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       # taz.de -- Palästina-Israel-Konflikt: Der „neutrale“ Staat schlägt zu
       
       > Friedrichshain-Kreuzberg schließt zwei Mädchen- und Frauentreffs wegen
       > vermeintlichem Antisemitismus leitender Mitarbeiterinnen. Die Empörung
       > ist groß.
       
   IMG Bild: Zahlreiche Besucher warten auf den Einlass zum Palästina-Kongress
       
       Berlin taz | Die Kündigung des Vereins Frieda, der in
       Friedrichshain-Kreuzberg die beiden Mädchen- und Frauentreffs „Phantalisa“
       und „Alia“ betreibt, schlägt hohe Wellen. Der Friedrichshain-Kreuzberger
       Jugendstadtrat Max Kindler (CDU) hatte dem Verein Ende voriger Woche
       überraschend die Trägerschaft für die Einrichtungen entzogen – wegen des
       „Antisemitismus“ leitender Mitarbeiterinnen.
       
       In der Bezirkspolitik gibt es nun vor allem Aufregung, weil der Stadtrat
       offenbar eigenmächtig handelte. „Kindler hätte den Jugendhilfeausschuss
       zumindest informieren müssen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken in
       der Bezirksverordnetenversammlung, René Jokisch, am Dienstag der taz. Die
       Grünen-Fraktion teilte mit, die fristlose Kündigung sei nicht
       nachvollziehbar: Eine „‚Gefahr im Verzug‘ wurde vom Stadtrat nicht
       begründet“, zudem habe der Ausschuss „das Jugendamt erst im Januar zu einer
       Mediation mit dem Träger verpflichtet“.
       
       Es gab nämlich schon länger Streit zwischen Jugendamt und Träger: Nach
       taz-Informationen geht es dabei um den Umgang mit einem Nazi-Nachbarn von
       Phantalisa, der Mädchen den Hitlergruß gezeigt haben soll. Die Sprecherin
       des Bezirks sagte dazu auf Anfrage: „Es gab bereits Auseinandersetzungen
       zum überarbeiteten Konzept zwischen einem Mädchenzentrum und dem Jugendamt,
       das auf inhaltlichen Differenzen beruhte.“
       
       Eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses soll nun klären, wie es
       weitergeht. Die Grünen betonten, das „intersektionale, queer-feministische
       Angebot“ des Vereins sei wichtig, es müsse „deshalb ohne Übergangszeit in
       der bisherigen Art und für die entsprechende Zielgruppe nahtlos fortgeführt
       werden“.
       
       ## „Antizionistische Aussagen“
       
       Der Verein, der mit vollem Namen Frieda Frauen*zentrum e. V. heißt, hat
       das Kündigungsschreiben vom 17. April selbst auf seiner [1][Webseite] und
       bei Instagram veröffentlicht. Darin erklärt Stadtrat Kindler, die Ziele der
       Kinder- und Jugendarbeit – wie Demokratiebildung und „Befähigung zu
       eigenverantwortlichem gesellschaftlichen und politischen Handeln“ – sei mit
       dem Verein nicht mehr möglich. Zur Begründung verweist er unter anderem auf
       einen Focus-Artikel von Oktober, wo die beiden Geschäftsführerinnen des
       Vereins und die Leiterin von Phantalisa bei einer „Mahnwache“ für Palästina
       zu sehen seien – angeblich nach Auflösung der Demo durch die Polizei und
       zum Teil vermummt.
       
       Zudem habe eine der Geschäftsführerinnen, Shokoofeh Montazeri, auf ihrem
       privaten Instagram-Account „antisemitische und antizionistische Aussagen
       gegenüber Israel“ geäußert. Weiter wirft der CDU-Politiker Montazeri vor,
       als Rednerin beim Palästina-Kongress aufgeführt zu sein. Die von der
       Polizei am 12. April aufgelöste Veranstaltung war im Vorfeld von vielen
       Politikern und Medien als Treffen von „Israelhassern“ gelabelt worden, vor
       allem wegen des Veranstalters „Jüdische Stimme“ sowie wegen Rednern, die
       teils der Hamas nahe stehen. Montazeri wird [2][auf der Kongress-Webseite]
       als „antikoloniale Marxistin“ und „seit Jahren politisch aktiv im Rahmen
       von queer-feministischen, antiimperialistischen und antikolonialen
       Bewegungen sowie der Palästina-Solidarität“ angekündigt.
       
       Ob diese Vorwürfe ausreichen, um einem Verein der Jugendarbeit die
       Trägerschaft zu kündigen, wird [3][in der Kommentarspalte des
       Insta-Accounts von Frieda] nun heftig diskutiert. Der Verein selbst erklärt
       in seinem Statement, man sei „schockiert“ über „die Ausspähung privater
       Instagram-Accounts von Mitarbeitenden“ und dass dem Stadtrat für eine
       Kündigung „bereits diffamierende Pressemeldungen genügen“.
       
       Der Verein sieht sich als „Opfer des Musters von Repressionen und
       Einschüchterung“, von dem derzeit viele Menschen betroffen seien, „die sich
       mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisieren und die eine
       genozidale Katastrophe abwenden wollen“. Dieser Umgang sei weder
       rechtsstaatlich, noch passe er zu den „demokratischen Grundwerten, denen
       wir uns in unserer Arbeit sowohl als Verein als auch als
       Sozialarbeiter*innen verschrieben haben“.
       
       ## „Angriff auf unser Berufsbild“
       
       In diesem Sinne erklärt sich auch der [4][„Solidaritätstreff Soziale
       Arbeit“ aus Wedding] solidarisch. Die Kündigung sei ein „massiver Angriff
       auf unser Berufsbild“, heißt es. Man habe als Fachkräfte den „bedeutenden
       Auftrag, aktiv für den globalen Frieden und soziale Gerechtigkeit zu
       streiten“.
       
       Linken-Politiker Jokisch ist vorsichtiger: Man könne den Palästina-Kongress
       durchaus kritisch sehen, findet er. Aber ob die Frauen sich problematisch
       geäußert haben, sei unklar, die Anschuldigungen im Kündigungsschreiben
       seien viel zu vage. Richtig wäre gewesen, die Beschuldigten im Ausschuss
       anzuhören. „Man hätte darüber reden müssen.“
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.frieda-frauenzentrum.de/informationsschreiben-von-frieda-frauenzentrum-e-v-bzgl-der-ausserordentlichen-kuendigung-mit-sofortiger-wirkung-unserer-beiden-maedcheneinrichtungen-phantalisa-und-alia/
   DIR [2] https://palaestinakongress.de/speakers
   DIR [3] https://www.instagram.com/p/C6CmtGZMRhz/
   DIR [4] https://www.unverwertbar.org/antifa/2024/8920/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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