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       # taz.de -- Berliner Maßregelvollzug: Tod im Isolierraum
       
       > Trotz einer 24-Stunden-Überwachung ist ein Patient des Maßregelvollzugs
       > im Isolierraum erstickt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft zu dem
       > Todesfall.
       
   IMG Bild: Zu wenig Platz, zu wenig Personal, zu viele Patient*innen: Gebäude auf dem Gelände des Maßregelvollzugs in Berlin-Reinickendorf
       
       Berlin taz | Es ist bereits der zweite Todesfall in der Einrichtung binnen
       eines Monats: Am 10. Mai ist im [1][Krankenhaus des Maßregelvollzugs] ein
       Patient gestorben. Nun hat die Berliner Staatsanwaltschaft eine Obduktion
       angeordnet.
       
       Der 27 Jahre alte Mann befand sich bisherigen Erkenntnissen zufolge in
       einem gesonderten Isolierraum. Dort werden Patient*innen untergebracht,
       die sich in akuten Krisensituationen befinden. In diesen Räumen ist
       eigentlich eine Bewachung rund um die Uhr durch Panzerglasfenster
       vorgesehen. Dennoch wurde sein Tod zunächst nicht bemerkt. Die
       Gesundheitsexpertin der Grünen, Catherina Pieroth, sagte dem RBB, ihren
       Informationen zufolge sei der Mann erstickt.
       
       Erst Anfang April war in einer Station für Suchterkrankte in Buch ein
       32-jähriger Mann nach dem Konsum eines Graffiti-Entferners gestorben. Auch
       hier ermittelt die Staatsanwaltschaft noch zur Todesursache, wie die
       Behörde auf Anfrage mitteilte.
       
       Die für den Maßregelvollzug zuständige Senatsgesundheitsverwaltung erklärte
       gegenüber der taz, bei nahezu allen Todesfällen in der Einrichtung würden
       Obduktionen angeordnet, außer bei Suiziden. Es habe bislang noch keine
       Ermittlungen „in Bezug zu möglichen vom Maßregelvollzug verschuldeten
       Todesfällen“ gegeben. 2023 waren dort sechs, im Jahr davor acht
       Patient*innen gestorben, keiner von ihnen durch Suizid.
       
       ## Chefarzt kündigte aus Gewissensgründen
       
       In den Maßregelvollzug kommen Straftäter*innen, wenn ein Gericht sie als
       psychisch auffällig oder suchtkrank einstuft. In Berlin befindet sich die
       Einrichtung [2][seit vielen Jahren in einer schweren Krise]. Die Klinik ist
       überfüllt und leidet zugleich unter einem eklatanten Personalmangel.
       
       Die Zustände sind so katastrophal, dass der Chefarzt und Vollzugsleiter
       Sven Reiners im April aus Gewissensgründen zurücktrat. Die Überbelegung
       habe „ein bisher ungekanntes Maß erreicht“, sagte er [3][Zeit Online]:
       „Teils müssen Patienten auf dem Fußboden schlafen.“
       
       ## Es mangelt an Therapieangeboten
       
       Derzeit sind im Maßregelvollzug 618 Patient*innen stationär
       untergebracht. Behördlich genehmigt sind 549 Betten. Immer wieder werden
       Patient*innen abgewiesen und vorerst im Justizvollzugskrankenhaus
       untergebracht, wo sie nicht angemessen versorgt werden können.
       
       Doch auch im Maßregelvollzug selbst gebe es keine ausreichenden
       Therapieangebote, betonte der Linken-Gesundheitspolitiker Tobias Schulze
       gegenüber der taz: „Das medizinische Personal ist oft gezwungen, die Leute
       mit Medikamenten ruhigzustellen.“
       
       Die Gesundheitsverwaltung versucht, [4][die Krise mit weiterem Personal und
       mehr Betten zu lindern]. Allerdings stockt die Besetzung der zusätzlich
       geschaffenen Stellen: Von den insgesamt 674 Planstellen waren Ende April
       527 besetzt. Ein Fünftel ist also weiterhin vakant. Laut
       Gesundheitsverwaltung werden im Juni aber weitere Fachkräfte eingestellt.
       
       In einem ehemaligen Abschiebeknast in Lichtenrade sollen außerdem 50 neue
       Betten entstehen. Doch der Umbau kommt nicht voran. Es würden noch
       Sicherungsmaßnahmen vorgenommen, sagte Schulze.
       
       22 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massregelvollzug/!t5035574
   DIR [2] /Krise-im-Berliner-Massregelvollzug/!5993795
   DIR [3] https://www.zeit.de/gesundheit/2024-04/berliner-massregelvollzug-sven-reiners-chefarzt-kuendigung-protest/komplettansicht
   DIR [4] /Aerzte-Protest-am-Massregelvollzug/!5996531
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanno Fleckenstein
       
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