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       # taz.de -- Krieg im Osten der DR Kongo: Tote im Vertriebenenlager
       
       > Tödlicher Beschuss am Rande der belagerten Stadt Goma verschärft den
       > Konflikt zwischen der DR Kongo und Ruanda. M23-Rebellen rücken weiter
       > vor.
       
   IMG Bild: Fassungslose Kriegsvertriebene an einem der Einschlagsorte in Mugunga, Freitag 3. Mai
       
       Kampala taz | Die zwei Geschosse explodierten in zwei Vertriebenenlagern.
       14 Menschen starben am Freitag bei dem Beschuss am Rande der kongolesischen
       Millionenstadt Goma nach amtlichen Angaben, darunter sechs Kinder; 35
       weitere wurden verletzt.
       
       In den gewaltigen Elendslagern um Mugunga am Kivu-See leben weit über
       200.000 Menschen in selbstgebauten Zelten, dicht gedrängt. Sie sind in den
       vergangenen Jahren vor den Kämpfen zwischen Kongos Armee und den Rebelllen
       der M23 (Bewegung des 23. März) in den Bergen rund um Goma geflohen, um
       Sicherheit am Rande der Millionenstadt zu finden – und nun werden sie dort
       selbst Kriegsziel.
       
       Die M23 hat in den vergangenen Jahren einen weiten Landstrich der
       kongolesischen Provinz Nord-Kivu entlang der Grenze zu Ruanda und Uganda
       erobert und [1][die Millionenstadt Goma eingekesselt].
       
       Am 1. Mai nahmen die Rebellen, die laut UN-Ermittlern von Ruanda
       unterstützt werden, auch den Ort Rubaya rund 50 Kilometer westlich von Goma
       ein. Dort in den Masisi-Bergen liegen [2][Kongos größte Vorkommen des
       Minerals Coltan], eine wichtige Einkommensquelle für die Bevölkerung und
       weltweit in der Elektronikherstellung gefragt.
       
       ## Gegenseitige Beschuldigungen
       
       Mit den Toten von Mugunga eskaliert der Krieg jetzt noch weiter. Kongos
       Armee beschuldigte am Freitag direkt nach den Explosionen die M23, die
       Geschosse abgefeuert zu haben. Diese hat Verteidigungsstützpunkte rund um
       die großen Vertriebenenlager errichtet. Bereits zuvor haben sich immer
       wieder Geschosse, die nicht zielgenau abgefeuert wurden, in die Lager
       verirrt.
       
       Die M23 wiederum beschuldigt Kongos Armee und die mit ihnen verbündeten
       „patriotischen“ Milizen (Wazalendo) und Söldner, die Lager zu bombardieren
       und dort schwere Artillerie aufgestellt zu haben. [3][In einer Erklärung]
       bieten sie sogar an, die Vertriebenen nach Hause in ihre Dörfer zu bringen,
       mit eigenen Fahrzeugen, die von Hilfswerken begleitet werden können.
       Mehrere Sammelpunkte dafür seien bereits eingerichtet worden. Im M23-Gebiet
       herrsche „totale Sicherheit“, erklärte die Rebellenbewegung.
       
       Kongos Regierungssprecher [4][Patrick Muyaya beschuldigte] „die ruandische
       Armee und ihre M23-Terroristenunterstützer“, das Lager beschossen zu haben.
       Kongos Präsident Felix Tshisekedi befand sich in Paris auf einem
       Staatsbesuch, als der Angriff passierte. Laut einer Erklärung seiner
       Administration habe er daraufhin entschieden, vorzeitig nach Hause zu
       fliegen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nach seinem Treffen
       mit Tshisekedi am Donnerstag in einer Presseerklärung Ruanda aufgefordert,
       seine Truppen aus der DR Kongo abzuziehen.
       
       Und auch die US-Regierung verurteile „den Angriff der ruandischen
       Streitkräfte und M23-Stellungen auf das Vertriebenenlager Mugunga“,
       [5][erklärte Matthew Miller], Sprecher des US-Außenministeriums.
       
       Ruandas Regierungssprecherin [6][Yolande Makolo kommentierte] diese
       US-Erklärung auf als „lächerlich“ und „absurd“. Die ruandische Armee sei
       professionell ausgebildet und würde „niemals ein Vetriebenenlager
       angreifen“. Solche Übergriffe würden vielmehr die „gesetzlose“ Hutu-Miliz
       FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) und die kongolesischen
       Wazalendo-Milizen begehen- beide kämpfen Seite an Seite mit Kongos Armee
       und begehen in Goma und den Lagern rundherum immer wieder Übergriffe auf
       die Bevölkerung.
       
       Bintou Keita, Chefin der UN-Mission im Kongo (MONUSCO), [7][verurteilte den
       Angriff] und forderte Kongos Regierung auf, alle „notwendigen Maßnahmen“ zu
       treffen, die Verantwortlichen juristisch zu ahnden und den zivilen
       Charakter von Vertriebenenlagern zu gewährleisten. Dies wurde von
       M23-Sympathisanten als Hinweis darauf gelesen, dass die UN Kongos Armee für
       den Beschuss verantwortlich macht.
       
       ## Ausweitung auf Süd-Kivu droht
       
       Eine weitere Explosion ereignete sich am Samstag in der Kleinstadt Minova,
       rund 40 Kilometer südwestlich von Goma, am Ufer des Kivu-Sees. Sämtliche
       Nichtregierungsorganisationen, die dort aktiv sind, haben ihre Mitarbeiter
       evakuiert. Es wird befürchtet, dass die M23 in den kommenden Tagen in
       dieser Region in Richtung der Provinz Süd-Kivu vordringt. Minova wäre die
       erste Stadt entlang der Überlandstraße am Westufer des Sees, die die beiden
       Provinzen verbindet.
       
       Der Flughafen Kavumu von Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu ist der
       Ausgangspunkt der Luftwaffen- und Drohneneinsätze von Kongos Armee. Bislang
       haben UN-Blauhelme die Landebahn bewacht, sie sind nun aber abgezogen. Die
       UN-Mission ist – auf Wunsch von Kongos Regierung – gerade dabei, aus der DR
       Kongo abzuziehen, und [8][macht mit Süd-Kivu den Anfang]. Zum 30. April
       haben die UN-Blauhelme dort offiziell ihre Mission beendet.
       
       5 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Belagerte-Stadt-Goma-in-Kongo/!5992143
   DIR [2] /Coltanabbau-im-Kongo/!5547168
   DIR [3] https://twitter.com/LawrenceKanyuka/status/1786749943488606544
   DIR [4] https://twitter.com/PatrickMuyaya/status/1786349642407358625
   DIR [5] https://twitter.com/StateDeptSpox/status/1786533789562216852
   DIR [6] https://twitter.com/YolandeMakolo/status/1786546577189839110
   DIR [7] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/monusco-strongly-condemns-deadly-bombing-idp-sites-goma
   DIR [8] https://news.un.org/fr/story/2024/05/1145241
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
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