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       # taz.de -- Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen: Ärzt*innen diskutieren § 218
       
       > Auf dem Ärztetag gibt es mehrere Anträge zum Thema Abtreibungen. Die
       > einen wollen am Verbot festhalten, die anderen fordern eine rasche
       > Legalisierung.
       
   IMG Bild: Deutscher Ärztetag in Mainz: Zum Auftakt sprach am Dienstag Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
       
       Berlin taz | Die aktuelle Debatte um eine mögliche Legalisierung von
       Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigt auch die deutsche Ärzt*innenschaft.
       Bis Freitag noch tagt in Mainz der 128. Deutsche Ärztetag. Und gleich
       mehrere Anträge befassen sich mit den [1][jüngsten Empfehlungen einer
       Regierungskommission], Abbrüche mindestens in den ersten drei Monaten der
       Schwangerschaft nicht mehr zu kriminalisieren.
       
       Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. So fordert ein Abgeordneter der
       Ärztekammer Niedersachsen, der Vorstand der Bundesärztekammer möge „mit
       allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vehement gegen eine Veränderung
       des § 218 Strafgesetzbuch (StGB)“ vorgehen. Eine „Abstufung des
       Lebensrechtes ungeborenen Lebens“ sei „unzulässig und sollte von der
       Ärzteschaft eindeutig abgelehnt werden“, [2][heißt es in dem Antrag].
       
       Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch regelt derzeit, dass ein
       Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grundsätzlich verboten, unter
       bestimmten Bedingungen aber straffrei ist. Nämlich dann, wenn er in den
       ersten 12 Wochen nach Befruchtung vorgenommen wird, die Schwangere zuvor
       eine staatlich anerkannte Beratungsstelle besucht hat und danach eine
       Wartefrist von drei Tagen verstreichen lässt.
       
       Ein [3][weiterer Antrag von 15 Abgeordneten], drei davon aus dem Vorstand
       der Bundesärztekammer, fordert etwas weicher, diese „im Rahmen der
       Beratungsregelung geltende Fristenlösung“ beizubehalten – aber auch jene
       Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, „wirksam vor Drangsalierungen,
       Bedrohungen und Angriffen“ zu schützen.
       
       ## „Kriminalisierung beenden“
       
       Die Antragsteller*innen fordern von den politisch Verantwortlichen,
       die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche „mit Augenmaß zu führen und die
       Ärzteschaft eng in die Diskussion einzubeziehen“. Ausgangspunkt aller
       Reformüberlegungen müsse sein, „sowohl das Recht der Frauen auf
       reproduktive Selbstbestimmung als auch das Recht des Ungeborenen auf Leben
       zu beachten.“
       
       Demgegenüber [4][fordert ein Antrag von 29 Abgeordneten] die
       Bundesregierung auf, die Empfehlungen der Regierungskommission „noch in
       dieser Legislaturperiode umzusetzen, um die Kriminalisierung von
       Betroffenen und durchführenden Ärztinnen und Ärzten zu beenden“.
       
       In einigen Regionen Deutschlands [5][gebe es erhebliche
       Versorgungsprobleme], heißt es in dem Antrag. „Die bestehende
       Kriminalisierung führt zu Verunsicherung von Ärztinnen und Ärzten sowie zu
       Weiterbildungslücken.“ Durch eine Entkriminalisierung von Abbrüchen in den
       ersten 12 Wochen der Schwangerschaft sollten „die Bedingungen für die
       Durchführenden und die Versorgungssituation der Betroffenen verbessert
       werden“.
       
       „Wir haben jetzt ein Zeitfenster, um aus der Ärzt*innenschaft heraus ein
       Zeichen zu setzen und zu sagen: Die Kriminalisierung von
       Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Stefanie Minkley,
       Abgeordnete der Landesärztekammer Hessen und Initiatorin des Antrags. „Ich
       hoffe, dass der Deutsche Ärztetag einen zeitgemäßen Beschluss fasst, um die
       Rechte der Frauen und der durchführenden Ärzt*innen zu schützen.“
       
       ## Frauenrechte in Zeiten des Rechtsrucks
       
       Für eine Entkriminalisierung im ersten Schwangerschaftsdrittel gebe es
       „einen [6][großen gesellschaftlichen Konsens], auch unter Mediziner*innen“,
       so Minkley, die auch Mitglied im Vorstand der hessischen SPD ist. Trotzdem
       scheuten viele die Debatte – auch aus Sorge, dass ein entsprechender Antrag
       abgelehnt werde. „Diese Gefahr besteht natürlich. Der Deutsche Ärztetag ist
       in seiner Zusammensetzung männlicher und älter als die Ärzt*innenschaft
       in Deutschland“, sagt Minkley.
       
       Dennoch sei jetzt die Zeit, einen solchen Antrag zu stellen, und die
       Debatte [7][nicht aufs kommende Jahr zu vertagen], wie es ein weiterer
       Antrag fordert. „Die Gelegenheit für Veränderung ist jetzt. In der nächsten
       Legislatur haben wir vielleicht andere politische Mehrheiten“, sagt
       Minkley.
       
       „Der deutsche Ärztetag hat gerade erst eine [8][Resolution gegen rechts und
       für Demokratie verabschiedet]. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks gehört dazu
       auch, die Rechte von Frauen zu stärken“, so Minkley. Ob die verschiedenen
       Anträge am Freitag tatsächlich auf dem Ärztetag aufgerufen werden, ist
       aufgrund des straffen Zeitplans und der Fülle von Anträgen noch nicht
       sicher.
       
       9 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwangerschaftsabbrueche-in-Deutschland/!6000620
   DIR [2] https://128daet.baek.de/data/media/BIc110.pdf
   DIR [3] https://128daet.baek.de/data/media/BIc129.pdf
   DIR [4] https://128daet.baek.de/data/media/BIc127.pdf
   DIR [5] /Daphne-Hahn-zum-Stigma-der-Abtreibung/!6000665
   DIR [6] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
   DIR [7] /Abtreibungen-in-Deutschland/!6001744
   DIR [8] https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Aerztetag/128.DAET/Resolution_des_128.DAET.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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