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       # taz.de -- „Förderung“ an Waldorfschulen: Allein mit dem Heileurythmisten
       
       > Mehrmals wöchentlich muss unsere Autorin zur pseudotherapeutischen
       > Heileurythmie – allein. Niemand sagt ihr, warum. Es ist creepy as fuck.
       
   IMG Bild: Für die Heileurythmie hat sich die Kolumnistin nicht freiwillig gemeldet
       
       Epochenunterricht. Jeden Morgen 8:00 bis 9:45. Morgengebet, Begrüßung,
       Sprechübungen, Rhythmusübungen, Singen, Zeugnissprüche und endlich
       wirklicher Unterrichtsstoff. Meine Klassenlehrerin erklärt etwas. Plötzlich
       leises Klopfen, die Klassentür öffnet sich vorsichtig und der
       Heileurythmist steckt seinen Kopf hinein. Er will mich mitnehmen. Also
       schnappe ich meine Eurythmieschuhe, gehe aus der Klasse in den dunklen Flur
       und folge ihm. Es ist eine merkwürdige Stille. Normalerweise sind die Gänge
       und Treppenhäuser mit dem Chaos hunderter Kinder gefüllt. Jetzt bin ich die
       Einzige und höre hinter jeder Klassentür, an der wir vorbeikommen, gedämpft
       den laufenden Unterricht.
       
       Die ganze Situation ist unheimlich. Ich laufe schweigend hinter dem
       ebenfalls schweigenden Heileurythmisten her, den ich nur vom Sehen kenne,
       bis wir den etwas abseits gelegenen Heileurythmieraum betreten. Eine Art
       Heiligtum. Vorhänge vor den Fenstern. Mildes Licht. Die Akustik irgendwie
       dumpf. Ich soll die Eurythmieschuhe anziehen und dann einen Fünfstern
       laufen, während der Heileurythmist [1][Vokale tönt] und ich die Arme
       entsprechend halte. Irgendwann ist es vorbei. Wieder Schuhe anziehen und er
       bringt mich zurück in meine Klasse. Ich setzte mich leise wieder auf meinen
       Platz. Alle tun so, als wär nichts, und ich versuche mich zu orientieren,
       wo wir im Unterricht inzwischen sind.
       
       Das geht nun einige Wochen mehrmals wöchentlich so. Niemand sagt mir, warum
       ich zur [2][Heileurythmie] muss. Wie lange ich noch muss. Was sich dadurch
       bessern soll. Nichts. Aber ich frage auch nicht. Weil es eben normal ist.
       „Jeder ist mal dran“. Es ist creepy as fuck. Ich werde es immer unangenehm
       finden. Ich bin in den Wochen angespannter im Unterricht, weil ich nicht
       weiß, wann das leise Klopfen kommen wird, der Heileurythmist seinen Kopf
       durch den Türspalt steckt, der Klassenlehrerin zunickt und dann mich
       anschaut, die ihre Eurythmieschlappen nimmt und die Klasse verlässt. Aber
       ich habe es nie infrage gestellt. Überhaupt haben wir als Kinder nie
       darüber geredet.
       
       Irgendwann war ich scheinbar fertig und es waren wieder andere Kinder der
       1.-8. Klasse dran.
       
       ## Pseudotherapeutische Behandlungen
       
       Ich habe letztes Jahr herauszufinden versucht, warum und wann ich zur
       Heileurythmie musste. Ich glaube, zwei bis drei Mal. Meine Eltern erinnern
       sich nicht daran, dass mit ihnen darüber gesprochen wurde. In meinen
       Zeugnissen steht auch nichts. Noch nicht mal, dass ich überhaupt
       Heileurythmie hatte.
       
       Ich wurde also pseudotherapeutisch behandelt, ohne dass eine Indikation und
       ein „Behandlungserfolg“ zumindest für meine Eltern dokumentiert wurde.
       
       Da es an meiner Schule damals noch keinen Schularzt gab, der das hätte
       verordnen können, vermute ich, dass es eine Entscheidung der Lehrkräfte in
       einer „Kinderbesprechung“ war. Personen ohne entsprechende Qualifikationen
       haben mir also Therapie verordnet, weder mit mir noch mit meinen Eltern
       drüber gesprochen und mich kommentarlos mit einem mir gruseligen Typen
       allein in einen Raum geschickt. Niemand hat je gefragt, wie es mir dabei
       geht. Es war halt so. Daher habe ich zu Hause auch nichts erzählt und war
       einfach froh, als es wieder vorbei war.
       
       Heileurythmie ist übrigens eine der wichtigsten Komponenten bei dem, was
       Waldorfschulen „individuelle Förderung“ nennen.
       
       21 Apr 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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