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       # taz.de -- Überschwemmungen in Afghanistan: Schlammfluten verwüsten das Land
       
       > Bei Überschwemmungen in vielen Provinzen Afghanistans kommen über 300
       > Menschen ums Leben. Nach starken Regenfällen sind auch viele Ernten
       > bedroht.
       
   IMG Bild: Durch die Wassermassen zerstörte Häuser in der afghanischen Provinz Baghlan
       
       Berlin taz | Über 300 Tote sind das Resultat neuer schwerer
       Überschwemmungen, die nach Starkregen am Freitag Teile von mindestens elf
       Provinzen Afghanistans verwüsteten. Laut der dort aktiven internationalen
       Hilfsorganisation [1][Save the Children] sind insgesamt 600.000 Menschen
       betroffen, davon 310.000 Kinder.
       
       Im Landesnorden, aber auch im Westen und Süden traten Flüsse über ihre
       Ufer. Schlammige Fluten schwemmten Menschen regelrecht aus ihren Häusern.
       Sie brachten Behausungen zum Einsturz und spülten Vieh, Ackerland und die
       Frucht darauf, Obstgärten, Autos, Straßen und Begrenzungsmauern von
       Bewässerungskanälen davon. Viele Dörfer sind von der Außenwelt
       abgeschnitten. Die Hauptverbindungsstraße zwischen der Hauptstadt Kabul und
       Nordafghanistan ist unterbrochen.
       
       Muhammad Omar, ein Bauer aus der Südprovinz Nimrus, sagte der unabhängigen
       afghanischen Nachrichtenplattform Tolonews: „Unsere Häuser wurden in der
       Flut zerstört, und wir sind obdachlos.“ Abdul Mahbub aus Badachschan
       erklärte: „Wir konnten nur unsere Kinder retten, sonst haben wir nichts
       mehr.“ Videos aus dem Land zeigen schlammüberkrustete, traumatisierte
       Kinder, die Helfer aus den Fluten ziehen konnten.
       
       Das UN-Welternährungsprogramm sprach am Samstag von 311 Toten und fast
       5.000 zerstörten oder stark beschädigten Häusern allein in der am stärksten
       betroffenen Nordprovinz Baghlan. Das Taliban-Flüchtlingsministerium nannte
       am Sonntag Zahlen von 315 Toten und über 1.600 Verletzten. Es gebe viele
       Vermisste, die Opferzahl dürfte weiter steigen. Unter den Opfern sind vor
       allem Frauen und kleine Kinder. Frauen dürfen aufgrund von
       [2][Taliban-Restriktionen] und konservativer sozialer Normen selten außer
       Haus arbeiten.
       
       ## Das Versprechen und der Fluch des Regens
       
       Dabei fing das Jahr im dürregeplagten Afghanistan gut an. Nach drei Jahren
       Trockenheit gab es lange ersehnten Regen, in einigen Regionen mehr als ein
       Viertel über dem Durchschnitt. Das verbesserte die Anbaubedingungen für
       Weizen, Grundlage für das Hauptnahrungsmittel, das Fladenbrot Naan. Ein
       Bauer aus Surmat im Südosten sagte vorige Woche der taz: „Die Leute säen
       Weizen, manche pflanzen Bäume. Alle sind beschäftigt und glücklich. Ich
       habe vor ein paar Tagen Gerste gesät. Die Erde ist weich und feucht, und
       die Gerste sollte gut wachsen.“
       
       Ein Nachbar hingegen, Sultan Schah, war besorgt. „Ich habe solchen Regen
       seit 30 Jahren nicht gesehen.“ Seit Mitte April habe es ununterbrochen
       geregnet, dann zwar aufgehört. Aber: „Immer wenn jetzt eine Wolke über die
       Berge kommt, werden die Leute unruhig, denn es wäre ein Desaster, wenn mehr
       Regen fällt.“ Genau das trat jetzt ein.
       
       Wie effektiv jetzt die Hilfsmaßnahmen des Taliban-Regimes sind, ist schwer
       zu bewerten. Sein Kabinett hielt erst am Sonntag, nach zwei Tagen, eine
       Krisensitzung ab. Die Armee hatte bereits zuvor Hubschrauber geschickt, um
       Verletzte und von den Fluten Eingeschlossene zu evakuieren, bestätigte die
       UNO. Insgesamt aber gibt es weniger Hilfsakteure, seit die westlichen
       Regierungen wegen der Taliban-Unterdrückungspolitik die
       Entwicklungszusammenarbeit einstellten.
       
       Die UNO ordnet Afghanistan unter den [3][am stärksten von Klimarisiken
       bedrohten] und am wenigsten darauf vorbereiteten Ländern ein. Die
       Jahrestemperatur stieg bereits mehr als der globale Durchschnitt, und der
       Trend hält an. Für die nächsten Tage ist für Afghanistan mehr Regen
       prognostiziert. Mitarbeit: Sayed Asadullah Sadat, Kabul
       
       12 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://afghanistan.savethechildren.net/
   DIR [2] /Afghanistan-unter-den-Taliban/!5981040
   DIR [3] /Extremwetter-in-Afghanistan/!5951347
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
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