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       # taz.de -- Heilung von Wunde mit Pflanzensud: Der Apotheker-Affe
       
       > Ein Orang-Utan heilt mit einer Pflanze seine offene Wunde. Damit gibt es
       > eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Menschen und den Menschenaffen.
       
   IMG Bild: Das Orang Utan-Männchen Rakus im Urwald von Suaq Balimbing, zwei Tage vor Beginn der Selbstbehandlung
       
       Berlin taz | Orang-Utans können über Heilwissen verfügen. Das legen
       Erkenntnisse eines Forschungsteams nahe, das einen Orang-Utan bei der
       aktiven [1][Behandlung einer offenen Wunde] beobachtete. Das Männchen mit
       dem Namen Rakus litt an einer großflächigen Verletzung unter dem rechten
       Auge. Forscher:innen konnten sehen, wie er minutenlang die Pflanze
       Fibraurea tinctoria aß, den Saft auf die Wunde auftrug und schließlich die
       gesamte Wunde mit den zerkauten Blättern bedeckte.
       
       Die Wunde stammte wahrscheinlich von einem Kampf mit einem männlichen
       Artgenossen, vermuten die Forscher:innen. „Die Beobachtungen in den
       folgenden Tagen zeigten keine Anzeichen einer Wundinfektion und nach fünf
       Tagen war die Wunde bereits geschlossen“ erklärten die
       Wissenschaftler:innen.
       
       Das Team von Kognitions- und Evolutionsbiolog:innen des
       Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und der Universitas
       Nasional, Indonesien um Isabelle Laumer und Caroline Schuppli beobachtet
       seit 20 Jahren Orang-Utans auf Sumatra. In einer wissenschaftlichen
       [2][Publikation] veröffentlichen sie ihre neusten Ergebnisse zu dem Affen,
       der sich selbst medizinisch behandelt. Der Forschungsstandort heißt Suaq
       Balimbing und liegt auf Sumatra. In dem geschützten Regenwaldgebiet leben
       etwa 150 der vom Aussterben bedrohten Tiere.
       
       Die Pflanze, die der Orang-Utan auf seine Wunde auftrug, ist für ihre
       schmerzstillende und antibakterielle Wirkung bekannt, erläutert Laumer,
       Erstautorin der Studie. Sie werde auch in der traditionellen Medizin zur
       Behandlung verschiedener Krankheiten verwendet.
       
       ## Keine zufälligen Handlungen
       
       Bislang konnte bei Menschenaffen nur beobachtet werden, wie sie Pflanzen
       zur Behandlung von Parasiten essen oder ihre Arme und Beine mit Pflanzensud
       einreiben, um Muskelschmerzen zu lindern. Eine aktive Wundbehandlung
       mitzuverfolgen ist also bisher einzigartig.
       
       Die Forscher:innen gehen davon aus, dass das Verhalten des Orang-Utans
       Rakus beabsichtigt war. „Das Verhalten schien absichtlich zu sein, da er
       selektiv seine Gesichtswunde an seinem rechten Backenwulst mit dem
       Pflanzensaft behandelte und keine anderen Körperteile.“ erklärte Laumer.
       Das Verhalten sei außerdem mehrmals wiederholt worden, was ebenfalls nicht
       auf eine zufällige Handlung hinweise.
       
       Dass nicht nur Menschen, sondern auch Menschenaffen ihre Wunden behandeln,
       lässt die Forscher:innen vermuten, dass schon unsere gemeinsamen
       Vorfahren ähnliche Verhaltensweisen zeigten.
       
       Dass die Tiere die Pflanze Fibraurea tinctoria essen, könnte eine
       „individuelle Innovation“ sein, erklärte Caroline Schuppli. „Einzelne Tiere
       können versehentlich ihre Wunden berühren, während sie von dieser Pflanze
       fressen, und so unbeabsichtigt den Saft der Pflanze auf ihre Wunden
       auftragen.“ Fibraurea tinctoria habe eine sofortige schmerzlindernde
       Wirkung, was dazu führen könnte dass das Verhalten mehrmals wiederholt
       wird.
       
       Auch Julia Cissewski findet die Studie sehr interessant und beeindruckend.
       Cissewski arbeitet am Max-Plack-Institut für evolutionäre Anthropologie und
       ist ehrenamtliche Vorsitzende des Vereins Orang-Utans in Not. Sie war
       selbst nicht an der Studie beteiligt. Unabhängig von dem interessanten
       Fakt, dass es das erste Mal war, dass solch ein Verhalten bei Menschenaffen
       beobachtet werden konnte, sei es einzigartig, dass alles direkt vor Ort mit
       verfolgt und so gut dokumentiert wurde. „Die Studie zeigt wie nah wir
       Menschen den Menschenaffen sind“, unterstreicht Cissewski. Jetzt gäbe es
       eine weitere Gemeinsamkeit mit den [3][bedrohten Tieren].
       
       3 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=p_Sb4xwaDOA
   DIR [2] https://www.nature.com/articles/s41598-024-58988-7
   DIR [3] /Bedrohte-Tierarten/!5471559
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leonie Vogelsang
       
       ## TAGS
       
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