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       # taz.de -- Tarifeinigung bei der BVG: Die Politik muss noch mal ran
       
       > Der neue Manteltarif für die BVG-Beschäftigten macht gerade den
       > stressigen Job als FahrerIn etwas attraktiver. Aber das wird noch nicht
       > reichen.
       
   IMG Bild: Gestreikt wird erstmal nicht mehr bei der BVG
       
       Vor 10 oder gar 20 Jahren wären die Personalprobleme, mit denen die BVG
       aktuell zu kämpfen hat, nicht vorstellbar gewesen: Die Arbeitslosigkeit war
       deutlich höher als heute, und wenn jemand die Chance hatte, für den
       öffentlichen Arbeitgeber Bus zu fahren, griffen sie oder er dankbar zu.
       Mittlerweile müssen sich die Verkehrsbetriebe auf die Hinterbeine stellen,
       um neue KollegInnen zu rekrutieren und Lücken im Personalbestand zu
       schließen. Die vielen kleinen und größeren Annehmlichkeiten, [1][die Verdi
       nun im neuen Manteltarifvertrag ausgehandelt hat], sind also letztlich auch
       im Sinne des Vorstands, weil sie die Arbeitsplätze attraktiver machen.
       
       Gerade [2][hinter dem Lenkrad eines Berliner Busses] sitzt nämlich niemand
       einfach nur, weil das so viel Spaß macht: Der Job ist stressig und
       belastend, das können auch die Fahrgäste immer wieder gut beobachten.
       Erträglicher für das aktuelle Personal – und interessanter für
       EinsteigerInnen – wird er, wenn am Ende dafür mehr Pausen, Urlaubsgeld oder
       zusätzliche freie Tage winken.
       
       Das alles gibt es natürlich nicht kostenlos. Auch wenn es bei dieser
       Tarifrunde nicht um die Gehälter ging, ist trotzdem eine Menge Geld im
       Spiel: 70 Millionen Euro für zwei Jahre laut BVG-Vorstand. Viel, viel mehr
       hätte es der Chefetage zufolge gekostet, wenn sie auch eine Kernforderung
       der Verdi-VerhandlerInnen erfüllt hätte: die Ausweitung der sogenannten
       Wendezeiten auf standardmäßig 10 Minuten. Der Gewerkschaft war das
       besonders wichtig, weil diese kurzen Verschnaufpausen zwischen Hin- und
       Rückweg etwa auf einer Buslinie schon jetzt oft von verkehrsbedingten
       Verspätungen aufgefressen werden.
       
       Völlig nachvollziehbar: [3][Was ist das für ein Job], in dem man
       zwischendurch nicht mal Zeit hat, aufs Klo zu gehen? Die BVG hatte jedoch
       von Anfang an gesagt, man werde in diesem Punkt sehr hart verhandeln. Wenn
       tausende Beschäftigte längere Pausen haben, muss dafür eben ingesamt mehr
       Personal eingestellt werden. Das ist dann nicht mehr nur ein
       Rekrutierungsproblem, sondern ein handfestes finanzielles.
       
       Verdi hat das Argument ganz offensichtlich weitgehend geschluckt.
       „Durchschnittlich sechs Minuten“, wie jetzt die Kompromissformel lautet,
       ist eben doch nur ein Minifortschritt und weit vom selbst gesteckten Ziel
       entfernt. Allerdings soll ein wissenschaftlich begleiteter Modellversuch
       einen gesichtswahrenden Ausweg bieten: Zusammen mit dem Management will man
       testen, ob es nicht stressärmer für die FahrerInnen ist, wenn Bus und Tram
       nicht mehr einem rigiden Fahrplan hinterherfahren, sondern einfach dafür
       gesorgt wird, dass alle soundsoviel Minuten einer oder eine fährt.
       
       ## Kein intuitives Modell
       
       Besonders intuitiv ist das Modell „Takt statt Fahrplan“ jedenfalls nicht:
       Man verhindert damit vielleicht, dass die gelben Busse in einer Schlange
       hintereinanderherzuckeln, wie es heute oft genug vorkommt. Aber bleiben
       dafür dann Fahrzeuge regelmäßig – zum absehbaren Unmut der Passagiere – an
       einer Haltesstelle stehen und warten, bis es weiter vorne im Linienverlauf
       wieder vorangeht? Klingt wenig überzeugend, aber nun ja, prüfen schadet
       nichts.
       
       Eines der Hauptprobleme, das auch [4][die den Arbeitskampf unterstützenden
       KlimaaktivistInnen] von Fridays for Future immer betont haben, liegt eben
       immer noch darin begründet, dass der ÖPNV keine Vorrangstellung im
       Stadtverkehr genießt – von den wenigen, gerne auch zugeparkten Busspuren
       mal abgesehen. Wenn die Politik hier endlich für besseres Durchkommen
       sorgte, würden sich am Ende nicht nur die Fahrgäste und das Klima freuen,
       sondern auch ganz besonders die FahrerInnen.
       
       12 Apr 2024
       
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