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       # taz.de -- Einstieg bei Nuklearfabrik im Emsland: Russen könnten „Fakten schaffen“
       
       > Der russische Staatskonzern Rosatom könnte in der Brennelementefabrik
       > Lingen bereits am Werk sein, sagen Atomkraftgegner – die Genehmigung
       > fehlt.
       
   IMG Bild: Ist Rosatom schon da? Einfahrt zur Brennelementefabrik in Lingen
       
       Berlin taz | Obwohl das Genehmigungsverfahren noch läuft, soll der
       umstrittene Ausbau der Brennelementefabrik im emsländischen Lingen nach
       Angaben von Atomkraftgegnern bereits begonnen haben. Darauf jedenfalls
       deuteten Beobachtungen vor Ort und Hinweise aus der örtlichen Bevölkerung
       hin, [1][erklärten mehrere Anti-Atom-Initiativen] am Donnerstag. Demnach
       könnten der Betreiber der Anlage und der dem Kreml unterstellte russische
       Staatskonzern Rosatom „bereits heimlich Fakten schaffen“.
       
       Die Fabrik gehört dem Unternehmen Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer
       Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome. Es hat beim Land
       Niedersachsen die Erweiterung der Produktion beantragt und [2][will künftig
       auch AKW russischer beziehungsweise sowjetischer Bauart beliefern]. In der
       EU laufen 19 solcher Reaktoren vom Typ WWER. Bereits vor mehreren Monaten
       hatte Framatome eine Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom
       mit Sitz in Lyon gegründet. Nach Angaben der Anti-Atom-Initiativen stehen
       seit dem 12. April auf dem Gelände der Brennelementefabrik drei rote
       Container, die allem Anschein nach mit dem russischen Frachter
       Baltiyskiy-202 über Rotterdam aus Russland angeliefert worden seien.
       
       Im Gegensatz zu den regelmäßigen Uranlieferungen aus Russland seien diese
       Behälter nicht mit Gefahrguttafeln gekennzeichnet und enthielten demnach
       kein radioaktives Material. Zu vermuten sei daher, dass in den Containern
       Anlagenteile, Maschinen oder Komponenten von Rosatom für die Erweiterung
       der Brennelementefabrik importiert wurden.
       
       ## Massive Sicherheitsbedenken gegenüber Rosatom
       
       Hinweisen aus der örtlichen Bevölkerung zufolge besuchten in jüngster Zeit
       regelmäßig russischsprechende und offenbar in einem Hotel in Lingen
       untergebrachte Personen die Brennelementefabrik. Dies deute darauf hin,
       dass ANF/Framatome unter Beteiligung von Rosatom-Mitarbeitern bereits mit
       vorbereitenden Arbeiten oder sogar mit dem Aufbau von Maschinen begonnen
       habe, ohne die atomrechtliche Genehmigung für die Erweiterung der
       Brennelemente-Produktion abzuwarten.„Wenn Framatome/ANF dem Kreml
       tatsächlich bereits Tür und Tor öffnet und Maschinen und Komponenten des
       russischen Staatskonzerns anliefern lässt, ist dies eine
       Ungeheuerlichkeit“, sagt Julian Bothe von der Anti-Atom-Organisation
       „.ausgestrahlt“.
       
       Nicht nur mehr als 11.000 Einwender, sondern auch Landes- und
       Bundesregierung hätten [3][massive Sicherheitsbedenken gegen den Einstieg
       von Rosatom in Lingen] vorgetragen, unter anderem wegen der Gefahr von
       Spionage und Sabotage. Die Atomaufsicht müsse den Hinweisen umgehend
       nachgehen. „Sie muss sicherstellen, dass keine dem Kreml direkt oder
       indirekt unterstellten Personen Zutritt zur Brennelementefabrik bekommen“,
       betonte Bothe. „Bereits angelieferte Maschinen und Komponenten müssen
       konfisziert werden. Das Genehmigungsverfahren darf nicht zur Farce
       verkommen.“
       
       Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEl ([4][Atomkraftgegner*innen
       im Emsland]) fordert, dass die Bevölkerung umgehend davon in Kenntnis
       gesetzt werden müsste, sollten russische Behörden beziehungsweise deren
       Mitarbeiter tatsächlich schon in Lingen tätig sein. Beschäftigte von
       Framatome/ANF, deren Familien und ihr soziales Umfeld könnten so in den
       Fokus des russischen Geheimdienstes geraten. Bei einer Gefährdung der
       öffentlichen Sicherheit müsse die Atomaufsicht dem Betreiber der Atomfabrik
       unverzüglich die Betriebserlaubnis entziehen.
       
       ## Entscheidung über Ausbau in den nächsten Wochen
       
       Framatome ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme zu den Vorwürfen der
       Aktivisten bis Donnerstagmittag unbeantwortet. Gegenüber dem ZDF-Magazin
       „frontal“ hatte das Unternehmen aber erklärt: „Während der Produktion von
       WWER-Brennelementen werden sich keine Russen am Standort Lingen aufhalten“.
       Wohl aber davor, wie Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne)
       bestätigte.
       
       Framatome habe erklärt, mit russischen Mitarbeitern die Produktion zu
       starten, „die sollen also die Geräte aufbauen in der Brennelementefabrik,
       sie sollen die anderen Mitarbeiter schulen“. Meyers Ministerium muss in den
       nächsten Wochen über die beantragte Ausbaugenehmigung entscheiden.
       
       2 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ausgestrahlt.de/presse/uebersicht/atomfabrik-lingen-ist-rosatom-bereits-am-werk/
   DIR [2] /Russische-Brennelemente-in-Deutschland/!5994355
   DIR [3] /Brennelementefabrik-in-Lingen/!5979543
   DIR [4] https://atomstadt-lingen.de/buendnis-agiel/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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