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       # taz.de -- Politologe über die Neue Rechte: „Zurück ins Schubladendenken“
       
       > Die Neue Rechte verkauft ihre Ideologie mit Verweis auf die „gute, alte
       > Zeit“. Volker Weiß und Elke Gryglewski diskutieren, wie sich das kontern
       > lässt.
       
   IMG Bild: Gute alte Zeit? Arbeiter nach dem Schichtwechsel beim Hüttenwerk Oberhausen im Jahr 1957
       
       taz: Herr Meuser, manche sagen ja: Früher war alles besser. Warum gibt es
       noch immer Menschen, die solchen Unsinn glauben? 
       
       Stephan Meuser: Wir leben in einer Zeit großer Unsicherheiten. Da finden
       viele den Rückgriff auf einfache Erklärungen hilfreich. Und dazu muss man
       gar nicht weit zurückgehen. Viele halten etwa die 1950er- oder 1980er-Jahre
       für schöner als heute, weil alles übersichtlicher war. Es lässt sich ja
       auch nicht bestreiten, „bunt“ war es wirklich nicht: Damals waren zwar alle
       in Schubladen einsortiert, es gab aber auch keine heißen Kriege in Europa
       und keine komplizierten gesellschaftspolitischen Debatten.
       
       Das Gespräch über die Gefahren von „historischer Nostalgie“, das Volker
       Weiß und Elke Gryglewski in Osnabrück führen, ist Teil Ihrer
       [1][Veranstaltungsreihe „Geschichtspolitik und der Aufschwung der Neuen
       Rechten“]. Was hat Sie bewogen, die Reihe aufzulegen? 
       
       Die Idee kam von der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten. Gemeinsam
       zeigen wir, dass die neue Rechte versucht, sich die Diskurshoheit zu
       sichern, indem sie Begriffe umdeutet. Wir treten den Rechten
       bildungspolitisch entgegen.
       
       Die [2][Anti-rechts-Demonstrationen] der letzten Monate ebben ab. Trägt
       Ihre Reihe dazu bei, dass sich die Debatte dennoch verstetigt? 
       
       Das hoffen wir. Sie versucht, zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort den
       Rücken zu stärken. Deshalb findet sie nicht nur in Hannover statt, sondern
       auch in anderen größeren Städten Niedersachsens.
       
       Nur: Vermutlich sitzen ja größtenteils Menschen im Publikum, die ohnehin
       immun gegen die rechte Rhetorik sind? 
       
       Auch wer schon vorher positiv demokratisch gesinnt ist, kann viel
       dazulernen, etwa über die Angriffstechniken der Rechten, die heute ja viel
       subtiler sind als früher. Von der Verschwörungserzählung reichen sie bis
       zum Geschichtsrevisionismus, nicht zuletzt durch die Stichwortgeber des
       [3][„Instituts für Staatspolitik“], das mit der [4][AfD] eng verbunden ist.
       Und dann gibt es eben die, die behaupten, die Vergangenheit sei besser
       gewesen als es die Gegenwart ist.
       
       AfD-Einpeitscher Björn Höcke hat eine Erinnerungskultur propagiert, „die
       uns vor allen Dingen und zu allererst mit den großartigen Leistungen der
       Altvorderen in Berührung bringt“. Ist auch das Nostalgie? 
       
       Sicher. Aber in Osnabrück geht es eher darum, die vermeintlich „gute, alte
       Zeit“ zu betrachten, Verweise auf die bessere Übersichtlichkeit der
       Gesellschaft, den Begriff der „Volksgemeinschaft“. Das greift bis in die
       Kaiserzeit zurück, an die die [5][Reichsbürger-Gruppe um Heinrich Prinz
       Reuß] andockt.
       
       Der Abend fragt nach geschichtspolitischen Alternativen. Welche könnten das
       sein? 
       
       Wir sollten nicht immer nur auf 1933 schauen, sondern bis zur Aufklärung
       zurück, bis 1700. Dann sehen wir, wie weit wir gedanklich schon waren, und
       auch, wenn wir an 1789 und 1848 denken. Damit lässt sich das vermeintlich
       „gute Alte“ der Rechten gut kontern.
       
       Der Verfassungschutzbericht des niedersächsischen Innenministeriums sagt,
       der Rechtsextremismus sei „weiterhin die größte Bedrohung für unsere
       Gesellschaft“. Haben Sie die Hoffnung, dass das dort irgendwann nicht mehr
       stehen könnte, auch durch Veranstaltungen wie die Ihren? 
       
       Nicht auf kurze Sicht. Aber politische Bildung kann viel bewirken, auch in
       der Herausbildung von Meinungsführerschaften. Es geht darum, dass wir
       demokratischen Kräfte uns die Diskurshoheit zurückholen. Die haben wir
       nämlich teilweise verloren. Nicht in Niedersachsen, aber weiter östlich. Da
       gibt es Gebiete, da müsste man für eine Veranstaltung wie die unsere
       Polizeischutz anfordern.
       
       14 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.fes.de/oas/portal/pls/portal/filefunctions.download/PLAKON/VERANSTALTUNG/275348/F1780269271/24_04-10_Flyer_Geschichtspolitik.pdf
   DIR [2] /Schwerpunkt-Demos-gegen-rechts/!t5338539
   DIR [3] /Institut-fuer-Staatspolitik-aufgeloest/!6007332
   DIR [4] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296
   DIR [5] /Reichsbuerger-Putsch/!6004794
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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