegt China derzeit auf der Rang 179 von 180. Nur Nordkorea steht noch
       schlechter da.
       
       8 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://fccchina.org/2024/03/01/fccc-statement-on-harassment-of-reporters-in-chengdu/
   DIR [2] https://fccchina.org/2024/04/08/media-freedoms-report-2023-masks-off-barriers-remain/
   DIR [3] https://nos.nl/video/2510630-naar-de-grond-gewerkt-vastgezet-maar-met-de-schrik-weer-vrij
   DIR [4] /Die-strenge-Hand-von-Chinas-Machthaber/!5998109
   DIR [5] /Kunst-zur-Situation-der-Uigurinnen/!5867002
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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