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       # taz.de -- Die Verständnisfrage: Habt ein bisschen Respekt!
       
       > Warum fragen Cis-Menschen ständig trans*Personen nach ihren
       > Genitalien?, fragt eine Leser*in. Die Vorsitzende des Vereins Trans-Ident
       > antwortet.
       
   IMG Bild: Nicht alle Menschen fühlen sich später dem Geschlecht zugehörig, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde
       
       Lillith, 23, FSJler*in im Krankenhaus in Leipzig, fragt: Liebe
       Cis-Menschen, warum fragt ihr trans*Personen nach ihren Genitalien?
       
       Sandra Höstermann-Schüttler, 49, Vorsitzende von Trans-Ident e. V.,
       antwortet:
       
       Bei Cis-Menschen wie mir stimmt das Geschlecht, das ihnen bei der Geburt
       zugewiesen wurde, mit der Geschlechtsidentität, also dem Geschlecht, dem
       sie sich zugehörig fühlen, überein. Bei [1][trans*Personen] ist dies
       nicht oder nur teilweise der Fall. Viele versuchen deshalb ihr äußeres
       Erscheinungsbild und oft auch ihren Körper dem empfundenen Geschlecht
       anzugleichen. [2][Transidente Menschen] werden oft von Cis-Menschen
       gefragt, welche Genitalien sie nun haben, selbst von Fremden. Ich war mit
       meiner Frau reisen, als sie noch am Anfang ihrer Transition war. Sie hatte
       also noch einen Ausweis mit einem männlichen Namen und entsprechendem Foto.
       Als meine Frau dem Grenzschutzbeamten erklärt hat, dass sie sich in der
       Transition befindet und noch keine neuen Ausweispapiere hat, fragte er
       tatsächlich: „Sind Sie schon operiert?“
       
       Für die allermeisten Menschen hängt das Geschlecht mit den körperlichen
       Geschlechtsmerkmalen zusammen. Dass Geschlechtsidentität und die soziale
       Rolle unabhängig vom biologischen Geschlecht ist, verstehen sie nicht.
       Cis-Menschen sind daher oft neugierig, welche Geschlechtsmerkmale
       transidente Menschen haben. Den Fragenden ist dabei meist nicht bewusst,
       dass sie intime Grenzen überschreiten. Menschen, die diese Frage stellen,
       sollten sich bewusst werden, dass sie damit ein sehr sensibles Thema
       ansprechen.
       
       Viele transidente Menschen leiden unter Geschlechtsdysphorie, also
       darunter, dass ihr biologisches Geschlecht nicht ihre Geschlechtsidentität
       widerspiegelt. Die Transition, die soziale und oft auch körperliche
       Geschlechtsangleichung, ist ein schwieriger Prozess. Er beinhaltet oftmals
       viel Leid, schwere Entscheidungen, anstrengende Operationen und
       Hormontherapien sowie die Anpassung an eine neue soziale Rolle. Manche
       transidente Menschen können sich auch aus medizinischen Gründen nicht
       operieren lassen, obwohl sie es gerne würden. Wer sie nach ihren Genitalien
       fragt, reißt damit immer wieder Wunden auf.
       
       Da die Transition so anstrengend ist, brauchen transidente Menschen
       eigentlich besonders viel Rücksichtnahme. Stattdessen erfahren sie
       grenzüberschreitendes Verhalten. Transidente Menschen wollen auch nur Ruhe
       und akzeptiert werden für das, was sie sind. Sie schränken niemanden ein,
       also spricht nichts dagegen, sie einfach in Ruhe zu lassen. In den
       vergangenen Jahren sind transidente Menschen wenigstens in der Gesellschaft
       sichtbarer geworden. Aber [3][ein entspannterer Umgang] mit dem Thema
       Geschlecht würde allen guttun, damit Menschen nicht mehr auf ihre
       Körperlichkeit reduziert werden und gar kein Bedürfnis mehr besteht, andere
       zu fragen, welche Genitalien sie haben.
       
       Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum um
       alles in der Welt sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn
       Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre
       Frage an verstaendnis@taz.de.
       
       3 May 2024
       
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