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       # taz.de -- Buddhistische Pagode in Berlin: „Tatort“ mit einem Happy End
       
       > Jahrelang wollte das Lichtenberger Bauamt die vietnamesisch-buddhistische
       > Pho-Da-Pagode abreißen. Der Standort ist nun gesichert.
       
   IMG Bild: Es brauche mehr Kenntnis der vietnamesischen Kultur im Bezirksamt
       
       Berlin taz | Der Standort der seit 2019 vom Abriss bedrohten
       vietnamesisch-buddhistischen Pho-Da-Pagode in Lichtenberg ist gesichert.
       Das verkündeten Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) und
       der Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) letzte Woche am Rande einer Vorführung des
       „Tatorts: Am Tag der wandernden Seelen“ in einem Marzahner Kino.
       
       Der Film, der teilweise in der Pagode spielt und Einblicke in das
       vietnamesische Leben in Berlin gibt, wurde mit vietnamesischen Untertiteln
       gezeigt, damit auch diejenigen Gemeindemitglieder, die schlecht Deutsch
       sprechen, die Handlung verfolgen konnten. Viele von ihnen hatten als
       Kleindarsteller mitgewirkt. Regisseurin Mira Thiel zeigte große Dankbarkeit
       über die große Gastfreundschaft und Kooperation der Gemeinde. Das
       Dong-Xuan-Center hingegen hätte keine Drehgenehmigung erteilt, sodass die
       Szenen, die im Asiamarkt spielten, in Leipzig gedreht werden mussten.
       
       Mit der Standortsicherung endet eine [1][jahrelange Phase des gegenseitigen
       Missverständnisses zwischen der Pagodengemeinde und dem Lichtenberger
       Bauamt]. Die Pagode zog 2006 in das Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes.
       Zehn Jahre später waren die Miniräume für die auf 200 Mitglieder
       angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Die Gemeinde stellte Bauantrag für
       einen Erweiterungsbau. Der wurde abgelehnt, weil das Bauamt angeblich erst
       da von der Existenz der Pagode erfuhr, die nach behördlicher Sicht in einem
       Gewerbegebiet nichts zu suchen hatte. Denn anders als christliche und
       jüdische Einrichtungen gelten buddhistische im Baurecht nicht als religiöse
       Einrichtungen und genießen darum kein Religionsprivileg.
       
       [2][Mehrfach verfügte das Bauamt den Abriss der gesamten Pagode, weil die
       nicht in ein Gewerbegebiet gehöre]. Mehrfach erfuhren die jeweiligen
       Baustadträte erst durch Presseanfragen von den Abrissverfügungen. Sie
       versuchten zu vermitteln, baten die Gemeinde, ihren Bauantrag erneut
       einzureichen, erreichten beim Senat schließlich, die Minifläche der Pagode
       aus dem Gewerbegebiet auszugliedern. Es gab im Bezirksamt Lichtenberg einen
       überparteilichen Konsens, das Gotteshaus mit den rund 200 Ahnenaltären für
       die verstorbenen Familienangehörigen der Vietnamesen zu erhalten. Doch kaum
       war ein neuer Baustadtrat oder eine neue Baustadträtin im Amt, lehnten die
       Bürokraten den Bauantrag erneut ab und verfügten den Abriss der Pagode.
       
       ## Schließung konnte vermieden werden
       
       „Für uns wäre die Schließung dramatisch gewesen“, sagt Thao Ho, eine junge
       Vietnamesin, die in dritter Generation in Berlin lebt. 2019 war ihre Oma
       verstorben. Deren Ahnenaltar stehe in der Pagode. Dort soll ihre Seele zur
       Ruhe kommen. Mit einem Abriss des Gotteshauses wären dem Glauben gemäß die
       Seelen der Toten im Jenseits ruhelos umhergeirrt.
       
       Max Müller von der Freien Universität, der die Gemeinde im Rahmen seines
       Forschungsprojekts begleitet und auch praktisch unterstützt, hätte sich
       gewünscht, dass es dazu nicht erst Hilfe durch Presse, Universität und des
       „Tatorts“ bedurft hätte. Dazu wäre mehr Kenntnis der vietnamesischen Kultur
       im Bezirksamt nötig gewesen, was sogar Bürgermeister Martin Schaefer
       einräumt. „Im Tatort bescheinigt die vietnamesischstämmige Kriminalistin
       ihrem Kollegen interkulturelle Defizite mit den drastischen Worten, der
       habe keine Ahnung von Vietnam. Aber nicht nur die Polizei, auch unser
       Bezirk muss mehr kulturelle Kompetenzen erwerben.“
       
       Der jahrelange Baustadtrat Hönicke fordert eine Neufassung des Baurechts
       auf Bundesebene. „Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass nur christliche und
       jüdische Einrichtungen im Baurecht als religiöse Einrichtungen Privilegien
       genießen. Die Religionsfreiheit muss auch für Buddhisten und Moslems
       gelten.“ Dass deren [3][religiöse Gebäude oft an unscheinbare Ecken in
       Städten verdrängt werden], sei kein Zufall, sondern Resultat eines
       unzeitgemäßen Baurechts.
       
       Mit 8,5 Millionen Zuschauern bei der Direktausstrahlung hat der Krimi „Am
       Tag der wandernden Seelen“ die größte Zuschauerbeteiligung aller Zeiten
       eines Berliner Tatorts. Sowohl die vietnamesische Community als auch der
       Bezirk fühlen sich darin gut dargestellt. Und dank der Standortsicherung
       und der Mietzahlungen der ARD können für die Gemeinde bald die nächsten
       Bauarbeiten beginnen, denn eine Außenwand muss saniert werden.
       
       Der „Tatort“ ist in der ARD-Mediathek mit vietnamesischen Untertiteln
       abrufbar.
       
       12 May 2024
       
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   DIR Marina Mai
       
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