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       # taz.de -- Abschiebungen Schutzbedürftiger: Rücksichtslos abgeschoben
       
       > Eine psychisch erkrankte Frau und ihr belastetes Kind wurden abgeschoben.
       > Nun werden Forderungen laut, Abschiebungen Schutzbedürftiger auszusetzen.
       
   IMG Bild: „Diese brutale Abschiebepolitik dient der Abschreckung anderer Menschen“
       
       Berlin taz | Der linke Abgeordnete Ferat Kocak fordert vom Senat eine
       sofortige Aussetzung aller Abschiebungen von besonders schutzbedürftigen,
       psychisch erkrankten und minderjährigen Menschen.
       
       Anlass ist die Abschiebung einer Patientin einer psychiatrischen
       Tagesklinik und ihres psychisch stark belasteten minderjährigen Kindes.
       Diese waren vergangene Woche in ein osteuropäisches Land mit fragiler
       gesundheitlicher Versorgung abgeschoben worden. Laut Nicolay Büttner vom
       Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge fand die
       Abschiebung statt, als die Familie zur Verlängerung ihrer Duldung das
       Landesamt für Einwanderung aufsuchte. Die Familie konnte sich demzufolge
       darauf nicht vorbereiten, kritisiert er.
       
       Das Zentrum Überleben, in dem die Mutter behandelt wurde, schildert den
       Sachverhalt wie folgt: Die Patientin befand sich „aufgrund einer
       psychischen Erkrankung in teilstationärer Behandlung. Das minderjährige
       Kind lebte in einer Jugendhilfeeinrichtung, da es eine starke
       psychiatrische Belastung und massiv selbstgefährdendes Verhalten aufwies“.
       
       Die Mutter hätte aufgrund der eigenen Erkrankung nicht mehr die
       erforderliche Erziehungsfähigkeit besessen. Das Kind hätte in der
       Jugendhilfeeinrichtung bereits ein wenig Stabilität durch psychosoziale
       Unterstützung erlangt, so dass es wieder die Schule besuchen konnte. Die
       Abschiebung hätte dann aber alle Erfolge zunichte gemacht, heißt es weiter.
       
       ## Die Abschiebung gefährde auch andere KlinikpatientInnen
       
       Laut Wail Diab, dem Leiter der Tagesklinik, in der die Mutter behandelt
       wurde, gefährdet die Abschiebung nicht nur die Gesundheit der betroffenen
       Frau und ihres Kindes. Der Vorfall bringe auch andere PatientInnen der
       Tagesklinik in Gefahr, denn hier „wird eine [1][besonders gefährdete Gruppe
       von Menschen, die unter Trauma und Traumafolgestörung leiden], behandelt.
       Eine Grundvoraussetzung ist die Sicherheit im Rahmen der Behandlung. Diese
       wurde massiv verletzt und gefährdet somit unsere Arbeit“.
       
       Die Abschiebung verletzt aber nach Überzeugung von
       Flüchtlingsorganisationen auch die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD.
       Denn die [2][schließt Abschiebungen aus Jugendeinrichtungen und Schulen
       eigentlich aus]. Der Abgeordnete Ferat Kocak, aber auch der Berliner
       Flüchtlingsrat, das Zentrum Überleben und das Berliner Netzwerk für
       besonders schutzbedürftige Flüchtlinge fordern deshalb eine Aufarbeitung
       der Abschiebung.
       
       Kocak fragte am Montag im Innenausschuss dazu Innensenatorin Iris Spranger
       (SPD). Sie kannte den Fall nicht, versprach aber, ihn sich anzuschauen. Als
       wenig später die taz danach fragte, konnte die Innenverwaltung wegen der
       Kurzfristigkeit ebenfalls noch keine Aufklärung geben.
       
       ## Vorwürfe gegen das Landesamt für Einwanderung
       
       Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat Berlin spricht von einem „alarmierenden
       Paradigmenwechsel in der Berliner Abschiebepraxis und einer vollkommen
       neuen Qualität der Menschenverachtung“. Das Landesamt für Einwanderung, dem
       die Atteste und die Liegebescheinigung der Mutter in der Tagesklinik ihrer
       Kenntnis nach vorgelegen hätten, „[3][missachtet die festgestellte
       Kindeswohlgefährdung“ durch die nachgewiesenen Atteste]. Sie schiebe
       „zielgerichtet in prekäre Verhältnisse ab“, in denen die Mutter sich und
       das Kind nicht versorgen könne.
       
       „Diese brutale Abschiebepolitik dient einzig der Abschreckung anderer
       Menschen und wird zu Lebensgefahr im Herkunftsland führen,“ meint der
       Flüchtlingsrat. Er schließt sich der Forderung von Kocak an, Abschiebungen
       psychisch kranker Menschen und deren Kinder sofort auszusetzen.
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Depression-bei-Gefluechteten/!5847678
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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