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       # taz.de -- Parlamentswahlen in Togo: Altes Regime sucht neue Legitimität
       
       > Am Montag wählt Togo ein neues Parlament. Eine Verfassungsreform macht
       > aus der Abstimmung einen Vorentscheid, ob der Präsident an der Macht
       > bleibt.
       
   IMG Bild: Togos Präsident Faure Gnassingbé, hier in Berlin beim „Compact with Africa“-Gipfel, November 2023
       
       Berlin taz | Es gibt nicht mehr viele Familienherrschaften in Afrika, aber
       die Herrscherfamilie in Togo sitzt fest im Sattel. Seit fast 60 Jahren
       regiert in der ehemaligen deutschen Kolonie in Westafrika dieselbe Familie:
       erst Militärdiktator Gnassingbé Eyadema, der sich 1967 an die Macht
       putschte, und [1][seit dessen Tod 2005] sein Sohn Faure Gnassingbé. Als
       dieser sich erstmals [2][bei Präsidentschaftswahlen] im Amt bestätigen
       ließ, gab es nach UN-Angaben bis zu 500 Tote.
       
       Der heute 57-Jährige absolviert aktuell seine vierte gewählte Amtszeit. Am
       Montag stehen Parlamentswahlen an, und sie sind unüblicherweise ein
       Schlüsselereignis.
       
       Grund ist eine neue Verfassung, die Togos Parlament am 19. April einstimmig
       beschloss, ohne öffentliche Erörterung. Sie sieht vor, dass der
       Staatspräsident zukünftig nicht mehr vom Volk gewählt wird, sondern vom
       Parlament, und zwar „ohne Debatte“. Er verliert zugleich die meisten
       Befugnisse zugunsten des Premierministers. Dieser Posten geht automatisch
       an den Anführer der Mehrheitsfraktion im Parlament.
       
       Togos Opposition wertet das als „Staatsstreich von oben“, der genauso zu
       verurteilen sei wie [3][die Militärputsche] in Burkina Faso, Guinea, Mali,
       Niger und Tschad. Dreizehn Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen aus
       Togo haben den Gerichtshof der Regionalorganisation [4][Ecowas
       (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft)] angerufen in der Hoffnung, dass
       die Ecowas – die auf andere Putsche mit Sanktionen reagiert hat – Togos
       neue Verfassung für null und nichtig erklärt.
       
       ## Häutung vom Staats- zum Regierungschef
       
       Denn mit der neuen Konstruktion könnte Faure Gnassingbé auch dann an der
       Macht bleiben, wenn er auf eine fünfte Amtszeit als Präsident ab 2025
       verzichtet. Er würde stattdessen in seiner derzeitigen und wohl auch
       zukünftigen Funktion als Vorsitzender der Regierungspartei Premierminister
       mit allen Vollmachten.
       
       Ob das so kommt, hängt nun also von den Parlamentswahlen ab. Entsprechend
       aufgeladen ist die Stimmung. Die letzte Parlamentswahl 2018 hatte ein
       Großteil der Opposition boykottiert. Diesmal aber hat sie zur
       Wählerregistrierung und Wahlbeteiligung aufgerufen. Die Zahl der
       registrierten Wählerinnen und Wähler in dem Land mit rund 9 Millionen
       Einwohnern ist von 3,1 Millionen im Jahr 2018 auf 4,2 Millionen heute
       gestiegen.
       
       Die Regierung hat zugleich die eigentlich 2023 fällige Wahl immer wieder
       verschoben – erst auf „das erste Vierteljahr 2024“, dann auf den 12. April,
       den 20. April und schließlich auf den 29. April. Oppositionsproteste werden
       regelmäßig verboten. Ein 2020 im Rahmen der Covid-19-Bekämpfung verhängtes
       komplettes Versammlungsverbot wird bis heute immer wieder angewandt und
       behindert auch den Wahlkampf insbesondere in der Hauptstadt Lomé, Hochburg
       der Opposition.
       
       Die Regierung hat außerdem unabhängige Wahlbeobachtung durch die
       katholische Kirche untersagt und sämtliche Akkreditierungen ausländischer
       Journalisten für die Wahl annulliert. Am 16. April wurde der drei Tage
       zuvor für die Wahl eingereiste französische Journalist Thomas Dietrich
       ausgewiesen; zuvor war er festgenommen, verprügelt, zu einer Geld- und
       einer Haftstrafe auf Bewährung mit gleichzeitigem Aufenthaltsverbot
       verurteilt worden.
       
       ## Deutschland setzt auf Togos Stabilität
       
       Togo gehört zusammen mit den Nachbarn Benin und Ghana sowie der
       Elfenbeinküste eigentlich zu der Gruppe westafrikanischer Küstenstaaten,
       auf deren Stabilität Europa setzt, um der Ausbreitung des dschihadistischen
       Terrors aus der Sahelzone Einhalt zu gebieten – im Norden Togos an der
       Grenze zu Burkina Faso herrscht bereits Ausnahmezustand, Terrorangriffe
       forderten dort 2023 rund 30 Tote.
       
       Deutschland kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Die Zeit, als [5][Bayerns
       CSU-Ministerpräsident Franz-Josef Strauß] kumpelhaft mit Togos Diktator
       Eyadema Freundschaft zelebrierte – etwa mit dem legendären Trinkspruch „Wir
       Schwarze müssen zusammenhalten“ bei der 100-Jahres-Feier der deutschen
       Besatzung Togos 1984 – ist zwar längst vorbei.
       
       Doch Deutschland ist nach eigenen Angaben noch heute Togos größter
       bilateraler Geldgeber. Im Juni 2023 besuchte Entwicklungsstaatssekretärin
       Bärbel Kofler das Land eine Woche lang und [6][erklärte]: „Togo braucht
       unsere Unterstützung.“
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!645625/
   DIR [2] /!607620
   DIR [3] /Zwischen-Mali-Burkina-Faso-und-Niger/!5958062
   DIR [4] /Wirtschaftsgemeinschaft-Ecowas/!5949067
   DIR [5] /!645626
   DIR [6] https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/parlamentarische-staatssekretaerin-kofler-besucht-togo-155244
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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