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       # taz.de -- Spätfolgen durch Polizeigewalt: Keine Unterstützung für Iris K.
       
       > Iris K. kämpft seit Jahren für die Anerkennung ihrer körperlichen
       > Beschwerden nach einem Polizeieinsatz. Nun wurde der Fall erneut vor
       > Gericht verhandelt.
       
   IMG Bild: Polizei und Gewalt: Täglich grüßt der Einzelfall
       
       Berlin taz | War ein Fall von Polizeigewalt vor 29 Jahren der Auslöser für
       den Bandscheibenvorfall von Iris K.? Das sollte am Freitag am
       Oberlandesgericht in Berlin ein orthopädisches Gutachten klären. Für Iris
       K. war es eine weitere Runde in dem seit 13 Jahren andauernden Prozess.
       „Zermürbend und absurd“, wie Iris K. findet.
       
       [1][Am 20. April 1995 nahm die damals 28-jährige Studentin an einem
       Gegenprotest] zu Neonazi-Aufzügen teil, die am Hitler-Geburtstag durch die
       Stadt zogen. Am Ende stürmten Polizist*innen die Demonstration und
       verletzten unter anderem Iris K. „Sie hielten mich in einem Würgegriff und
       schlugen auf mich ein“, erinnert sie sich. Ihre Halswirbelsäule sowie ihr
       Rippen- und Nierenbereich seien betroffen gewesen.
       
       Daraufhin zahlte ihr das Land drei Jahre nach dem Vorfall ein
       Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro.
       
       „Dazu kam, dass das Land mir zusicherte, für zukünftige immaterielle und
       materielle Schäden einzustehen, das war besonders wichtig“, erzählt sie.
       Denn 2009 verschlechterte sich ihr Zustand und sie konnte aufgrund von
       Schmerzen und eines Bandscheibenvorfalls ihren Beruf nicht mehr ausüben.
       
       ## Land Berlin sieht keinen Zusammenhang
       
       Sie war auf Grundsicherung angewiesen und forderte die vorher zugestandenen
       Zahlungen ein. Doch das Land Berlin wollte keinen Zusammenhang zwischen der
       Polizeigewalt und K.s körperlichen Beschwerden mehr sehen.
       
       Seit 2011 befinden sich Iris K. und das Land daher in einem Rechtsstreit,
       in dem sich Gutachten, ärztliche Befunde und Zeugenaussagen stapeln.
       Bisherige Vergleiche lehnte sie ab, ihr Ziel: 2.000 Euro pro Monat bis zu
       ihrem Rentenbeginn in mehr als zehn Jahren.
       
       In einer ersten Instanz legte Iris K. unter anderem eine orthopädische und
       radiologische Beurteilung vor. Der amtsärztliche Dienst und ein vom Gericht
       beauftragter Gutachter bestritten den Zusammenhang. Das Landgericht wies
       die Klage ab.
       
       ## Traumatische Bandscheibenvorfälle schwer nachzuweisen
       
       Doch Iris K. kämpft weiter, gemeinsam mit einer Handvoll Freund*innen, die
       sie am Freitagmorgen begleiteten. Ein weiteres vom Gericht in Auftrag
       gegebenes orthopädisches Gutachten sollte klären, ob der Würgegriff am 20.
       April 1995 die Ursache für ihren Bandscheibenvorfall ist.
       
       Das Problem: Sogenannte traumatische Bandscheibenvorfälle sind selten und
       schwer nachzuweisen. Iris K. und ihr Rechtsanwalt Helmuth Meyer-Dulheuer
       wollten nun mit einem 15-seitigen Fragenkatalog klären, wie es zu dieser
       Beurteilung kam. Denn das Gutachten sah keine Beweise für einen
       Zusammenhang.
       
       Sechseinhalb Stunden besprechen sie im Detail Befunde, medizinische Studien
       und Formulierungen des Gutachters. „Es ist eine sehr komplexe Akte“, gibt
       der Gutachter zu. Viele Dokumente zum Gesundheitszustand von Iris K. seien
       juristisch nicht haltbar.
       
       ## Wenig Hoffnung für Iris K.
       
       Schäden an der Wirbelsäule, die nach einem Schlagtrauma auf Röntgenbildern
       zu sehen sein sollten, seien nicht vorhanden. Die Schmerzen, die Iris K.
       seit dem Vorfall begleiten, möchte er ihr nicht absprechen, jedoch könne er
       nicht nachweisen, ob sie aus einem möglichen Schlagtrauma resultieren.
       
       Nach dem Termin ist Iris K. sichtlich aufgewühlt. Ihr Anwalt Meyer-Dulheuer
       hat wenig Hoffnung, den Fall zu gewinnen: „Wir haben Pech, das Gutachten
       ist klar gegen uns und ein weiteres wird es wohl nicht geben.“
       
       20 Apr 2024
       
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   DIR Johan Grimsehl
       
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