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       # taz.de -- BLO-Ateliers in Lichtenberg vor dem Aus: Kreative auf dem Abstellgleis
       
       > Die Deutsche Bahn will den Ende Juli auslaufenden Mietvertrag mit den
       > BLO-Ateliers nicht verlängern. Das sorgt für Protest von vielen Seiten.
       
   IMG Bild: Heile Welt im BLO: Tag der offenen Tür in den Ateliers in Lichtenberg im Sommer 2017
       
       Berlin taz | Die Aufregung ist groß, das zieht flanierende
       Besucher:innen an, die sich „nur mal umgucken wollen“, wie eine Frau im
       Vorbeigehen sagt, „weil ich [1][das BLO] gar nicht kannte.“ Da hat sie was
       verpasst: Das einstige Bahnbetriebswerk Berlin-Lichtenberg Ost (kurz BLO)
       ist ein Kunst- und Kreativstandort – und als solcher akut in Gefahr.
       
       Das umzäunte Karree am S-Bahnhof Nöldnerplatz ist (noch) frei zugänglich.
       Die großen Kastanien am Eingang stehen in voller Blüte, weiter hinten auf
       dem über 12.000 Quadratmeter große Gelände ließe sich schon Mangold ernten.
       Überall sind Arbeitsmaterialien, Werkzeuge und immer wieder Kunstwerke zu
       sehen. Ein Engel aus Marmor steht wie ein Hoffnungszeichen neben einem
       Kirschbaum. Etwas weiter hinten liegen zwei Helme mit riesigen Hörnern auf
       einem Metallgestell – das BLO ist wehrhaft, wäre eine
       Interpretationsmöglichkeit.
       
       An der roten Eingangstür zur Kantine, hier finden eigentlich Konzerte und
       Partys statt, hat jemand Ausdrucke aufgehängt, die auf Englisch und Deutsch
       verkünden: „Die heutige Veranstaltung ist leider abgesagt.“ Auch alle
       anderen Türen und Fenster der Gebäude sind verschlossen. Es liegt Wehmut in
       der Luft.
       
       [2][Rund 90 Künstler:innen und Handwerker:innen] sind betroffen: Sie
       haben seit 20 Jahren in dieser grünen Oase in ihren Ateliers und
       Werkstätten gearbeitet, haben hier Bogen und Bumerangs und Fahrräder
       gebaut, Workshops abgehalten, Filmabende und Ausstellungen organisiert, an
       Grafiken, Bildern, Skulpturen aus Holz und Metall, an Musik oder auch
       Filmeffekten gearbeitet.
       
       ## Ende Juli soll Schluss sein
       
       Damit soll Ende Juli Schluss sein, der Mietvertrag läuft aus. Aber schon
       jetzt ist eine Nutzung de facto „nicht mehr möglich“, sagt Peter Tietz vom
       Trägerverein Lockkunst der taz am Montag. Ende April „ist uns das Betreten
       unserer Arbeitsräume per Nutzungsuntersagung der Vermieterin, der Deutschen
       Bahn, verboten worden“ – angeblich wären die Mängel an der Elektrotechnik
       zu gravierend.
       
       Doch das baurechtliche Sachverständigengutachten wurde dem Verein bislang
       nicht vorgelegt. „Die Nutzungsuntersagung hat uns den Boden unter den Füßen
       weggerissen“, sagt Tietz. Deshalb gab es am Freitag eine Pressekonferenz,
       die für Aufsehen sorgte.
       
       Am selben Tag traf eine sogenannte „handlungsleitende Sprachregelung“ der
       Deutschen Bahn beim Mieter, dem Lockkunst e.V., ein; sie liegt der taz vor.
       Darin ist unter anderem vom Interimscharakter des vor 20 Jahren
       geschlossenen Mietvertrages und der Notwendigkeit die Rede, einzelne Räume
       „wegen Baufälligkeit zeitweise von der weiteren Nutzung auszuschließen“ –
       und das wiederholt – aber auch, dass „das finale Gutachten für alle
       Mietobjekte auch der DB noch nicht vorliegt“.
       
