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       # taz.de -- Reaktionen auf Irans Angriffe auf Israel: „Scheitern der Appeasementpolitik“
       
       > Nach den iranischen Angriffen auf Israel fordert Scholz ein Ende der
       > Eskalation. Nur wie? In der Ampel wird ein härterer Umgang mit Teheran
       > gefordert.
       
   IMG Bild: Im chinesischen Chongqing warnt Kanzler Olaf Scholz vor einer weiteren Eskalation nach den iranischen Angriffen
       
       Berlin taz | Olaf Scholz meldet sich am Sonntagmittag aus Chongqing zu
       Wort, wo er am frühen Morgen zu seiner dreitägigen China-Reise gelandet
       war. Die nächtlichen Raketen- und Drohnenattacken des Iran auf Israel seien
       „ein durch nichts zu vertretender Angriff“, [1][erklärt der deutsche
       Bundeskanzler]. „Das ist eine schlimme Eskalation der Lage und in keiner
       Weise akzeptabel, nachvollziehbar und hinnehmbar.“ Und Scholz bleibt mit
       seinen Worten nicht allein in der deutschen Politik.
       
       300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper hatte [2][der Iran in der Nacht
       auf Israel abgefeuert]. Es war der erste direkte Angriff Irans auf Israel
       überhaupt. Die Schäden blieben überschaubar, vor allem dank der
       israelischen Luftabwehr. Aber international war die Entrüstung groß, auch
       in Deutschland. Schon am Morgen hatte Scholz die Angriffe als „durch nichts
       zu rechtfertigen“ kritisiert. Der Iran riskiere einen „Flächenbrand“.
       
       Am Mittag legt Scholz in Chongqing nach, wo er eigentlich mit einer
       deutschen Wirtschaftsdelegation unterwegs ist. Deutlich warnt Scholz den
       Iran und seine Verbündeten vor einer weiteren Eskalation. Israel habe jedes
       Recht sich zu verteidigen, betont der Kanzler. Aber er appelliert letztlich
       auch an „alle“ Akteure der Region – also auch die Netanjahu-Regierung in
       Israel, die bereits Reaktionen angekündigt hat. Er könne alle nur warnen,
       „so weiterzumachen“, so Scholz.
       
       Scholz selbst passte sein chinesisches Besuchsprogramm für Sonntag an,
       sagte für den Nachmittag seine Teilnahme auf einer Bootsfahrt ab.
       Stattdessen wollte sich der Kanzler an einer Schaltkonferenz der
       G7-Regierungschefs zu den Iran-Angriffen beteiligen. Am Abend wollte er
       sich auch nochmal mit den für Sicherheit zuständigen Ministerinnen und
       Ministern der Bundesregierung zusammenschalten.
       
       ## Krisenstab der Bundesregierung tagte
       
       Bereits am Sonntagvormittag hatte knapp eine Stunde der Krisenstab der
       Bundesregierung getagt, unter der Leitung von Außenministerin Annalena
       Baerbock. „Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und
       Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt“, erklärte auch Baerbock
       im Anschluss. Die Angriffe seien „aufs Schärfste“ zu verurteilen, Israel
       gelte die „volle Solidarität Deutschlands“.
       
       Der Iran müsse weitere Angriffe unterlassen, auch über Verbündete,
       appelliert Baerbock. Ein regionaler Flächenbrand hätte „unkalkulierbare
       Folgen“. Aber auch die Außenministerin appelliert an „alle Akteure in der
       Region“, nun besonnen zu handeln. „Die Eskalationsspirale muss durchbrochen
       werden.“ Man müsse „gemeinsam“ zu einem Ende der Gewalt finden.
       
       Zugleich telefonierte am Sonntag auch Bundespräsident Frank-Walter
       Steinmeier mit seinem israelischen Amtskollegen Isaac Herzog. Auch er
       verurteilte den Angriff „aufs Schärfste“, zeigte sich erleichtert über die
       erfolgreiche israelische Luftabwehr – und hoffte, dass „eine großflächige
       Eskalation“ vermieden werden könne.
       
       Die Frage bleibt nur: Wie genau kann das gelingen? An welchen Konsequenzen
       für den Iran wird sich nun auch Deutschland beteiligen? Und wie wird
       Deutschland Israel im Falle einer weiteren Eskalation beistehen?
       
