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       # taz.de -- Erklärung ohne Schweden und Österreich: Bekenntnis zu sozialem Europa
       
       > Vor dem Gipfel zeigt sich die EU an überraschender Stelle gespalten: Zwei
       > Länder fehlen bei der Unterstützung für die soziale Säule.
       
   IMG Bild: EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit
       
       Brüssel taz | Es sollte ein Höhepunkt [1][des belgischen EU-Vorsitzes]
       werden: Bei einem Treffen in La Hulpe haben sich die EU-Institutionen zu
       einem sozialen Europa bekannt. Doch Schweden und Österreich verweigerten
       ihre Unterschrift – genau wie der Arbeitgeberverband Business Europe. Die
       Gewerkschaften hoffen dennoch auf soziale Fortschritte.
       
       Bisher steht das soziale Europa vor allem auf dem Papier. Unter
       Federführung des EU-Kommissars Nicolas Schmit hat Brüssel zwar einen Rahmen
       für Mindestlöhne verabschiedet und [2][ein Gesetz zum Schutz von
       Plattformarbeitern auf den Weg gebracht]. Doch die 2017 proklamierte
       [3][„europäische Säule sozialer Rechte“] ist unverbindlich und vage
       geblieben.
       
       Die Wirtschaftspolitik ruht auf dem Maastricht-Vertrag und dem Binnenmarkt.
       Zudem wird sie durch den [4][Ende 2023 reformierten Stabilitätspakt auf
       strikte Budgetdisziplin] verpflichtet. Durch die Coronakrise und die
       Inflation haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für viele Menschen
       in der EU zuletzt deutlich verschlechtert.
       
       Zwei Monate vor der Europawahl haben sich die EU-Kommission, das Parlament
       und der Rat nun zur „sozialen Säule“ bekannt und versprochen, sie in den
       kommenden Jahren auszubauen. So sollen soziale Investitionen gefördert
       werden. Außerdem will sich die EU für lebenslanges Lernen und die
       europaweite Anerkennung von Berufsabschlüssen einsetzen.
       
       ## Drohende Austeritätspolitik
       
       Außerdem sollen soziale Fragen künftig beim „Europäischen Semester“ stärker
       berücksichtigt werden, das die Finanzpolitik steuert und den EU-Ländern
       detaillierte Sparvorschriften macht. Die Gewerkschaften hoffen, dass auf
       diesem Wege [5][eine unsoziale Austeritätspolitik wie zu Zeiten der
       Eurokrise] vermieden werden kann.
       
       Die neuen EU-Schuldenregeln seien der „Elefant im Raum“, warnte der
       Europäische Gewerkschaftsbund EGB bei dem Treffen in La Hulpe. Seine
       Generalsekretärin Esther Lynch sagte:.„Wir sollten auf unser Sozialmodell
       stolz sein.“ Die Erfolge dürften nicht zurückgedreht werden.
       
       Doch genau das droht – zumindest in Schweden und in Österreich. Beide
       Länder haben die „Erklärung von La Hulpe“ nicht unterschrieben. Sie wollen
       die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den Vordergrund stellen. Dies
       bedeutet in der Praxis jedoch meist Lohnzurückhaltung und Sozialkürzungen.
       
       Rückenwind verspüren die beiden Neinsager beim EU-Gipfel, der am Donnerstag
       in Brüssel tagt. Denn auch dort soll es um die [6][Wettbewerbsfähigkeit und
       den Binnenmarkt] gehen. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank,
       Mario Draghi, fordert radikale Reformen, die auch das europäische
       Sozialmodell infrage stellen könnten.
       
       ## Klare Reaktion
       
       In La Hulpe hagelte es denn auch Kritik am Vorgehen der Schweden und der
       Österreicher. „Bisher hatte der Rat die Säule und das Aktionsprogramm immer
       geeint unterstützt, selbst das Vereinigte Königreich war in Göteborg
       dabei“, sagte die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff. Die beiden Neinsager
       hätten sich selbst isoliert.
       
       Etwas optimistischer klingt es bei der Linken, die begrüßten, dass die
       große Mehrheit die Erklärung verabschiedet hat. „Heute gab es endlich
       einmal einen kleinen sozialen Lichtblick“, sagte die Abgeordnete Özlem Alev
       Demirel. Nun müssten aber auch Taten folgen. Vor allem müsse genug [7][Geld
       für die soziale Infrastruktur] fließen – und die „irrsinnige
       Kürzungspolitik“ aufhören.
       
       17 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-zum-Gazakrieg/!5985055
   DIR [2] /EU-Gesetz-zur-Plattformarbeit/!5994862
   DIR [3] https://commission.europa.eu/system/files/2017-11/social-summit-european-pillar-social-rights-booklet_de.pdf
   DIR [4] /Neuer-Schuldenpakt-in-der-EU/!5979225
   DIR [5] /EU-Debatte-um-Haushaltsregeln/!5806122
   DIR [6] /Milliardensubventionen-aus-China/!6000652
   DIR [7] /Ministerpraesidenten-ueber-Migration/!5996770
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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