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       # taz.de -- ADFC-Projektleiterin über Schulstraßen: „Ein Raum primär für Kinder“
       
       > Mehr als nur ein Mittel gegen Elterntaxis: Der ADFC will mit Schulstraßen
       > Kindern selbstständige Mobilität ermöglichen – und neue Räume eröffnen.
       
   IMG Bild: Wichtiger Baustein der Verkehrswende: radelnde Kinder
       
       taz: Ist die Schulstraße die Antwort auf die ewigen Elterntaxen vor den
       Schulen, Frau Lepik? 
       
       Katharina Lepik: Ganz klar ja. Gerade in Hamburg haben wir immer mehr
       Schüler:innen, wir haben aber auch ein sehr hohes Verkehrsaufkommen mit
       immer mehr Fahrzeugen und vor den Schulen ist dann dieses Nadelöhr, wo sich
       alles staut und wo es für Kinder zu sehr unübersichtlichen Situationen
       kommt. [1][Die Schulstraße ist die ideale Lösung], weil wir das Ganze aus
       der Straße rausnehmen und es ist eine nachhaltige Lösung.
       
       Warum? 
       
       Es wird ja schon versucht, die Eltern zu erziehen, die werden ja bereits
       schon angesprochen von Schulen und Polizei, oder den Kindern zu sagen, wie
       sie sich am besten durchschlängeln. Ich finde, es ist die optimale Lösung,
       die Straße dauerhaft für den Durchgangsverkehr zu sperren. Denn bislang
       wurde das [2][Problem trotz vielfältiger Aktionen durch Polizei, Schulen
       und Behörden nicht gelöst].
       
       Das klingt so einleuchtend, dass man sich fragt: warum gibt es nicht längst
       Dutzende von Schulstraßen in der Stadt? 
       
       Das hat zum einen mal rechtliche Gründe. Die Schulstraße als verkehrliche
       Einrichtung kommt nicht in unserer Straßenverkehrsordnung vor. Das
       [3][Kidical-Mass-Bündnis aus Köln] hat aktiv verbreitet, dass es diese
       Möglichkeit gibt, und hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, inwiefern
       Schulstraßen schon möglich sind. Bisher kennen wir die eher aus dem
       europäischen Ausland. Und dann ist natürlich auch die Frage: was ist, wenn
       eine Klage kommt?
       
       Eine Mehrheit würde doch profitieren. 
       
       Ich glaube, ein anderer Grund ist auch das Selbstverständnis in
       Deutschland, dass man dem Autoverkehr bisher absolute Priorität gibt und
       dementsprechend in den letzten Jahrzehnten Kinder systematisch aus dem
       öffentlichen Raum verdrängt hat. Jetzt zu sagen: wir wollen einen Raum
       schaffen, der primär für Kinder, aber auch für alle anderen, die zu Fuß und
       mit dem Rad unterwegs sind, attraktiv ist – das ist leider immer noch
       schwierig mit diesem Selbstverständnis. Eine Schulstraße bedeutet, dass ich
       den Kindern die Priorität gebe an diesem Ort.
       
       Nun setzt sich ein Bündnis mit Beteiligung des ADFC für Schulstraßen in
       Hamburg ein. Wie ist bislang die Resonanz? 
       
       Die Aktionen, die wir in Hamburg gestartet haben, waren im Rahmen der
       Schulstraßen-Aktionswoche, die von dem Bündnis Kidical Mass aus Köln
       initiiert wurde, das sich für Rechte für Kinder im Verkehr einsetzt. Eine
       Hamburger Grundschule hat eine Schulstraße während der Aktionswoche
       organisiert und möchte das als Verkehrsversuch ab dem Sommer weitermachen.
       Das muss jetzt allerdings noch politisch beschlossen werden und auch von
       der Polizei bewilligt werden.
       
       Wie waren die ersten Reaktionen auf die Test-Schulstraße? 
       
       Von der Grundschule habe ich gehört, dass das insgesamt sehr gut ankam. Wie
       es so ist, wenn Autofahrer mal nicht durchkommen, gab es natürlich auch die
       eine oder andere kritische Stimme.
       
       Eigentlich könnte man annehmen, dass der grüne Hamburger Verkehrssenator
       sagt: das ist stadtweit unsere Antwort auf die Elterntaxen. 
       