       Scholz und Baerbock ließen hierzu Antworten vorerst offen. Zu Konsequenzen
       berate man sich mit internationalen Partnern, erklärten Scholz und Baerbock
       lediglich. Schon länger aber steht Deutschland in der Kritik, [3][zu
       nachsichtig mit dem Iran umzugehen], in dem es etwa nicht forciere, dass
       die iranischen Revolutionsgarden auf der EU-Terrorliste landen.
       
       ## Forderungen nach einer „härteren Gangart“
       
       Auch in der Ampel wurden am Sonntag nun Stimmen laut, die Gangart gegenüber
       dem Iran zu verschärfen. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen
       Ausschusses im Bundestag, erklärte, die EU und Deutschland müssten „endlich
       eine härtere Gangart gegenüber Iran einlegen“. Das Mullahregime
       destabilisiere und radikalisiere den ganzen Nahen und Mittleren Osten.
       
       FDP-Europaspitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte, die
       iranischen Angriffe zeigten „in dramatischer Weise das Scheitern naiver
       Appeasementpolitik, die nun das Mullahregime nutzt“. Deutschland und die EU
       müssten alles ihnen Mögliche tun, um Israel bei der Abwehr zur Seite zu
       stehen.
       
       Auch in der Opposition forderte Außenexperte Jürgen Hardt (CDU), der Westen
       müsse „endlich einen härten Kurs gegen Teheran fahren“. Das Mullah-Regime
       habe endgültig bewiesen, dass es für „Chaos, Gewalt und Terror“ stehe. Sein
       Parteikollege Norbert Röttgen trat ebenso dafür ein, dass die
       Bundesregierung dafür eintreten müsse, dass die EU ihre „desaströse
       Iranpolitik“ korrigiere. Deutschland müsse seine Handelsbeziehungen mit dem
       Iran einschränken, dürfe hier nicht mehr der größte Partner sein. Und die
       Revolutionsgarden gehörten auf die EU-Terrorliste, so Röttgen.
       
       ## Deutscher Botschafter einbestellt
       
       Zunächst aber reagierte der Iran. Noch am Sonntag bestellte er in Teheran
       die deutschen, britischen und französischen Botschafter ein – wegen deren
       „unverantwortlichen“ Reaktionen auf die iranischen Angriffe. Die
       Mullah-Regierung hatte die Drohnen- und Raketenattacken als Vergeltung für
       [4][einen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen
       Hauptstadt Damaskus] im April bezeichnet. Damals waren zwei Brigadegeneräle
       und fünf weitere Mitglieder der Revolutionsgarden getötet worden. Eine
       deutsche Reaktion auf die Einbestellung des Botschafters blieb zunächst
       aus.
       
       Die Botschaft und das Auswärtige Amt erneuten am Sonntag ihre Warnungen für
       den Iran. Schon zuvor wurden dortige Deutsche aufgerufen, das Land
       „umgehend“ zu verlassen. Mit der möglichen „zeitnahen israelischen
       Reaktion“ auf die Iran-Angriffe sei nun „eine weitere substantielle
       Verschärfung der Sicherheitslage in der gesamten Region nicht
       ausgeschlossen“, wurde gewarnt.
       
       Auch im Libanon, wo die mit dem Iran verbündete Hisbollah aktiv ist, wurden
       Deutsche aufgerufen, das Land zu verlassen. Vor Reisen in das
       syrisch-jordanische Grenzgebiet sowie in den Nordosten des Landes und in
       die Grenzregion zu Irak wurde vom Auswärtigen Amt ebenso „dringend
       abgeraten“. Baerbock unterstrich am Sonntag, dass diese Warnungen „sehr
       ernst zu nehmen“ seien.
       
       Vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelten sich am Sonntagnachmittag
       derweil laut Polizei rund 500 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung mit
       Israel. Aufgerufen hatte dazu die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die
       „eiserne Entschlossenheit gegenüber dem Iran“ einforderte, aber auch
       Besonnenheit. Das Mullah-Regime habe mit den Luftangriffen eine „rote
       Linie“ überschritten, hieß es in einem Aufruf. Deutschland müsse darauf
       endlich mit einer konsequenten Haltung reagieren. Jede weitere
       wirtschaftliche Beziehung mit dem Iran „verbietet sich“.
       
       14 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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