       Mittelfristig könne das Gelände wieder für den Eisenbahnbetrieb genutzt
       werden, heißt es weiter: „Mit zusätzlichem Verkehr auf der Schiene wächst
       auch der Bedarf an zusätzlichen Abstellflächen für Züge. Vor allem im
       innerstädtischen Bereich sind diese Eisenbahnflächen daher ein hohes Gut.
       Parallel wird geprüft, ob die DB der Künstlergemeinschaft eine Ersatzfläche
       zur Verfügung stellen kann.“ Abstellflächen für Züge? Man stelle sich vor:
       ein 200 Meter langer ICE auf dem BLO-Gelände – dafür ist das Gelände
       offensichtlich gar nicht groß genug.
       
       ## Im Kiez, im Bezirk verankert
       
       „Von Ersatzflächen war schon ab und an die Rede“, sagt Peter Tietz. „Aber
       das ist nicht das, was wir wollen. Dieses Projekt ist in Lichtenberg
       verankert und ist wichtig für die Stadt und natürlich die Betroffenen. Die
       Gemeinschaft zwischen den Künstlern und Kleingewerbetreibenden, die
       Verankerung im Kiez, im Bezirk, in der Stadt – das macht das BLO aus.
       Dieses Projekt stirbt, wenn für einzelne Künstler neue Räume gefunden
       werden.“
       
       Wie kann es weitergehen? „Uns geht es darum“, sagt Tietz, „die Bahn wieder
       an den Verhandlungstisch zu bekommen.“ Schon seit Wochen sei der
       Trägerverein im Gespräch mit Bundes- und Landespolitiker:innen. „Da gibt es
       einen echten Konsens für den Erhalt“ und auch dafür, dass das Land der
       Deutschen Bahn eine Ersatzfläche am [3][Heizkraftwerk Klingenberg in
       Rummelsburg – mit Schienenanschluss -], das ja gerade in Landesbesitz
       übergegangen ist, zur Verfügung stellen könnte. „Mit dem Ziel, dass das BLO
       hier in Lichtenberg erhalten bleibt.“ Die Bahn wolle das aber nicht.
       „Dagegen kämpfen wir“, sagt Tietz.
       
       Das unterstützt neben der Linken-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch auch
       Landespolitiker Christian Goiny: „Hier passiert die nächsten 20 Jahre gar
       nichts, wenn die Ateliers verschwunden sind“, sagt der Sprecher für
       Clubkultur und Haushalt der CDU-Abgeordnetenhausfraktion der taz.
       
       Die Macher:innen des BLO sind also bestens vernetzt. Das findet auch
       Julia Brodauf, eine der beiden Berliner Atelierbeauftragten. „Wir haben am
       Montag über das BLO beraten, um das Projekt bestmöglich zu unterstützen.
       Wir setzen uns für eine zumindest kurzfristige Lösung ein,“ sagt Brodauf.
       Schließlich handele es sich um Arbeitsplätze von Künstler:innen und
       anderen Kreativen – das Aus fürs BLO wäre „fatal für ihre Berufstätigkeit“.
       
       ## Das Prinzip Hoffnung
       
       Die Bahn wird deshalb auch bald Post von den Atelierbeauftragten bekommen,
       einen Appell für den Erhalt. Außerdem, sagt Julia Brodauf, ist das BLO
       Thema in der nächsten Sitzung des Kulturausschusses am kommenden Montag.
       Das dürfte spannend werden.
       
       Denn auch Kultursenator Joe Chialo (CDU) hat sich in den Konflikt
       eingeschaltet. Fast ein Jahr lang hätten [4][der Trägerverein Lockkunst]
       und die Bahn intensiv verhandelt, „mit Unterstützung und Beteiligung“ des
       Landes Berlin, heißt es aus Chialos Verwaltung. Auch deshalb sei man von
       den aktuellen Entwicklungen „überrascht und schockiert“.
       
       Der Senat werde sich nun zeitnah mit Bitte um Unterstützung direkt an die
       Bundesregierung wenden. Mal sehen, was Verkehrsminister Volker Wissing
       (FDP) dazu sagt. Es bleibt am Ende das Prinzip Hoffnung.
       
       6 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.blo-ateliers.de/ueber-about/
   DIR [2] https://www.blo-ateliers.de/kuenstlerinnen/
   DIR [3] /Heizkraftwerk-in-Berlin-lahmgelegt/!5824950
   DIR [4] /BLO-Ateliers-in-Berlin-Lichtenberg/!6008403
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
       ## TAGS
       
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