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       # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Willkommen im Club
       
       > „Punk Girls“ erzählt von einer Ära, als Frauen sich die Musikszene
       > erkämpften, im „Club Zero“ sollen Wohlstandskinder die Welt durch
       > Verzicht retten.
       
   IMG Bild: „Club Zero“ (Österreich 2023), Regie: Jessica Hausner
       
       Es ist kaum ein halbes Jahr her, dass die [1][britische Musikerin Gina
       Birch] ein Konzert im Kulturquartier silent green gab und dabei auch einen
       kleinen Film über die Frauen der frühen britischen Punkszene Mitte/Ende der
       1970er Jahre im Gepäck hatte, von der Birch mit der kratzig-charmanten
       Do-it-yourself-Musik ihrer Frauenband The Raincoats ebenfalls ein
       unabdingbarer Teil gewesen war.
       
       Zudem erzählte sie dann auch ein wenig von jenen Zeiten – und zwar mit
       freundlich-britischem Humor. Neben The Slits, Siouxsie Sioux und der leider
       bereits verstorbenen Poly Styrene (von der Band X-Ray Spex) gehört
       natürlich auch Birch zu den Protagonistinnen der für den TV-Sender Arte
       produzierten Doku „Punk Girls“ von Christine Franz, die jetzt im Rahmen des
       Achtung Berlin Festivals ihre Premiere feiert (am 12.4. im City Kino
       Wedding in Anwesenheit des Filmteams).
       
       Neben den erwähnten Musikerinnen stellt der Film die Erinnerungen der
       Journalistin und Musikerin Vivien Goldman in den Mittelpunkt und blickt auf
       eine Ära zurück, in der Frauen erstmals in größerer Anzahl zu
       Musikinstrumenten griffen, um sich mit großer Selbstverständlichkeit
       künstlerisch auszudrücken (12. 4., 22 Ihr, [2][City Kino Wedding], 13.4.,
       18.30 Uhr, [3][Babylon Mitte]).
       
       Allzu viel Zuspruch von Seiten der Kritik konnte „Club Zero“, der jüngste
       Film der österreichischen Regisseurin Jessica Hausner, ja bislang nicht
       erzielen. Um sich dabei zu amüsieren, benötigt man aber auch zweifellos
       einen Sinn für hintergründig bösen Humor und ganz sicher keine Erwartungen
       an eine realistische Studie über Nahrungsverweigerung und Magersucht.
       
       Stattdessen zeigt der Film mit absurdem Witz, dass das Thema Weltrettung
       durch Verzicht natürlich nur von jenen im wahrsten Sinn auf den Tisch
       kommen kann, die überhaupt auf etwas verzichten können: den Reichen.
       
       Und so verfallen die verzogenen, von ihren Eltern genervten
       Wohlstandsjugendlichen im Rahmen eines Kurses an einer Eliteschule prompt
       den Ideen ihrer ebenso freundlichen wie völlig unnachgiebigen Lehrerin (Mia
       Wasikowska), die ihnen nach und nach weismacht, man könne gänzlich ohne
       Nahrung leben: „Willkommen im Club Zero“.
       
       Ganz nebenbei ist das übrigens auch eine prima Analyse wie Sekten
       funktionieren: über das Gefühl, trotz Gruppenzwangs in einer Gemeinschaft
       gut aufgehoben zu sein – mag die Ideologie auch noch so absurd sein
       (11.–17.4., 17.15 Uhr, [4][Hackesche Höfe Kino], 11.–13.4., 15.–17.4., 19
       Uhr, [5][Filmrauschpalast], 11.–13.4., 17.30 Uhr, 14.4., 12.45 Uhr, [6][fsk
       Kino], 11.4., 12.4., 15.4., 14.15 Uhr, [7][B-ware! Ladenkino], 13.4.,
       16.40, [8][Wolf Kino], 14.4., 11.30 Uhr [9][Delphi Lux]).
       
       Molières Theaterstück „Tartüff“ um einen frömmelnden Heuchler, der sich Hab
       und Gut eines reichen Mannes erschleichen will, setzten Regisseur F.W.
       Murnau und sein Drehbuchautor Carl Mayer für ihre Verfilmung des Stoffes
       aus dem Jahr 1926 in eine moderne Rahmenhandlung: Ein junger Mann erkennt
       die bösen Absichten der Haushälterin seines Großvaters und führt den beiden
       in der Maske eines Wanderkino-Schaustellers die Geschichte als stilisierten
       Film vor.
       
       Dabei kommt man sodann in den Genuss der großen Stars des deutschen
       Stummfilmkinos: Emil Jannings kann in der Titelrolle hinter seinem
       verkniffen-frömmelnden Gehabe den lüsternen Genussmenschen kaum verbergen,
       während Werner Krauss als Gastgeber so durchgeistigt wirkt, dass er die
       Außenwelt kaum wahrnimmt. Zu sehen ist der Klassiker beim Stummfilm um
       Mitternacht – bei freiem Eintritt und mit Anna Vavilkina an der Kinoorgel
       (13.4. 23.59 Uhr, [10][Babylon Mitte]).
       
       11 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Soloalbum-von-Punk-Ikone-Gina-Birch/!5936980
   DIR [2] https://citykinowedding.de/programm/
   DIR [3] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/achtung-berlin/6957-achtung-berlin-punk-girls
   DIR [4] https://www.hoefekino.de/filme/club-zero-35785/
   DIR [5] https://www.filmrausch.de/
   DIR [6] https://fsk-kino.peripherfilm.de/club-zero/
   DIR [7] https://ladenkino.de/
   DIR [8] https://wolfberlin.org/de/programm/filme/club-zero
   DIR [9] https://www.yorck.de/filme/club-zero?sort=Popularity&date=2024-04-10&tab=daily&sessionsExpanded=&film=poor-things
   DIR [10] https://babylonberlin.eu/film/1345-stummfilm-um-mitternacht-tart-ff
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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