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       # taz.de -- Das Ende der Hamburger Morgenpost: Metropole ohne Boulevard
       
       > Die „Hamburger Morgenpost“ erscheint seit vergangener Woche nicht mehr
       > täglich. Seither fehlt unserem Autor etwas im Tagesalltag.
       
   IMG Bild: Kein täglicher Boulevard mehr: Die Mopo erscheint nun nur noch wöchentlich
       
       Welcher Kleingartenverein im beschaulichen Poppenbüttel nun für ein
       Bauprojekt weichen muss, welcher Promi aus dem feinen Elbvorort Blankenese
       sich schon wieder getrennt hat – und welches neuestes Chaos bei den
       Fußballern des Hamburger SV losgetreten wurde? Die erste Woche ist rum, in
       der das Tag für Tag auf Papier nicht mehr zu erfahren ist: Die Hamburger
       Morgenpost hat aufgehört, als Tageszeitung zu erscheinen. Damit hat die
       1,8-Millionen-Metropole Hamburg [1][kein lokales tägliches Boulevardblatt
       mehr.]
       
       Immer weniger Hamburger:innen hatten sich in den vergangenen Jahren
       morgens am Kiosk eine Mopo geholt. Angesichts des so kontinuierlichen wie
       prozentual hohen Auflagenrückgangs [2][war das Ende der Mopo in ihrer
       bisherigen Form also unausweichlich]. Nun soll die Umwandlung zur
       Wochenzeitung das wirkliche, das absolute Ende abwenden. Seit Freitag
       vergangener Woche liegt die neue, 104 Seiten dicke Wochen-Mopo an den
       Kiosken, mit „Gesprächsstoff aus Hamburg, der für die ganze Woche reicht“.
       
       Was bietet ein Boulevardblatt? Nachrichtenseiten, die einen schnellen
       Überblick mit großen Bildern liefern, die sich entspannt und ohne große
       geistige Mühe morgens beim Kaffee, in der Mittagspause auf der Arbeit, beim
       Feierabendbier in der Kneipe durchblättern lassen.
       
       Die Mopo war dafür besonders gut geeignet, machte sie doch keinen reinen
       Krawallboulevard, sondern schaffte es, auch aus linker Perspektive
       sympathisch zu sein, wenn sie groß über eine drohende und extrem ungerecht
       empfundene Abschiebung berichtete. Soziale Themen fanden genauso ihren Weg
       auf die Titelseite wie Berichte darüber, welche Gangster auf dem Kiez
       aktuell das Sagen haben.
       
       ## Das Schlimmste: Kein Tageshoroskop mehr!
       
       Es ist Freitagmittag auf der Arbeit, die erste Ausgabe der Wochen-Mopo in
       den Händen: Schnell durchblättern, um einen Überblick zu bekommen, lässt
       sie sich nicht mehr. Dafür aber erzählt der Bürgermeister in einem
       länglichen Interview, warum er gar nicht so sehr von seinen grünen
       Koalitionspartnern genervt sein will. Na gut, der Rest lässt sich ja in den
       nächsten Tagen noch lesen.
       
       Montagvormittag im Café: Die Mopo liegt nicht auf ihrem sonst üblichen
       Platz neben dem Wasserspender. Es dauert ein bisschen, bis sie eine Frau
       wieder zurücklegt. Die Neugier aufs Weiterblättern ist dann gering – man
       weiß ja schon, was auf den ersten paar Seiten stand. Auf den Seiten weiter
       hinten, die Veranstaltungstipps für eine Woche liefern, ist nachzulesen,
       was man vorgestern verpasst hat.
       
       Dienstagabend, Kneipe: War man zum Feierabendbier mit einem Freund
       verabredet und zu früh da, schnappte man sich erst mal die aktuelle Mopo
       vom Tresen und blätterte sie beim ersten Bier durch. Doch da liegt nun
       keine, die Wochen-Mopo muss wohl übers Wochenende abhandengekommen sein.
       Also: Handy raus, es gibt ja noch [3][mopo.de]? Nee, ich hab den ganzen Tag
       schon auf Bildschirme gestarrt! Am Fenster, durch das man vom Tresen auf
       den Gehweg blickt, laufen die Menschen wieder mit Schal und Mütze.
       
       Das Schlimmste ist, sagt der Freund dann, dass er sich mit seinen
       Kolleg:innen in der Mittagspause nicht mehr über das Mopo-Tageshoroskop
       amüsieren kann. Da sei die sonst so ernste Geschäftigkeit immer
       aufgebrochen worden. Ich komme gar nicht auf die Idee, ihn zu fragen, was
       er von der Behauptung des Bürgermeisters hält, er mache gute Wohnpolitik.
       Ist auch echt schon einige Tage her, als ich davon las.
       
       Ob die Menschen in München, Köln, natürlich in Berlin oder sogar in
       Hannover, wo es überall noch lokale Boulevardblätter gibt, eigentlich
       ahnen, was auch ihnen eines Tages verloren gehen könnte?
       
       20 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ende-der-Sonntagszeitungen/!5998036
   DIR [2] /Zeitung-stellt-Tagesausgabe-ein/!5959407
   DIR [3] https://www.mopo.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
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