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       # taz.de -- Einigung bei Vorratsdatenspeicherung: Der Quick-Freeze kommt
       
       > Die Ampel einigt sich auf einen Kompromiss zur Speicherung von
       > Kommunikationsdaten. Das ist ein Erfolg für Justizminister Buschmann und
       > die FDP.
       
   IMG Bild: Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
       
       Berlin taz | Die Ampelkoalition will zur Strafverfolgung das
       Quick-Freeze-Verfahren einführen. Darauf hat sich die Bundesregierung
       geeinigt. Dies ist ein Erfolg für Justizminister Marco Buschmann (FDP) und
       zugleich eine Absage an die vom Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
       geforderte anlasslose Vorratsdatenspeicherung aller IP-Adressen.
       
       Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahrzehnten [1][ein zentrales
       Streitthema] der deutschen Innen- und Rechtspolitik. 2007 wurde sie von der
       damaligen Großen Koalition zum ersten Mal eingeführt, dann aber 2010 vom
       Bundesverfassungsgericht wegen unzureichendem Schutz der gespeicherten
       Daten gekippt. 2015 führte die nächste Große Koalition die
       Vorratsdatenspeicherung wieder ein. Aufgrund rechtlicher Bedenken wurde sie
       aber nie praktiziert. Im September 2022 erklärte der Europäische
       Gerichtshof (EuGH), dass das deutsche Gesetz [2][gegen EU-Recht zum
       Datenschutz verstößt].
       
       Als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet man die anlasslose Speicherung aller
       Telefon- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung.
       Telefonfirmen müssen dabei festhalten, wer wann wen angerufen oder
       angesimst hat. Internetprovider müssen speichern, wer sich wann mit welcher
       IP-Adresse ins Internet einloggte. Bei Mobiltelefonen wird auch der
       Standort registriert. Inhalte werden zwar nicht erfasst. Dennoch entstünde
       so ein riesiger Datenfundus, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen
       könnte.
       
       Diese Vorratsdatenspeicherung steht immer noch im Gesetzblatt, in den
       Paragrafen 175 bis 181 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das
       Justizministerium wollte sie eigentlich streichen, doch die Bundesregierung
       beschloss nun, die Normen nicht zu entfernen. Da sie aber noch nie
       angewandt wurden und nach dem EuGH-Urteil auch nicht angewandt werden
       dürfen, hat dies wohl nur symbolische Bedeutung, quasi als Trost für
       Innenministerin Faeser.
       
       ## Nur gezieltes Auftauen erlaubt
       
       Faeser setzt sich seit dem EuGH-Urteil dafür ein, die
       Vorratsdatenspeicherung in reduziertem Umfang neu zu beschließen. Nur die
       IP-Adressen sollten auf Vorrat gespeichert werden, um damit sogenannte
       Kinderpornografie aufzuklären. Der EuGH hat eine derart reduzierte
       Vorratsdatenspeicherung für zulässig erklärt, sie widerspricht aber dem
       Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses, weshalb Justizminister Buschmann
       jede Diskussion über eine IP-Adressen-Speicherung ablehnte.
       
       Die noch bestehenden Regelungen im TKG können auch nicht genutzt werden, um
       ohne Beteiligung des Gesetzgebers, also des Bundestags, eine
       IP-Adressen-Speicherung einzuführen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat
       im August 2023 entschieden, dass die TKG-Regeln nicht in diesem Sinne
       ausgelegt werden können.
       
       Stattdessen soll nun [3][das Quick-Freeze-Verfahren] in der
       Strafprozessordnung eingeführt werden. Hier werden Daten nicht auf Vorrat
       gespeichert, sondern erst, wenn ein Verbrechen geschehen ist. Die Polizei
       kritisiert, dass so nur Daten gespeichert werden können, die noch vorhanden
       sind. Was lange im Vorfeld einer Tat passierte, lasse sich so nicht
       rekonstruieren.
       
       Justizminister Buschmann hat bereits im Oktober 2022 einen Gesetzentwurf
       zur Regelung des Quick-Freeze-Verfahrens vorgelegt. Laut Gesetzentwurf
       dürfen alle Verkehrsdaten gespeichert werden, die für die Ermittlungen noch
       „von Bedeutung“ sein könnten. So können Daten von Dutzenden, aber auch von
       Tausenden Personen erfasst werden. Später dürfen aber nur solche Daten
       „aufgetaut“, also von der Polizei verwendet werden, die zu konkret
       Verdächtigen gehören. Alle übrigen Daten müssen ungenutzt wieder gelöscht
       werden.
       
       Buschmanns Gesetzentwurf soll nun mit leichten redaktionellen Anpassungen
       den Bundesländern und den Verbänden übersandt werden, damit diese Stellung
       nehmen könnnen.
       
       FDP und Grüne begrüßten umgehend die Einigung der Bundesregierung. Auch der
       Deutsche Anwaltverein und eco, der Verband der Internetwirtschaft, zeigten
       sich erfreut. Für die SPD erklärte Fraktionsvize Dirk Wiese: „Im
       parlamentarischen Verfahren werden wir nun intensiv beraten, wie die
       Quick-Freeze-Methode den Anforderungen einer effizienten Strafverfolgung im
       Internet gerecht wird.“ Noch vor wenigen Tagen hatte Wiese im Handelsblatt
       die sofortige Einführung der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen
       gefordert.
       
       10 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR Christian Rath
       
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       Die Erfassung der Daten aller Bürger:innen jederzeit war ein klar
       unverhältnismäßiges Gesetz. Politisch machbar ist nur die
       Quick-Freeze-Regelung.