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       # taz.de -- Europa in Aufruhr: Rechte Koalition und rechter Spion
       
       > In den Niederlanden regieren Rechte. Ein AfD-Abgeordneter und Georgien
       > agieren russlandfreundlich. Immerhin: Unser Olaf fordert mehr
       > Mindestlohn.
       
   IMG Bild: Kann Spuren von Fascho enthalten: Geert Wilders
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Anklage gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
       
       Scholz forderte eine schrittweise [1][Erhöhung des Mindestlohns auf 15
       Euro]. Woher kommt plötzlich der sozialdemokratische Geist des Kanzlers? 
       
       Aus dem Mathe-Grundkurs? 2023 betrug die Inflation in Deutschland 5,9
       Prozent. Der Mindestlohn stieg danach um 41 Cent, also nur 3,4 Prozent.
       Zuvor, 2022, hatte die frisch gewählte Ampel fast 15 Prozent draufgelegt –
       Einlösung eines Wahlversprechens. Mal vergreift sich die Politik am
       Mindestlohn, mal rächt sich die Mindestlohnkommission mit Hungerkrümeln.
       Mag sein, dass Scholz im EU-Wahlkampf auch mal den Kaola-Querulanten geben
       will, die FDP feiert seinen Übergriff schon. Allerdings gibt es dahinter
       noch einen Wahlkampf im Wahlkampf: Das Mandat der aktuellen
       Mindestlohnkommission endet dieses Jahr, die Bundesregierung muss eine neue
       berufen. Schön wäre, wenn die künftige einfach fair abliefert. Irgendwas,
       was aus der Ferne noch ein bisschen nach Tarifautonomie aussieht.
       
       [2][Der DFB Kader] für die diesjährige EM wurde in besonderer Manier, etwa
       von Influencern, Sängern und Bäckern bekanntgegeben. Ist das geniales
       Marketing oder Quatsch? 
       
       Genialer Marketingquatsch. Es ist wie mit allen Witzen: Wenn man sie
       hinterher erklärt, werden sie nicht lustiger oder waren es nie. Der DFB
       möchte eine dönerbudenbasierte Massenbegeisterung, und wie stets, wenn man
       am Gras zieht, wächst es nicht schneller – sondern: Man reißt es aus.
       Wohlan, wenn die Mannschaft erfolgreich spielt, kommt der Rest von allein.
       Wenn dann Bäckerdönerfriseurläden mit der Nationalmannschaft werben, wird
       der DFB heldenmütig darauf verzichten, sie wegen Markenmissbrauchs zu
       verklagen. Wie sonst gern. Einer geht noch!
       
       [3][In den Niederlanden tritt eine rechte Koalition an]. Dabei sollen
       außerparlamentarische Fachleute die Posten von Ministern und
       Staatssekretären besetzen. Was halten Sie davon? 
       
       Marionette sich, wer kann. Wilders und die ParteichefInnen seiner Koalition
       bleiben im Parlament und können dort, Haider-Style, gegen die eigene
       Regierung stänkern. Wohnungsnot, Mängel im Gesundheitswesen – das waren
       laut Wahlkampf die Migranten schuld. Nun soll die neue Regierung das
       „strengste und umfassendste“ Zuwanderungsregime umsetzen. Wenn dann nichts
       besser wird, ist die trottelige Expertenregierung schuld, wenn doch – wird
       Wilders halt nächstes Mal Premier. Die Welt resümiert, die Niederlande
       stellten sich so „gegen den Mainstream im Deutschland der Ampelkoalition“.
       Alles erst mal auf uns zu beziehen, hat uns Deutsche in den Niederlanden ja
       sehr beliebt gemacht. Davon abgesehen: Manche hier beobachten Wilders
       Expertokratie offenbar mit Hoffnung.
       
       In Georgien hat das Parlament das sogenannte Agentengesetz final
       verabschiedet. NGOs und Medien, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland
       finanziert werden, müssen sich nun als „Vertreter ausländischer Interessen“
       registrieren lassen. Was heißt das für die Opposition und Presse im Land? 
       
       In Georgien gibt es, auch nach westlichen Statistiken, Zigtausende auch
       ausländisch finanzierte NGOs, von denen allerdings viele inaktiv sind oder
       keine politischen Zwecke verfolgen. Jetzt wird nach Hirneslust mit dem
       „russischen Gesetz“ verglichen, das dort unter dem Rubrum „ausländischer
       Agenten“ die komplette Opposition niedermacht. Oder dem amerikanischen
       „Foreign Agents Registration Act“ oder gleich mit EU-Regelungen, nach denen
       derzeit politische Werbung aus Geldern außerhalb der EU verboten ist. Kurz:
       Bei Licht betrachtet ist der Konflikt verhandelbar, und wer keine „zweite
       Ukraine“ will, sollte das auch tun. Der Ähnlichkeiten sind schon jetzt
       genug.
       
       Das Büro des AfD-Abgeordneten Petr Bystron wurde durchsucht. Ihm wird
       vorgeworfen, Schmiergeld aus Russland angenommen zu haben. Vergangene Woche
       wurde bereits das Büro des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian
       Krah, durchsucht. Werden die Vorfälle die AfD bei der Europawahl schwächen? 
       
       Die bisher übliche Strategie – mit dem Brett vorm Kopf durch die Wand –
       wackelt, Weidel und Chrupalla verstecken ihre Spitzenkandidaten und meiden
       Solidaritätsadressen. Viele AfD -Wähler ahnen, dass die Erde keine Scheibe
       ist, stehen aber völlig drauf, wenn’s trotzdem jemand behauptet. Ergo: Die
       Sache schadet der Partei.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Pfingsten durchheulen. Erst Marco Reus’ berührender Abschied mit
       Freistoßtor, Ehrenspalier und großer Choreo; dann weiterweinen mit Jürgen
       Klopps Feierabend in Liverpool. Das Champions-League-Finale müssen sie
       gewinnen, Tränen sind alle.
       
       Fragen: Joscha Frahm
       
       21 May 2024
       
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