URI: 
       # taz.de -- Cannabis im Jahre 2058: Söder Haze oder Bavarian Amnesia
       
       > Entschleunigung ist Trumpf. Es musste deshalb eine
       > Mindestfahrgeschwindikeit von 40 km/h eingeführt werden. Und auch sonst
       > sind alle ganz entspannt.
       
   IMG Bild: Joint vor der Kulisse des Monopteros im Englischen Garten, MÜnchen
       
       Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon
       von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein
       Jahr voraus 
       
       Wir schreiben das Jahr 2058. Im April jährt sich die [1][Freigabe von
       Cannabis in Deutschland zum drölfzigsten Mal] oder so, keine Ahnung, ist
       das wichtig, dann kann ich das googeln, aber erst mal aufrauchen, bin eh
       schon fast an der Pappe, was war noch mal die Frage?
       
       Mit dem heutigen Wissen um die Auswirkungen der Legalisierung hätte man
       damals garantiert darauf verzichtet. Denn seither hat ein Schlendrian
       Einzug gehalten in unsere ordnungsliebende Fleißbienchenrepublik, in der
       bis dahin stets alles blendend funktioniert hatte: Die Eisenbahn fuhr
       pünktlich, die Behörden arbeiteten akkurat, die Menschen wirkten
       ausgeglichen. Es gab keinen Neid, keinen Hass und keine Rechthaberei.
       Deutschland eben.
       
       Schade. Diese verfluchte Kifferei aber auch. Jetzt fahren alle einfach
       irgendwohin, machen irgendwas oder auch nicht, regieren irgendwie,
       entscheiden irgendwas, wird man schon sehen hinterher, vielleicht, wozu die
       Eile, ist ja sowieso egal.
       
       Entschleunigung ist Trumpf. Auf den Autobahnen musste ein Tempolimit
       eingeführt werden – man sollte nicht unter 40 km/h fahren. Also echt nur,
       wenn’s geht. Auch die Züge sind nun wieder viel langsamer; in den ICEs
       wurde den zugedröhnten Passagieren von der Geschwindigkeit nämlich immer
       himmelangst. Deshalb zieht vorne gemächlich die „Dampflok“, in der sich
       Zugführer ihre 18,5 Wochenarbeitsstunden schönrauchen.
       
       Natürlich ist es nicht so, dass gar nicht mehr gearbeitet würde. Die
       Hanfindustrie boomt, Start-ups forschen an Mitteln gegen rote Augen, die
       Filmwirtschaft dreht eskapistische Scheiße, bei der man grundlos lachen
       kann. „Grüße aus Mäandertal“, nennt mein Futurologe Zbigniew das ziellose
       Schweifen der Gedanken, wenn wir stoned in seinem Zukunftslabor sitzen.
       
       Nach Jahrzehnten der Gewöhnung haben sich sogar die Bayern beruhigt, denn
       wo passt Gras besser hin als auf die Wiesn? Zum Reggaesound der
       Blaskapelle schleppen die Kellnerinnen im Sativaner-Festzelt bis zu
       tausend fette Joints mit Söder Haze oder Bavarian Amnesia, die zusammen an
       die 30 Kilo wiegen können.
       
       Die Gäste sitzen einträchtig grinsend an den Kifftischen. Schlägereien gibt
       es kaum noch, ein Anlass wäre beim Heben der Faust bereits wieder
       vergessen. Wenn der Fressflash einsetzt, hat der Kaiserschmarren das Hendl
       in der Beliebtheit verdrängt. Gegen den trockenen Mund kann man ein Bier
       bestellen, doch das wird vor allem wegen der Kinder nicht so gern gesehen.
       
       2 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Cannabis-Legalisierung/!5997434
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Zukunft
   DIR Kolumne Zukunft
   DIR Kolumne Zukunft
   DIR Demokratie
   DIR Cannabis
   DIR Cannabis
   DIR Kolumne Zukunft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Demokratie in der Zukunft: Rücktritt verboten
       
       Regierende sollten zurechnungsfähig sein und keine Verbrecher – würde man
       denken. In Zukunft regiert man aber nur noch aus dem Knast oder Koma.
       
   DIR Zeitreise ins Jahr 2060: Spiegelei auf dem Kopf
       
       Die schmutzigen Teller werden jetzt mit der Vorderseite nach außen in die
       Geschirrspülmaschine gestellt, Besteck einfach hineingeworfen.
       
   DIR Wertediktatur im Jahr 2059: Kiffen und nackt baden
       
       2059, die deutsche Wertediktatur hat über die Vernunft des Bösen gesiegt.
       Gleichberechtigung, Liberalität und Demokratie sind der Status Quo.
       
   DIR Harte Strafen für Cannabis-Verstöße: Keine liberale Großstadt
       
       Wie in Bayern: Hamburgs SPD will drastische Bußgelder gegen das Kiffen
       einführen. Es kommt nun auf die mitregierenden Grünen an, das zu
       verhindern.
       
   DIR Freistaat auf Verbotsdroge: Söder vs. Cannabis
       
       Bei seinem Kreuzzug gegen das Kiffen kennt Markus Söder keine Grenzen.
       Lässt sich Bayern diese Wiederkehr des preußischen Obrigkeitsstaats
       gefallen?
       
   DIR Zeitung im Jahr 2057: Dreckschleuder in die Vergangenheit
       
       In ferner Zukunft ist unser Autor im sechzigsten Jahr freier Mitarbeiter
       der taz. Seine Themen: Aliens, Luxusraumschiffe, sächsische Separatisten.