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       # taz.de -- Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Linke sorgt sich um Polizisten
       
       > Im Landesparlament gibt es in der 1.-Mai-Nachlese wenig zu bekritteln.
       > Das lenkt den Blick auf die Personalia Manja Schreiner und Raed Saleh.
       
   IMG Bild: In voller Montur konnte es den eingesetzten Polizisten am 1. Mai bei sommerlichen Temperaturen durchaus warm werden
       
       Berlin taz | Wenn das Abgeordnetenhaus früher über den 1. Mai debattierte,
       war oft wenig Raum für Ablenkung – viele Verletzte oder rabiate Einsätze
       der Polizei schienen raumfüllend. Dass es dieses Mal anders ist, wird klar,
       wenn der eigene Blick vom Rednerpult abzuschweifen beginnt – zu zwei
       Menschen im Saal, deren politisches Schicksal jüngst Schlagzeilen machte:
       Manja Schreiner – mit ihrem Rücktritt als CDU-Senatorin nach aberkanntem
       Doktortitel – und Raed Saleh, der beim Wettstreit um den SPD-Landesvorsitz
       klar durchfiel. Nach dem Motto „Only bad news are good news“ kann da ein 1.
       Mai nicht mithalten, über den es im Saal heißt, er sei der friedlichste
       seit Jahrzehnten gewesen.
       
       Wobei Schreiner gar nicht im Saal ist: Parlamentspräsidentin Cornelia
       Seibeld verliest zu Sitzungsbeginn einen Brief von Regierungschef Kai
       Wegner (beide CDU). Da steht drin, dass er die Verkehrssenatorin am
       Dienstag auf eigenen Wunsch entlassen hat. Eine gewisse Heiterkeit kommt
       auf, als Seibeld zitiert, wer Schreiner vorübergehend ersetzen soll: ihr
       CDU-Kollege Stefan Evers vom Finanzressort – der ist aktuell eigentlich
       wegen der Haushaltsmisere nicht gerade unterbeschäftigt.
       
       Erst danach geht es um den 1. Mai, den fast alle Fraktionen von zwei
       Abgeordneten betrachten lassen: zum einen in Sachen Ablauf und
       Polizeieinsatz, zum anderen mit Blick auf den ursprünglichen Inhalt des
       Feiertags, die Arbeitnehmerrechte.
       
       Für Burkard Dregger (CDU) wie für Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ist
       dabei völlig klar, was zu diesem 1.-Mai-Ablauf geführt hat: ein solides
       Polizeiaufgebot – in diesem Jahr 6.200 Beamte – und intensive Vorbereitung
       durch die Einsatzleitung. Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte schon
       morgens im RBB-Inforadio gesagt: „Eine deutliche Präsenz lässt manches im
       Kein ersticken.“
       
       ## Ruf nach weniger Polizisten
       
       In der Opposition sieht man das anders. Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco
       dankt den Polizisten für ihren Einsatz, fragt sich aber, ob die wirklich
       schwer gerüstet bei 26, 27 Grad in der Sonne hätten stehen müssen, statt
       denn Tag mit Freunden oder Familie zu verbringen. Auch die Linksfraktion
       äußert Sorge: „Wir könnten doch gemeinsam hinterfragen, ob wirklich jedes
       Jahr am 1. Mai über 6.000 Kolleginnen und Kollegen in der prallen Sonne
       herangezogen werden müssen“, sagt Damiano Valgolio für seine Fraktion.
       
       Und so wandert der Blick dann wieder auf jenen leeren Sitz in der Reihe der
       Senatsmitglieder, wo jüngst noch Manja Schreiner saß. Aus allen Fraktionen
       – auch von den Grünen, die an ihr inhaltlich als Senatorin wenig Gutes
       fanden, – hat es Applaus gegeben, als die Parlamentspräsidenten ihr für
       ihre Arbeit dankt. Die Nachfolge soll oder will der eine oder andere im
       Plenarsaal schon im Kopf haben, aber offiziell wird bis Redaktionsschluss
       nichts.
       
       Einer, der in solchen Fällen meist Bescheid weiß, ist SPD-Fraktionschef
       Raed Saleh. Für jemanden, der beim SPD-internen Vorstandstriell jüngst so
       deutlich abgewatscht wurde, sieht er schon wieder gefasst aus. Im Juni,
       vielleicht schon am 4., steht die nächste Wahl für ihn an – dann geht es um
       den Fraktionsvorsitz. Saleh ist seit 2011 in diesem Amt, länger als jeder
       andere SPDler in deutschen Parlamenten. „Ich bin gerne
       Fraktionsvorsitzender und stehe weiter zur Verfügung“, sagt Saleh an diesem
       Donnerstag der taz. Ob es künftig eine Doppelspitze geben soll wie im
       Parteivorstand, mag er nicht sagen.
       
       Am Rednerpult geht die Debatte so entspannt zu Ende wie der 1. Mai selbst.
       Vasili Franco von den Grünen hat das in seiner Rede schon so
       zusammengefasst: „Die Jahre der Eskalation sind vorbei“, sagt er, „das war
       der Sound des 1. Mai.“
       
       2 May 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Innensenatorin Iris Spranger
   DIR Innensenatorin Iris Spranger
   DIR Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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