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       # taz.de -- EU-Einigung auf Asylreform: Die grüne Flucht nach rechts
       
       > Die Neuordnung des EU-Asylsystems bedeutet für Flüchtlinge Inhaftierung
       > und mögliche Abschiebung in Kriegsgebiete. Es zwingt die Grünen zu
       > Verrenkungen.
       
   IMG Bild: Protest gegen den Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im November 2023
       
       Bis vor Kurzem hatte die Webseite der Grünen eine Themenrubrik namens
       „Flüchtlinge“. Darin stand ein klarer Satz: „Vorgezogene
       Asylverfahrensprüfungen an den Außengrenzen lehnen wir ab.“ Diese Seite ist
       nicht mehr erreichbar. Stattdessen gibt es eine Weiterleitung, dort ist von
       „Humanität, Ordnung und Solidarität an der Grenze“ die Rede. Der
       semantische Abstand zur CDU ist da nur noch haarscharf: Bei der ist der
       Passus zum selben Thema überschrieben mit „Unser Weg für Humanität und
       Ordnung“.
       
       Beschrieben werden bei Grünen und Union die Vorzüge der Neuordnung des
       EU-Asylsystems GEAS, das am Mittwoch [1][vom EU-Parlament beschlossen
       wurde].
       
       Es sieht – und das ist eine Idee des alten deutschen CSU-Innenministers
       Horst Seehofer – vor, dass Ankommende an den Außengrenzen künftig in großer
       Zahl inhaftiert werden und Schnellverfahren durchlaufen müssen. Offiziell
       gelten sie in dieser Zeit als „nicht eingereist“. Wer vorher in einem
       „sicheren Drittstaat“ war, soll sehr leicht dorthin zurückgeschoben werden
       können – auch, wenn diese „sicheren Drittstaaten“, wie etwa die Türkei,
       ihrerseits in Kriegsgebiete oder unsichere Staaten wie Afghanistan
       abschieben.
       
       Die EU entledigt sich so der Menschen, der moralischen Verantwortung aber
       entkommt sie nicht. Das neue GEAS ist ein [2][System der Entrechtung und
       der Abschottung]. Es wurde auf EU-Ebene nur möglich, weil Deutschland im
       vergangenen Sommer eine Einigung forcierte. Die Grünen-Parteispitze warb
       damit, so einen „verbindlichen Verteilmechanismus“ innerhalb der EU
       durchsetzen zu können. Das GEAS widersprach dabei der Beschlusslage der
       Partei völlig eindeutig.
       
       Der Verteilmechanismus, dessen Existenz bis heute heraufbeschworen wird,
       war in Wahrheit nie vorgesehen. Es wird ihn auch jetzt nicht geben, sondern
       nur eine Zahlungsverpflichtung für Länder, die anteilig zu wenige
       Flüchtlinge nehmen. Sehr wohl aber gibt es Haft für die Schwächsten, auch
       für Kinder – das, was die Grüne Parteispitze zu verhindern versprach.
       
       Annalena Baerbock warb am Mittwoch vor der Abstimmung für das GEAS, nannte
       es einen „Meilenstein“ für „Humanität und Ordnung“. Doch damit vermochte
       sie nicht mal ihre eigene Fraktion im Brüsseler Parlament zu täuschen. Die
       [3][sah klar] – und lehnte den Kompromiss ab.
       
       11 Apr 2024
       
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