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       # taz.de -- Polizeiskandal in Schweden: Erfolgreich angezapft
       
       > Kriminelle greifen bei schwedischen Polizist:Innen gezielt
       > Informationen ab. Dabei hilft Tinder, entsprechende Kontakte anzubahnen.
       
   IMG Bild: 30 Polizisten haben ihre Jacke an den Nagel gehängt
       
       Stockholm taz | „Eine Gefahr für die Demokratie“ nennt es die
       polizeiinterne Ermittlungsbehörde, und der schwedische Justizminister
       Gunnar Strömmer (Die Moderaten) kündigte an, die Polizeiführung zum Rapport
       zu bitten: Mindestens 30 Polizistinnen und Polizisten wurden in Schweden
       seit 2018 entweder aus dem Dienst entlassen oder reichten selbst ihre
       Kündigung ein, nachdem sie geheime Informationen an Mitglieder schwerst
       krimineller Banden verraten haben sollen.
       
       Mehr als 500 Mal wurde in dieser Zeit Verdacht auf Geheimnisverrat
       gemeldet, wie die schwedische Zeitung Dagens Nyheter (DN) berichtet. Das
       reiche von Fällen, die nicht belegt werden konnten, bis hin zu solchen, in
       denen Urteile ergingen.
       
       Besonders perfide wirken Erkenntnisse darüber, wie Kriminelle zielgerichtet
       Liebesbeziehungen vortäuschten, um über verliebte Polizistinnen an geheime
       Informationen zu kommen – etwa Aufenthaltsorte ihrer kriminellen Konkurrenz
       oder geplante Razzien. Die Zeitung zitiert einen verurteilten Kriminellen,
       der es als sehr einfach beschrieb, Polizeischülerinnen kennenzulernen: Den
       Suchbereich seines Tinderprofils hatte er auf das direkte Umfeld einer
       Polizeihochschule eingestellt.
       
       Andere Methoden auf der Suche nach direkten Polizeikontakten seien das
       Ausnützen von Schwachstellen wie etwa Drogenkonsum, oder Druck auf
       Familienangehörige in der Polizei gewesen. Die Suche nach einem Maulwurf
       werde systematisch betrieben, mit einem umfangreichen Anwerbeprozess wie im
       Bereich der Spionage.
       
       ## Einsätze fingiert
       
       „Das ist sehr ernst und schadet der Arbeit der Polizei sowie dem Vertrauen
       nicht nur unter Kollegen, sondern auch in der Bevölkerung“, sagte Martin
       Valfridsson, Abteilungsleiter für Interne Ermittlungen, dem schwedischen
       Fernsehen SVT. Praktische Folgen für die Ermittlungsarbeit könnte etwa
       sein, dass Kriminelle erführen, dass sie polizeilich abgehört würden. „Dann
       bekommen wir nicht die Informationen, die wir brauchen“, sagt Valfridsson.
       
       Dagens Nyheter berichtet von zwei Fällen, in denen Menschen mit geschützter
       Identität direkt betroffen waren. Einer wurde an seinem eigentlich geheimen
       Aufenthaltsort zusammengeschlagen, ein anderer verschwand – kurz nachdem
       eine junge Polizistin größere Suchanfragen in Ermittlungsdatenbanken
       durchgeführt hatte, die alle mit ihrem kriminellen Freund zusammenhingen.
       Um an die Daten zu kommen, musste die Polizistin zuvor Einsätze fingieren –
       ohne konkreten Anlass nach Leuten zu suchen, sei nicht erlaubt.
       
       Die Sorge in der Bevölkerung angesichts der Gewalttaten und
       Skrupellosigkeit der organisierten Kriminalität ist ohnehin bereits groß.
       Nachrichten wie diese tragen nicht zur Verbesserung der Stimmung bei.
       „Demnächst haben wir hier Verhältnisse wie in Südeuropa“, zitiert das
       Schwedische Radio SR Louise Brown, Korruptionsexpertin einer privaten
       Beraterfirma. Und: Ja, sie meine die Mafia.
       
       29 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Diekhoff
       
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