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       # taz.de -- Album und Tour von The Bevis Frond: Psychedelik als Brotberuf
       
       > Die Gitarre singt nicht mehr ewig: Nick Saloman und sein britisches
       > Bandprojekt Bevis Frond kommen noch mal auf Tour.
       
   IMG Bild: Bisschen Rembrandt ist auch dabei: Nick Saloman, ganz rechts, im Kreise seiner Lieben
       
       Wo trifft Gitarrenhexer Jimi Hendrix auf [1][die New Yorker
       Noise-Rock-Ikonen Sonic Youth] und zudem auf Fairport Convention mit ihrem
       Folk-Rock britischer Prägung? Es braucht schon ein wenig Fantasie, um sich
       eine Schnittmenge vorzustellen.
       
       Doch man kann sich helfen lassen: von Nick Saloman alias The Bevis Frond –
       der diese Einflüsse (und etliche mehr: von Hawkwind über Cream bis
       [2][Spacemen 3]) immer wieder zu einem runden Ganzen amalgamiert. Und dabei
       nicht die Bohne epigonal klingt, sondern stets eigenwillig und zugleich
       vertraut.
       
       Dass aus Salomans Liebe zum psychedelischen Rock doch noch ein Brotberuf
       wurde, ist einem schönen Zufall zu verdanken. Dem allerdings ein schwerer
       Unfall vorausging, der fast das Ende seiner musikalischen Ambitionen
       bedeutete.
       
       ## Neuer Mensch dank Schmerzensgeld
       
       Nachdem er 1983 mit seinem Motorrad in eine unbeleuchtete Baugrube
       gerauscht war, konnte Saloman nicht mal mehr seine Gitarre halten. Erst als
       er endlich Schmerzensgeld erstritten hatte, ging das wieder. Er nutzte das
       Geld, sich einen Lebenstraum zu erfüllen: Sein Albumdebüt „Miasma“
       erschien 1987. Da war er bereits Mitte 30.
       
       Saloman hatte das Album im Alleingang zu Hause eingespielt. An Songs
       mangelte es nicht, die hatte er schließlich sein Leben lang komponiert.
       Seit Ende der 1960er Jahre spielte er zudem in Bands, wenn auch eher
       erfolglos.
       
       Seine erste, gegründet zu Schulzeiten, hieß ebenfalls The Bevis Frond –
       damals noch mit dem Zusatz „Museum“. Doch kein Label wollte den Londoner
       unter Vertrag nehmen – was im Kontext der pophistorisch so produktiven
       Siebzigerjahre seltsam anmutet. Irgendwie traf die zeitlose Musik dieses
       Querkopfs offenbar nie den Zeitgeist.
       
       ## In Margate von den Socken
       
       „Miasma“ verteilte Saloman seinerzeit im Freundeskreis, die restlichen 200
       Exemplare landeten auf dem Dachboden. Ein Kumpel spielte das Album einem
       Plattenhändler [3][im Küstenort Margate] vor. Der war so von den Socken,
       dass er den Bestand aufkaufte – und fortan die Werbetrommel rührte. Und
       Saloman wurde immer öfter gefragt, wann denn endlich ein Nachfolgealbum
       erscheine.
       
       Bald konnte er es sich leisten, mit Musikern ins Studio zu gehen. Der
       Lo-Fi-Appeal seiner Mischung aus Progrock, kreischenden Gitarren und
       herzerwärmenden Melodien blieb dennoch erhalten. Der Multiinstrumentalist
       mit dem waidwund-eleganten Timbre – bisweilen [4][erinnert seine Stimme an
       Elvis Costello] – brachte zwischen 1987 und 2004 jedes Jahr ein Album
       heraus, unter anderem den großen Wurf „New River Head“ (2003).
       
       Es hat etwas Tröstliches, wie Nick Saloman als The Bevis Frond beharrlich
       sein Ding macht, während in der hypehungrigen Heimatstadt so manche
       Gitarrenrock-Sau durchs Dorf getrieben wurde. Von London ließ er sich
       dennoch immer wieder anregen, etwa zum Doppelalbum „North Circular Road“ –
       inspiriert von der Umgehungsstraße, die seinen Nordlondoner Stadtteil
       Walthamstow streift.
       
       ## Hierzulande unterm Radar
       
       Seit 2011, nach mehrjähriger Pause, beglückt der mittlerweile 71-Jährige
       seine loyale Fanbasis immer wieder mit neuer Musik, wenn auch nicht so
       unermüdlich wie früher. Obwohl er es bisweilen krachen lässt, strahlt seine
       Musik stille Vergnügtheit aus. Auf der Insel hat er sich damit
       Legendenstatus erspielt, auf dem europäischen Festland segelt er immer noch
       unter dem Radar. Obwohl auf allen seiner 26 Alben Highlights zu finden
       sind. Den Großteil hat er auf seinem eigenen Label Woronzow veröffentlicht,
       erst seit 2018 ist er bei dem Indielabel Fire Records.
       
       „Es ist ganz einfach“, erzählte Saloman unlängst in einem Interview.
       [5][„Ich spiele jeden Tag Gitarre und denke mir dabei immer neue Melodien
       aus.] Wenn mir etwas Gutes einfällt, versuche ich, so dazu zu texten, dass
       die Worte zu den Hooks passen.“ Geschmack und Herangehensweise haben sich
       über die Jahrzehnte kaum verändert.
       
       Doch nun, mit über 70, würde es doch „idiotisch wirken, wenn ich so täte,
       als sei ich 33“. Das schlägt sich vor allem in den Songtexten nieder. Sein
       aktuelles Album „Focus on Nature“ hat den Klimawandel als lose Klammer. Auf
       dem Vorgänger „Little Eden“ arbeitete er sich am Brexit ab. Später dieses
       Jahr soll dann übrigens auch ein Dokumentarfilmporträt über The Bevis Frond
       erscheinen; es trägt ebenfalls den Titel „Little Eden“.
       
       In Rente will Nick Saloman noch nicht gehen. Aber eben nicht mehr auf
       ausgedehnte Konzertreisen ins Ausland. Weswegen die anstehende Tour durch
       Deutschland zumindest ein Abschied von hiesigen Bühnen ist.
       
       18 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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