       Ich glaube, das Thema Schulweg ist für die Verkehrsbehörde nur ein Thema
       von vielen. Es gibt [4][ein Bündnis für den Rad- und Fußverkehr] und in
       dessen Grundsatzpapier gibt es gerade mal einen Absatz zum Thema Schulwege,
       in dem auf ein Pilotprojekt hingewiesen wird. Ich denke, dass die
       Schulstraßen grundsätzlich schon Anklang in der Verkehrsbehörde finden –
       aber es sind bald auch Wahlen. Man möchte es sich mit niemandem verscherzen
       und Schulstraße bedeutet: hier kommt jetzt erst mal kein Auto durch, bis
       auf Ausnahmen wie Rettungswagen oder Anwohner:innen.
       
       Hat das Ganze auch Signalcharakter, indem man Kindern zeigt: Mobilität
       bedeutet nicht zwangsweise Autofahren? 
       
       Deswegen bezeichnen wir ja die Schulstraße auch als einen wichtigen
       Baustein für die Verkehrswende, weil die Kinder ja Fahrer:innen oder
       Fußgänger:innen von morgen sind. Wenn die schon feststellen, dass es
       Spaß macht, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule zu kommen und man nicht
       nur überall hin gefahren wird, ist das eine Selbstwirksamkeitserfahrung.
       Die Schulstraße ist da nur eine Keimzelle, weil es nicht nur um die Straßen
       direkt an der Schule, sondern den gesamten Schulweg geht und da ist noch
       sehr viel zu tun.
       
       Wie wahrscheinlich ist es, dass die Elterntaxen um die Ecke halten und sich
       das Problem nur verlagert? 
       
       Das kann natürlich passieren. Wobei es nur einen Schuleingang gibt und
       viele Ecken – das heißt, es verteilt sich automatisch. In Wien gibt es
       bereits Schulstraßen und Untersuchungen, wonach tatsächlich weniger
       Elterntaxen unterwegs sind. Aber insgesamt muss man sich natürlich das
       gesamte Schulumfeld anschauen und dann gegebenenfalls nochmal mit Maßnahmen
       nachsteuern. Schulstraßen sind der Anfang in einem Thema, das bei
       Planenden, Behörden und Politik lange wenig Aufmerksamkeit hatte.
       
       Müsste man also mit der Schulstraße direkt auch öffentliche Verkehrsmittel
       in den Blick nehmen, um dem ewigen Gegenargument der alleinerziehenden
       Mutter auf dem Weg zur Arbeit den Wind aus den Segeln zu nehmen? 
       
       Es ist sicherlich auch wichtig, dass der öffentliche Nahverkehr attraktiver
       gemacht wird. Ich denke auch, man muss es nicht immer absolut sehen: Es ist
       besser, das Kind wird 500 Meter vor der Schule abgesetzt, als dass es nur
       fährt. Bei den städtischen Grundschulen wohnen nach meiner Erfahrung viele
       Kinder sehr nah und es ist wirklich ein sehr kleiner Anteil, der mit dem
       Auto kommen muss. Bei den weiterführenden Schulen ist das Problem der
       Elterntaxen sehr viel geringer, weil die Kinder selbstständiger sind. Eine
       Sache möchte ich noch zu den Schulstraßen sagen.
       
       Nur zu. 
       
       Neben den temporären Schulstraßen mit den Sperrungen zu Bring- und
       Holzeiten, wie sie jetzt bei den Verkehrsversuchen in Köln oder in Hamburg
       eingerichtet werden, gibt es zum Beispiel in Paris auch permanente
       Schulstraßen. Das ist eine ganz tolle Sache, weil man dann den gesamten
       Straßenraum anpacken und umgestalten kann. Da kann man eine
       Aufenthaltsqualität schaffen, die nicht nur den Schulkindern, sondern
       allen, die da wohnen, zugute kommt. Paris hat fast 200 Schulstraßen
       eingerichtet, wo jetzt Beete, Bäume, Schachbretter und Sportgeräte sind. Da
       hat man plötzlich ganz tolle gemeinschaftliche öffentliche Räume, die von
       allen genutzt werden können.
       
       18 May 2024
       
       ## LINKS
       
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