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       # taz.de -- Spionage für China: Chinas Spitzel-Verdiener
       
       > Drei Deutsche sollen China Details über Militärtechnik weitergegeben
       > haben. Das zeigt, wie angreifbar deutsche Sicherheitssysteme sind.
       
   IMG Bild: Nachmacher! Ob Eiffelturm, Heidelberger Schloss oder Militärtechnologie. China kopiert, was nützlich scheint
       
       Es wird viel spioniert in Deutschland. Erst in der vergangenen Woche wurden
       zwei mutmaßliche Spitzel und Saboteure in Bayreuth gefasst, die womöglich
       im Auftrag eines russischen Geheimdienstes Brandanschläge auf militärisch
       genutzte Orte geplant hatten. Am Montag nun gab die Bundesanwaltschaft den
       nächsten Fall bekannt.
       
       Dieses Mal hat China Deutschland im Visier. „Die Beschuldigten sind
       dringend verdächtig, seit einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor Juni
       2022 für einen chinesischen Geheimdienst tätig zu sein“, teilte der
       Generalbundesanwalt mit. Im Fokus stehen insbesondere Ina und Herwig F.
       
       Im Internet trumpften die bisher groß auf. Seit 30 Jahren entwickele man
       „Innovationsprojekte“, mit „optimaler Vermarktungschance“, bewarb das
       Ehepaar ihre Firma. Mehr als 300 Erfindungen und 150 Patente habe man
       entwickelt, etwa für Rollläden-Motoren oder Elektroroller. Dabei unterhalte
       man neben Büros in Düsseldorf und London auch eines in Schanghai, mit
       Anbindung „an die intellektuellen Ressourcen der aufsteigenden
       Millionenmetropole“ und mit „zahlreichen Geschäftsverbindungen“ in den
       asiatischen Markt.
       
       Doch seit Montag ist damit Schluss. Am frühen Morgen ließ die
       Bundesanwaltschaft Ina und Herwig F. in Düsseldorf festnehmen und ebenso
       einen Bad Homburger, der sich um Investoren kümmern sollte, Thomas R. Der
       Vorwurf: geheimdienstliche Agententätigkeit.
       
       ## Mehr Distanz zu erwarten
       
       Das Trio habe nicht nur aus eigenem Interesse für ihre Firma gearbeitet,
       sondern auch als Spione für China. Ein schwerer Vorwurf, der, nur wenige
       Tage nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz von einem Besuch aus China
       zurückkehrte, bekannt wurde. Und in einer Zeit, in der die Bundesregierung
       versucht, mit ihrer China-Strategie eine Balance zwischen Distanz und
       Zusammenarbeit zu finden. Unklar blieb am Montag, ob der Kanzler vor oder
       während seiner Reise über den Fall informiert worden war.
       
       Die Festnahmen dürften nun die Distanz der Bundesregierung befördern. Denn
       laut Bundesanwaltschaft soll Thomas R. spätestens seit Juni 2022 mit dem
       chinesischen Geheimdienst MSS in Kontakt gestanden haben. Ein MSS-Agent
       habe dabei von dem 59-Jährigen Informationen zu militärisch nutzbaren
       Technologien erbeten und auch erhalten.
       
       Konkret habe der MSS über Thomas R. eine Studie zum Stand der Technik von
       Maschinenteilen in Auftrag gegeben, die auch für den Betrieb von Motoren
       für Kampfschiffe eingesetzt werden könnten. Die Studie sei dann von der
       Firma von Herwig F. und Ina F. umgesetzt und laut Bundesanwaltschaft von
       chinesischen Stellen bezahlt worden.
       
       Auch sonst sei das Unternehmen als Tarnmedium zur Kontaktaufnahme mit der
       deutschen Wissenschaft eingesetzt worden, so der Vorwurf. Mit einer
       Universität sei auch ein Kooperationsabkommen geschlossen worden, nach
       taz-Informationen mit einer ostdeutschen Hochschule.
       
       ## Ein umfassendes Geschäft
       
       Zuletzt soll sich das Trio in Verhandlungen über weitere Forschungsprojekte
       befunden haben, die China für maritime Kampftechnik hätte nutzen können.
       Auch habe die Firma, beauftragt und bezahlt vom MSS, einen Speziallaser
       gekauft und ohne Genehmigung ausgeführt, obwohl dieser unter die sogenannte
       EU-Dual-Use-Verordnung fiel und so nicht hätte ausgeführt werden dürfen.
       
       Laut Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte sein Dienst das
       Trio schon länger im Blick. Der Fall sei damit auch ein Ermittlungserfolg
       seines Hauses, der „deutliche Relevanz“ habe. Haldenwang warnte erneut,
       dass China auch in Deutschland Wirtschaftsspionage und Proliferation
       betreibe, also den Export von Gütern, die nicht ausgeführt werden dürften.
       Der aktuelle Fall sei „Teil eines umfassenden Geschäfts“.
       
       Auch Iran, Nordkorea oder Russland seien in diesen Feldern aktiv, so
       Haldenwang. Die Länder seien mit einem „hohen Maß an Energie“ zugange und
       würden sich „aller Mittel“ bedienen – von Spionage über Cyberangriffe bis
       Desinformation.
       
       Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verkauft die Festnahmen als
       großen Erfolg der Sicherheitsbehörden. „Wir haben die erhebliche Gefahr
       durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft im
       Blick“, so Faeser. Deutliche Warnungen hätten dazu geführt, dass
       Schutzvorkehrungen erhöht wurden. Den „betroffenen Bereich militärisch
       nutzbarer innovativer Technologien“ bezeichnete die Ministerin als
       besonders sensibel.
       
       ## Wandel durch Handel? Naiv!
       
       Dies reicht Roderich Kiesewetter, CDU-Außenpolitiker, jedoch nicht aus. Er
       bescheinigt China hierzulande ein leichtes Spiel. „Deutschland ist gegen
       hybride Angriffe auch durch nachrichtendienstliche Operationen schlecht
       gewappnet und sehr vulnerabel“, sagte Kiesewetter der taz.
       
       Den Diensten fehle es im Bereich der Spionageabwehr an rechtlichen
       Befugnissen oder finanzieller und personeller Ausstattung. „Naiv“ – so
       sieht Kiesewetter den Umgang der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit
       China. Das Narrativ „Wandel durch Handel“ – mit dem auch Kanzler Scholz
       durch China tingelte, im Schlepptau eine Wirtschaftsdelegation – hält
       Kiesewetter mindestens für fragwürdig.
       
       Dass es sich bei Spionage um ein gravierendes Sicherheitsproblem handelt,
       darüber besteht offenbar Einigkeit. Aber: „Leider fehlt es vielen
       Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bis heute oftmals
       an dem notwendigen Problembewusstsein für die von China und anderen
       autoritären Staaten ausgehenden Gefahren“, sagt Konstantin von Notz,
       Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
       
       Und das, obwohl die Bundesregierung sich sowohl in der China-Strategie als
       auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie darauf geeinigt hat,
       Abhängigkeiten von autoritären Staaten zu verringern. Dies betrifft vor
       allem Technologiefirmen, dazu zählen auch Komponenten chinesischer Firmen,
       die für Telekommunikation genutzt werden.
       
       22 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Tanja Tricarico
       
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