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       # taz.de -- Crack in Berlin: Die Ohnmacht im eigenen Kiez
       
       > In Kreuzberg sollen jetzt nachts die Türen abgeschlossen werden. Es droht
       > eine Entsolidarisierung mit Drogenopfern, weil man selbst Opfer von
       > Drogen wird.
       
   IMG Bild: Ein Hotspot in Kreuzberg: das Kottbusser Tor
       
       Wie schreibt man in der taz anekdotisch über das Thema innere Sicherheit,
       ohne direkt aufs links-alternative Mäulchen zu kriegen? Öh, na ja, mein
       ursprünglich angedachter Einstieg schlug direkt fehl. Denn entgegen meiner
       Erinnerung wird „innere Sicherheit“ doch nicht großgeschrieben. Sonst hätte
       ich smart darauf hingewiesen, dass nicht die großgeschriebene gemeint sei:
       jene mit Stacheldraht umzäunte Spielwiese alter Herren vom Schlage eines
       [1][Manfred Kanthers] oder [2][Otto Schilys]. Es ginge und geht um meine
       eigene innere Sicherheit.
       
       Was ich eigentlich sagen will: Wir hier in Kreuzberg 36 schließen uns
       inzwischen in unseren Wohnhäusern ein. Nicht in allen Kiezen, Tendenz
       jedoch steigend. Die Klingelanlage allein reicht jedenfalls nicht mehr aus,
       so sie überhaupt funktioniert. Fern jeder Hetze auf dem Boulevard ist das
       unsere schlichte Anwohner-Empirie. „Liebe Hausbewohner:innen, bitte die
       Haustür ab 21:00 abschließen. Es gab Einbrüche und Angriffe in letzter
       Zeit. Danke!“, prangt es seit zwei Wochen nicht zum ersten Mal auf einem
       Zettel an unserer Wand über den Briefkästen.
       
       In anderen Teilen Berlins mag das Abschließen der Haustür schon seit der
       Kreidezeit Usus sein, in unserem Kiez hatte das in den vergangenen zwanzig
       Jahren keine mir bekannte Tradition. Es handelt sich nicht um räuberisch
       marodierende Banden, die nun die innere Sicherheit der Mehrfamilienhäuser
       bedrohten und einzig Angelegenheit der Polizei wären.
       
       Die Sache ist vertrackter! In Zeitlupe zerfallen vor unseren Augen immer
       mehr Menschen aller Altersgruppen und Geschlechter. Einhergehend mit
       Aggressivität und extremer Unberechenbarkeit. Dafür verantwortlich ist
       [3][der Konsum von Crack], wahlweise zusammen mit Schmerzmitteln, Alkohol
       und sonstigen Substanzen. Und natürlich wirkte die Pandemie wie die Flamme
       unter der Alufolie.
       
       ## Crack macht rastlos und schafft Stress
       
       Seit Jahren wird Berlin mit Kokain, dem Grundstoff für Crack, geflutet.
       Crack macht im besten Fall rastlos und stellt Konsument:innen unter
       Stress, im schlimmsten Fall drehen sie auf Dauer durch. Dem sehr kurzen,
       aber intensiven Kick folgt direkt die Jagd nach dem nächsten. Auf der Suche
       nach einer ruhigen Ecke für die nächste Dosis und einem Schlafplatz treibt
       es Betroffene in die Häuser – und in die Beschaffungskriminalität.
       
       Einst gehörte es zum „guten“ Kreuzberger Ton, den damals wenigen (!) Leuten
       den Platz im Treppenhaus zu lassen. Solange nicht in Gegenwart von Kindern
       konsumiert wurde und Gewalt keine nennenswerte Rolle spielte. Zwischen
       Kotti und Schlesi droht nun eine Welle der Entsolidarisierung mit
       Drogenopfern, weil man selbst Opfer von Drogen wird.
       
       Wie so oft fühlen sich Nachbarschaften von Politik und Behörden allein
       gelassen. Meist soll es die schlichteste aller Lösungen sein: Verdrängung.
       Breit umgesetzte sozialpolitische und damit nachhaltige Maßnahmen bleiben
       weitgehend aus. Es sind [4][engagierte zivilgesellschaftliche
       Einrichtungen] und [5][die Nachbarschaften selbst], die Hilfe organisieren.
       
       Bislang kommt meine Gegend vergleichsweise glimpflich davon. Für eine
       Ahnung von den uns demnächst buchstäblich ins Haus stehenden möglichen
       Zuständen reicht ein Blick in den lange schon gebeutelteren Wrangelkiez.
       Dort geht es [6][ganz anders zu]: In einigen Fällen seien schon
       Wohnungstüren eingetreten und Mieterinnen bedroht worden, berichten
       Bekannte.
       
       Ob die Polizeiwache am Kottbusser Tor, mehr Razzien im Görlitzer Park oder
       symbolträchtige Spaziergänge des Senats durch den Kiez: Welchen Beweis
       braucht es eigentlich noch, dass restriktive „Law & Order“-Politik allein
       kein Ausweg ist? Haustüren abschließen auf Dauer leider auch nicht…
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Die-Wahrheit/!5494766
   DIR [2] https://www.hdg.de/lemo/kapitel/globalisierung/debatten-und-reformen/sicherheitsgesetze.html
   DIR [3] /Crack-breitet-sich-aus/!5973785
   DIR [4] https://www.fixpunkt.org/aktuelles/
   DIR [5] https://wrangelkiezunited.noblogs.org/was-tun-bei-drogenkonsum-im-haus/#more-2079
   DIR [6] /Zaunplaene-fuer-den-Goerlitzer-Park/!5993261
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bobby Rafiq
       
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