URI: 
       # taz.de -- Vor Inkrafttreten der EU-Regeln: Werkzeugkoffer gegen KI-Auswüchse
       
       > Verbände bereiten sich darauf vor, das neue EU-Recht zu Künstlicher
       > Intellligenz durchzusetzen, welches in Kürze in Kraft tritt. Doch es gibt
       > Lücken.
       
   IMG Bild: Auf der Suche nach Durchblick auf der Digitalkonferenz re:publica
       
       Berlin taz | Beschwerden, Klagen, eine systematische Beobachtung neuer
       Geschäftsmodelle – die Zivilgesellschaft wappnet sich für die Durchsetzung
       der neuen europäischen Regeln zu künstlicher Intelligenz (KI). „Mit der
       Kombination unserer Möglichkeiten haben wir ein ziemlich scharfes Schwert
       in der Hand“, sagte Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleiterin für
       Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), bei einer
       Podiumsdiskussion auf der Digitalkonferenz re:publica am Dienstag.
       
       Der AI Act, der [1][erst in der vergangenen Woche endgültig verabschiedet]
       wurde, ist die erste umfassende und verbindliche [2][Regulierung von KI].
       Als „Meilenstein in Bezug auf den Schutz von Diskriminierung durch
       künstliche Intelligenz“, bezeichnete Christiane Rohleder, Staatssekretärin
       im Verbraucherschutzministerium, das Regelwerk bei der Diskussion.
       
       „Es gibt einige Schutzlücken“, widersprach der Recht- und Ethikprofessor
       Philipp Hacker. Zum Beispiel bei der sogenannten General Purpose AI, also
       KI-Systemen, die besonders vielfältig einsetzbar sind. Dazu gehören die
       GPT-Modelle, die auch die Basis für den KI-Chatbot ChatGPT bilden.
       
       Für diese Modelle gebe es nämlich eine folgenschwere Ausnahme: Die
       Vorschriften, die Herstellern von Hochrisikosystemen Auflagen für ihre
       Trainingsdaten machten, etwa was Diversität und Repräsentativität angeht,
       gälten für sie nicht. Auf Basis der Trainingsdaten lernt eine KI. Hatte
       also etwa eine KI zum Generieren von Bildern nur männliche Ärzte in ihren
       Trainingsdaten, wird sie höchstwahrscheinlich keine Bilder von Ärztinnen
       erzeugen. „Wir bräuchten hier eine Art Content-Moderation bei den
       Trainingsdaten selbst“, fordert Hacker.
       
       ## Österreichische Datenschutz-NGO gegen OpenAI
       
       Diese Forderung könnte noch bei einem der ersten Verfahren zum Tragen
       kommen, die derzeit in Sachen KI laufen. Die österreichische
       Datenschutz-NGO Noyb hat [3][Beschwerde gegen OpenAI, das Unternehmen
       hinter ChatGPT, eingereicht].
       
       Der Vorwurf: ChatGPT generiere – mindestens in dem beanstandeten Fall –
       reproduzierbar falsche persönliche Daten über eine reale Person und sei
       nicht in der Lage, das zu korrigieren. Ein klassischer Fall strategischer
       Prozessführung, wie Mitdiskutantin Svea Windwehr von der Gesellschaft für
       Freiheitsrechte (GFF) erklärt: „Es geht darum, Grund- und Menschenrechte zu
       stärken und diese anhand von gezielten Fällen durchzusetzen.“
       
       Besonders viele Möglichkeiten haben hier Verbände, die auch zu
       Verbandsklagen berechtigt sind, wie der vzbv, erklärt Gurkmann: Sie könnten
       mittlerweile auch Schadensersatz für Betroffene einklagen. Darüber hinaus
       gebe es weitere Werkzeuge wie die systematische Marktüberwachung etwa
       neuer, potenziell problematischer Geschäftsmodelle.
       
       GFF-Aktivistin Windwehr kritisiert jedoch die prekäre Finanzierung vieler
       zivilgesellschaftlicher Akteure: „Es ist toll, dass die Zivilgesellschaft
       als Partner wahrgenommen wird, aber es besteht ein großes
       Finanzierungsloch.“ Sie fordert nachhaltige Finanzierungswege, etwa einen
       Fonds, der sich aus staatlichen und privaten Mitteln speist.
       
       ## Aufsichtsbehörden auf EU- und nationaler Ebene vorgesehen
       
       Dabei soll es nicht nur die Zivilgesellschaft übernehmen, den AI Act
       durchzusetzen. Auch Aufsichtsbehörden sowohl auf EU- als auch auf
       nationaler Ebene sind vorgesehen.
       
       In Deutschland ist noch offen, wie die Aufsicht im Detail umgesetzt wird.
       Rechtsexperte Hacker fordert dabei ein Denken jenseits der bekannten
       Strukturen: „Man muss neue Herangehensweisen finden, sonst wird das
       nichts.“ Schließlich sei es ein Unterschied, ob eine Bank KI einsetzen
       will, eine medizinische Einrichtung oder eine Schule. Statt einer Arbeit
       entlang der etablierten Behördengrenzen schlägt Hacker beispielsweise
       projektbezogene Zusammenarbeit vor.
       
       28 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kuenstliche-Intelligenz/!6009041
   DIR [2] /FAQ-zum-neuen-AI-Act-der-EU/!5991054
   DIR [3] /Beschwerde-gegen-OpenAI-in-der-EU/!6007268
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
   DIR Verbraucherschutz
   DIR Digitalisierung
   DIR Social-Auswahl
   DIR Film
   DIR Stellenabbau
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Europawahl
   DIR Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
   DIR Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
   DIR Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Film mit KI-generiertem Putin: Best-of der bösen Taten
       
       Der polnische Regisseur Patryk Vega hat einen Film mit einem teilweise
       computeranimierten Putin in die Kinos gebracht. Leider muss man vor ihm
       warnen.
       
   DIR Chiphersteller in der Krise: Intel streicht jede sechste Stelle
       
       Chiphersteller Intel reagiert mit Stellenstreichungen auf schlechte Zahlen.
       Der Bau der Chipfabrik in Magdeburg soll dadurch nicht gefährdet sein.
       
   DIR Chip-Konzern profitiert von KI-Hype: Nvidia nun wertvollstes Unternehmen
       
       Mit einem Börsenwert von rund 3,3 Billionen US-Dollar hat der
       US-Chiphersteller Microsoft und Apple überholt. Die Nachfrage von Software
       mit KI hat den Umsatz vervielfacht.
       
   DIR EU-Investitionen in KI: Intelligenzrückstand auf China
       
       Der Europäische Rechnungshof kritisiert die Investitionsbereitschaft der EU
       in KI. Gefahren für den Jobmarkt sind auf EU-Ebene aber kein Thema.
       
   DIR Künstliche Intelligenz: EU-Regeln für KI kommen
       
       Europa beschließt Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die
       Vorgaben zu Chatbots wie ChatGPT gelten Kritikern als zu lasch.
       
   DIR KI-Experte über AI-Gesetz der EU: „Deutliche Verbesserungen“
       
       Die EU hat Regeln für künstliche Intelligenz beschlossen. Wann
       Verbraucher:innen etwas davon mitkriegen werden, erklärt Experte Miika
       Blinn.
       
   DIR Deutschland muss KI-Regeln umsetzen: Streitpunkt Überwachung
       
       Deutschland muss bald die neuen EU-Regeln zu künstlicher Intelligenz
       umsetzen. Fachleute fordern Verschärfungen – etwa bei der
       Gesichtserkennung.