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       # taz.de -- Bundeslagebild Cyberkriminalität: „Möglich, vor die Welle zu kommen“
       
       > Cyberattacken aus dem Ausland nehmen deutlich zu. Russlands Krieg in der
       > Ukraine findet auch im digitalen Raum statt.
       
   IMG Bild: Krieg findet nicht nur auf dem Schlachtfeld statt. Der digitale Angriff auf Konten der SPD konnte erst vor wenigen Wochen aufgedec
       
       Berlin taz | Es ist die berühmte „Spitze des Eisberges“. So bezeichnet
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag Meldungen über digitale
       Angriffe aus dem Ausland oder von „unbekannten Orten“. Faeser zitiert aus
       dem neuen Bundeslagebild Cyberkriminalität für 2023. Demnach ist die Zahl
       der Auslandstaten im Vergleich zu 2020 kontinuierlich gestiegen. Im
       vergangenen Jahr um rund 28 Prozent. Taten, bei denen Deutschland
       „Handlungs- und Schadensort“ war, stagnierten 2023.
       
       Die Kriminellen im digitalen Raum haben vor allem die kritische
       Infrastruktur im Visier: Krankenhäuser, Behörden, Energieversorger, aber
       auch Logistik- und Rüstungsfirmen. Ihre Mittel sind vielfältig. Sie
       versuchen Daten abzufischen, suchen nach Schwachstellen in den Systemen,
       greifen sie großflächig an (sogenannte DoS-Attacken) oder schleusen
       Schadsoftware ein. Damit können Systeme verlangsamt oder so verschlüsselt
       werden, dass sie von den Eigentümern nicht mehr genutzt werden können. Laut
       Bericht haben im Jahr 2023 bundesweit über 800 Unternehmen und
       Institutionen digitale Attacken angezeigt. Der Branchenverband Bitkom geht
       von einem Schaden von rund 148 Milliarden Euro aus.
       
       Faeser sieht einen Zusammenhang der Angriffe mit der deutschen
       Unterstützung für die Ukraine. Bestes Beispiel seien [1][digitale Angriffe
       auf die SPD-Parteizentrale] und auf Rüstungs- und Logistikfirmen,
       orchestriert durch die Hackergruppe APT 28, die dem russischen Geheimdienst
       zugeordnet wird. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt die
       Bundesinnenministerin. Schutzmaßnahmen seien hochgefahren worden.
       
       Dass diese wirken, zeigten nicht zuletzt Ermittlungserfolge, „insbesondere
       beim Schutz vor [2][Cyberattacken durch das russische Regime]“. Doch wie
       können Behörden, Institutionen, Kommunen und Firmen es schaffen, „vor die
       Welle“ zu kommen, wie Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für
       Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), es nennt?
       
       ## Mehr als reiten, schießen und Lasso werfen
       
       Prävention heißt die Devise. Faeser will Unternehmen dazu verpflichten,
       sich stärker gegen Cyberangriffe zu wappnen. Außerdem strengt sie
       verbindliche Regelungen zur Speicherung von IP-Adressen an. Das BSI will
       Kommunen und Firmen besser informieren, wie sie Back-ups und sichere
       Passwörter erstellen sowie Schwachstellen schließen können.
       
       BKA-Präsident Holger Münch warnte am Montag vor professionellen
       Phishing-Mails. Die mittels künstlicher Intelligenz generierten Texte
       hätten kaum noch orthografische oder sprachliche Fehler und seien daher
       viel schwieriger zu identifizieren. Auch Münch spricht davon, dass
       „geopolitische Konflikte bis in die digitale Welt reichen“. Explizit nennt
       er Angriffe durch russische oder anti-israelische Akteure. Er wünscht sich
       mehr Fachpersonal. „Wir brauchen mehr als Polizisten, die reiten, schießen
       und Lasso werfen gelernt haben“, spöttelt der BKA-Chef.
       
       Konstantin von Notz (Grüne) drängt auf rechtssichere Instrumente. „Die
       anlasslose Vorratsdatenspeicherung gehört nicht dazu“, sagte der
       Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums der taz. Und er verweist
       auf den zwischen Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Kanzler Olaf
       Scholz (SPD) ausgehandelten Kompromiss für ein anlassbezogenes
       [3][Quick-Freeze-Verfahren]. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll bald
       kommen, der Vorgaben macht, wenn Kommunikationsunternehmen bei Straftaten
       Verkehrsdaten für spätere Ermittlungen „einfrieren“ können.
       
       Um Kommunen besser vor Cyberangriffen zu schützen, fordert von Notz zudem,
       die öffentliche Verwaltung auf Länderebene als kritische Infrastruktur
       einzustufen. Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der
       SPD-Bundestagsfraktion, fordert angesichts hybrider Kriegsführung eine
       Zeitenwende für die IT-Sicherheit. Gegenüber der taz sprach sich Zimmermann
       dafür aus, schnell zu klären, welche staatlichen Ebenen Mindestvorgaben
       erfüllen müssen, damit die Folgen von Cyberangriffen auf Kommunen
       abgefedert werden können.
       
       13 May 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
       
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