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       # taz.de -- Proteste an US-Universitäten: Alle wollen Teil der Revolution sein
       
       > Die Uni UCLA in Los Angeles ist im Ausnahmezustand. Es gibt
       > Auseinandersetzungen zwischen pro-israelischen und pro-palästinensischen
       > Aktivist:innen.
       
   IMG Bild: Protest an der Universität UCLA in Los Angeles eskaliert
       
       Los Angeles taz/rtr | Am Mittwochnachmittag rüsten sie sich zum Kampf. Die
       Schlange zieht sich von den für Barrikaden genutzten Holzpfählen über die
       Steintreppen bis auf den Gehweg. Mit hartnäckiger Geduld harren sie aus,
       Hunderte müssen es sein: Alle wollen sie Teil der Revolution sein.
       Maskierte Gestalten in knall-orangenen Westen, manche haben Schutzhelme
       auf, führen strenge Kontrollen durch. Hier an der Universität UCLA wird
       darüber entschieden, wer die schmale Öffnung, die ins Zeltlager führt,
       passieren darf und wer nicht.
       
       „Aus unseren Geheimdienstquellen wissen wir, dass am Abend die Räumung
       bevorsteht“, sagt einer der Organisatoren der Gruppe Students for Justice
       in Palestine. Seine Aufgabe ist, Neulinge zu schulen, wie sie im Falle
       einer Eskalation reagieren sollen. In der Nacht zu Donnerstag (Ortszeit)
       begann ein Großaufgebot der Polizei tatsächlich mit der Räumung des
       Protestlagers. Aktivisten versuchten die Polizisten aufzuhalten. Sie
       skandierten „schiebt sie zurück“. Einige hielten provisorische
       Schutzschilde und Regenschirme in den Händen, andere wappneten sich mit
       Helmen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken, wie auf TV-Bildern zu sehen
       war.
       
       Die Universität UCLA im kalifornischen Los Angeles [1][ist im
       Ausnahmezustand]. Hunderte Polizist:innen haben das Universitätsgelände
       von allen Seiten abgeriegelt. Der Unterricht fällt aus. Hubschrauber
       kreisen über den Köpfen der Anwesenden. Auf einer Wiese mit Blick auf
       Dutzende Polizeifahrzeuge hat sich eine Menschenmasse versammelt. [2][Das
       pro-palästinensische Protestcamp] hat eine Pressekonferenz zu den
       Ereignissen der letzten Nacht angekündigt.
       
       In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hatten nach Angaben der
       Studierendenzeitung Daily Brun etwa 100 maskierte pro-israelische
       Aktivist:innen die um das Zeltlager errichteten Barrikaden gestürmt.
       Sie sollen Pfähle durchbrochen und diese zum Angriff benutzt haben. Sie
       attackierten die Protestierenden mit Tränengas, Knallkörpern, stellten
       Metallgitter auf und warfen Stinkbomben. 25 Studierende wurden ins
       Krankenhaus eingeliefert, die Los Angeles Times berichtete auch von
       Angriffen auf vier Journalist:innen der Daily Brun.
       
       ## Universität erklärt Protestlager für „gesetzwidrig“
       
       Zu Beginn der Eskalation befanden sich nur eine Handvoll Polizist:innen
       auf dem Gelände. Während sie versuchten, einer Verletzten zu Hilfe zu
       kommen, wurden auch sie zur Zielscheibe der Attacke. Drei Stunden brauchte
       die Polizei, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Von der
       Universitätsleitung soll wohl niemand vor Ort gewesen sein.
       
       Wenige Stunden vor der Attacke hatte die Universität das Protestlager als
       „gesetzwidrig“ bezeichnet und den Beteiligten mit Suspendierung und
       Ausschluss von der Universität gedroht. „Nach dieser Nacht ist jedes
       Vertrauen in die Universitätsleitung zerstört“, sagt Alden Young, ein
       Fakultätsmitglied der African American Studies. Young ist mit zwei
       Kolleginnen zur Pressekonferenz gekommen. Sie wollen die Studierenden
       unterstützen. [3][Nein, Antisemitismus habe er hier keinen wahrgenommen.]
       Harmonisch sei es hier in den vergangenen zwei Wochen zugegangen.
       
       Eine jüdische Sozialarbeiterin der Uniklinik, die mit dem Protestcamp
       sympathisiert, nickt zustimmend. Sogar mit ihrem Baby sei sie hier gewesen,
       so entspannt war die Lage. Heute hat sie das Baby zu Hause gelassen.
       Student Aidan Doylee ergreift das Mikrofon. „Was uns angetan wurde“, sagt
       er und legt eine theatralische Sprechpause ein, „ist eines der
       verstörendsten Ereignisse in meinem Leben.“ Minutenlang spricht er dann von
       Männern, die achtzehnjährigen Mädchen ins Gesicht geschlagen haben sollen,
       von „schwerer Artillerie“, von „zionistischen Söldnern“. Am Ende seiner
       Tirade auf die „zionist entity“ hält er seinen blutverschmierten Arm ins
       Publikum. Klick, klick, machen die Kameras. Applaus.
       
       Studentin Aischa tritt auf das Podest und gibt ihre Erfahrungen von dem
       Angriff in knappen Sätzen wieder. Der dritte Redner sagt, letzte Nacht habe
       er eine flüchtige Ahnung davon bekommen, wie sich das Leben in Gaza
       anfühlt.
       
       ## Proteste an über 30 Universitäten
       
       In derselben Nacht, in der pro-israelische Angreifer:innen das
       Protestcamp der UCLA stürmten, löste die New Yorker Polizeibehörde (NYPD)
       mit Gewalt die Besetzung des City College New York und der
       Columbia-Universität auf. In der neoklassizistischen „Hamilton Hall“ hatten
       Demonstrant:innen in der Nacht zu Dienstag die Eingänge mit Holztischen
       verbarrikadiert und die Halle in „Hind’s Hall“ umbenannt, zu Ehren von Hind
       Rajab, einer Sechsjährigen, die vom israelischen Militär getötet wurde,
       nachdem sie als Einzige ihrer Familie einen Panzerbeschuss auf ein Fahrzeug
       überlebt hatte.
       
       Sie fordern von der Universität „Divestment“: Columbia solle ihre
       Verbindungen mit Unternehmen kappen, die vom Krieg in Gaza profitieren.
       Insgesamt wurden in dieser Nacht 280 Protestierende verhaftet. Auch in
       Texas, Wisconsin, Louisiana und Arizona löste die Polizei am Mittwoch
       Proteste auf: Insgesamt wurden seit dem 18. April laut der
       Nachrichtenagentur ap 1.600 Demonstrant:innen an 30 Universitäten
       festgenommen. Auch am Campus in Cambridge des Massachusetts Institute of
       Technology im Bundesstaat Massachusett blockierten Demonstranten eine
       Straße während der Hauptverkehrszeit.
       
       2 May 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Proteste-an-der-Columbia-University/!6004757
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Klimchuk
       
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