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       # taz.de -- Programm für mehr Bildungsgerechtigkeit: Ampel beendet Gießkanne
       
       > Im Bundestag wird über das Startchancen-Programm diskutiert. Die einen
       > sehen darin einen riesigen Erfolg, den anderen geht es nicht weit genug.
       
   IMG Bild: Ria Schröder (FDP) spricht im Plenarsaal im Bundestag in der Debatte zur Bildungsgerechtigkeit
       
       BERLIN taz | Kräfitges Eigenlob: Die Aussprache zu Bildungsgerechtigkeit im
       Bundestag nutzten die Ampelfraktionen am Donnerstag vor allem dafür, sich
       selbst auf die Schulter zu klopfen. Das kürzlich beschlossene
       Startchancen-Programm nannten Abgeordnete der Regierungsfraktionen einen
       „Paradigmenwechsel“ und das „größte Bildungsprojekt in der Geschichte der
       Deutschen Bundesrepublik“. Die Opposition mahnte dagegen zu mehr
       Bescheidenheit.
       
       Vor gut zwei Monaten hatten sich Bund und Länder auf das
       20-Milliarden-schwere [1][Startchancen-Programm geeinigt]. Das Geld geht an
       ausgewählte Schulen, teils zur Finanzierung baulicher Maßnahmen, teils aber
       auch zur freien Verfügung. Ein Chancenbudget soll außerdem genutzt werden
       können, um mehr Personal einzustellen, besonders im Bereich
       Schulsozialarbeit. Ziel ist mehr Bildungsungerechtigkeit vor allem an
       sogenannten Brennpunktschulen.
       
       Ab dem kommenden Schuljahr soll die Initiative an zunächst 1.000 Schulen
       starten – der Großteil davon Grundschulen. Bis zum Schuljahr 2026/27 soll
       sie dann auf rund 4.000 Schulen ausgeweitet werden. Für die beschlossene
       Laufzeit von zehn Jahren teilen sich Bund und Länder die Kosten
       gleichmäßig.
       
       Erstmals werden die Gelder dabei nicht nur nach dem Königsteiner Schlüssel
       verteilt, sondern ein neuer Mechanismus genutzt. Bei der Verteilung der
       Mittel für bauliche Veränderungen werden die Armutsgefährdungsquote, die
       Quote von Personen mit Migrationshintergrund und das Bruttoinlandsprodukt
       der Bundesländer miteinbezogen. Das Chancenbudget und das Geld für Personal
       werden aber wie bisher verteilt.
       
       ## Union mahnt, frühkindliche Bildung nicht zu vernachlässigen
       
       Die Hilfe soll laut Ampelregierung zielgerichteter als bisher bei den
       Schulen ankommen, die es am meisten brauchen. „Wir machen Schluss mit der
       Gießkanne“, betonte Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP, im
       Plenum am Donnerstag. Das Programm sei eine Kampfansage an den
       Bildungsnotstand. Kai Gehring (Grüne) stellte zudem fest, dass der
       Bildungserfolg bisher noch zu stark von der sozialen Herkunft, dem
       Geldbeutel der Eltern und der Postleitzahl abhänge. Gerade da soll das
       Projekt ansetzen. Dies sei „der Anfang einer Bildungswende“ so Gehring.
       
       Kritik kam von der Opposition. Mehrere Redner:innen aus der
       Unionsfraktion bemängelten, dass das Programm nur zehn Prozent der etwa
       40.000 Schulen in ganz Deutschland zugutekommen wird. Es gebe Probleme an
       allen Schulen im Land, nicht nur in denen, die für das Programm ausgewählt
       werden, betonte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine
       Schön. Sie forderte gemäßigtere Sprache. „Sonst wecken Sie nur Erwartungen,
       die Sie nicht erfüllen können“, so Schön in Richtung Ampelregierung.
       
       Auch der Vorwurf, die Ampelregierung vernachlässige die frühkindliche
       Bildung, kam aus der Unionsfraktion. „Wenn Sie ein Haus bauen, können Sie
       nicht zuerst die Mauer bauen. Da kommt das Fundament zuerst“, sagte dazu
       Silvia Breher (CDU) Die Ampel-Abgeordneten hielten dagegen und beschrieben
       das Startchancenprogramm als Teil einer größeren Bildungs-Strategie, zu dem
       unter anderem auch das Kita-Qualitätsgesetz und der [2][Rechtsanspruch auf
       Ganztagsbetreuung] gehören.
       
       Nicole Gohlke von der Gruppe Die Linke bewertete die Bund-Länder-Initiative
       als eine „vertane Chance“. Es sei unentschuldbar, dass eine demokratische
       und so reiche Gesellschaft immer noch Bildungsbiografien vererbe. Sie
       kritisierte in ihrem Redebeitrag am Donnerstag auch, dass nur ein Teil des
       Geldes nach einem Sozial-Index verteilt wird.
       
       11 Apr 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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