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       # taz.de -- Berichte über jahrelange Überwachung: Israel soll IStGH bespitzelt haben
       
       > Geheimdienste überwachen Recherchen zufolge seit Jahren das
       > Weltstrafgericht. Sogar mit Drohungen sollen sie versucht haben,
       > Ermittlungen zu stören.
       
   IMG Bild: Ihm wird heimlich auf die Finger geschaut: IStGH-Chefankläger Karim Khan
       
       Berlin taz | Es war ein Novum, aber keine Überraschung, als der
       Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vergangene Woche
       mitteilte, er habe Haftbefehle nicht nur gegen Hamas-Führer beantragt,
       sondern auch gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und
       Verteidigungsminister Joaw Gallant. Seit Wochen schon hatten Medien darüber
       berichtet – auch unter Berufung auf israelische Regierungskreise.
       
       [1][Wie nun bekannt geworden ist], wusste Israel offenbar sogar sehr genau
       Bescheid, was in Den Haag vor sich ging. Laut Recherchen der israelischen
       Magazine [2][+972] und [3][Local Call] sowie des britischen [4][Guardian]
       haben israelische Geheimdienste seit neun Jahren eine Überwachungskampagne
       gefahren.
       
       Ziel der Überwachung war es demnach, ein Vorgehen des Gerichts gegen
       israelische Entscheidungsträger mit verschiedenen Strategien zu verhindern
       – inklusive Drohungen. Die Recherchen erklären auch, warum Khan vergangene
       Woche in seiner [5][Mitteilung] forderte, dass „alle Versuche, die
       Mitarbeiter des Gerichts zu behindern, einzuschüchtern oder unangemessen zu
       beeinflussen, unverzüglich eingestellt werden“.
       
       Im Mittelpunkt der Überwachung standen den Recherchen zufolge Khan und
       dessen Vorgängerin Fatou Bensouda. Geheimdienste überwachten demnach Khans
       Kommunikation routinemäßig. Bensouda soll sogar Drohungen erhalten haben,
       mit dem Ziel, dass sie ihre Ermittlungen nicht weiterverfolgt.
       
       Ex-Mossad-Chef Yossi Cohen hat ihr [6][laut Guardian] gedroht: „Sie wollen
       nicht in Dinge verwickelt werden, die Ihre Sicherheit oder die Ihrer
       Familie gefährden könnten.“ Bensouda hatte 2021 offiziell Ermittlungen zu
       Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten eingeleitet, zuvor aber
       bereits jahrelang Vorermittlungen geführt.
       
       Das Interesse galt auch palästinensischen Zeugen 
       
       Im Visier hatten die Dienste aber nicht nur große Fische. Dutzende
       Palästinenser*innen, UN-Mitarbeitende und IStGH-Personal sollen
       überwacht worden sein. Besonders sticht hervor, dass das Interesse auch
       Palästinenser*innen galt, die für den Gerichtshof Zeugenaussagen
       machten. Zudem standen palästinensische NGOs, die dem IStGH Informationen
       lieferten, im Fokus. Dabei handelt es sich um einige der [7][NGOs, die
       Israel 2021 als Terrororganisationen listete].
       
       An der Kampagne beteiligt waren den Recherchen zufolge mehrere israelische
       Geheimdienste: der Armee-Geheimdienst, der Inlandsgeheimdienst Shin Bet und
       der Auslandsgeheimdienst Mossad. Die Recherchen basieren laut +972 auf
       Interviews mit Geheimdienstler*innen und Regierungsbeamt*innen
       sowie ehemaligen Mitarbeitenden des IStGH und Diplomat*innen.
       
       Ein weiteres interessantes Detail der Recherchen ist, dass die
       Überwachungskampagne nicht allein vom Sicherheitsapparat aus ging. Im
       Gegenteil: Laut +972 hat sich Netanjahu persönlich sehr für die Kampagne
       interessiert und den Geheimdienstteams sogar Anweisungen für die
       Überwachung von IStGH-Mitareitenden gegeben. Eine Quelle soll gesagt haben,
       Netanjahu sei „besessen“ gewesen, herauszufinden, welche Materialien der
       IStGH erhalten habe.
       
       Netanjahus Büro erklärte, die Berichte enthielten „viele falsche
       Anschuldigungen, die Israel schaden sollen“. Das Magazin +972, das in den
       letzten Wochen mit [8][exklusiven Recherchen] für Schlagzeilen gesorgt hat,
       war 2018 Gegenstand einer Beschwerde Israels gegenüber Deutschland gewesen.
       In einem [9][Schreiben, das die taz bekanntmachte], hieß es, die Förderung
       von +972 durch die Heinrich-Böll-Stiftung widerspreche israelischen
       Interessen. Mittlerweile fördert die Stiftung das Magazin nicht mehr,
       pflegt aber eine partnerschaftliche Beziehung.
       
       Internationale Justiz bereitet Israel Sorgen 
       
       Der [10][IStGH hat 2021 Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in den
       palästinensischen Gebieten eingeleitet]. Dabei ging es anfangs unter
       anderem um den israelischen Militäreinsatz in Gaza 2014, aber auch um
       mögliche Verbrechen seitens palästinensischer Akteure. Die Kämpfe damals
       dauerten 50 Tage, 2.250 Palästinenser*innen und mehr als 70 Israelis
       wurden getötet. Amnesty International warf beiden Seiten Kriegsverbrechen
       vor.Israel erkennt den IStGH nicht an, Palästina ist aber seit 2015
       Vertragsstaat.
       
       Die Recherchen zeigen, welche Sorgen die internationale Justiz der Führung
       in Israel bereitet, wo man offenbar der Ansicht ist, mit der Bedrohung
       durch radikale palästinensische Gruppen und ihren internationalen
       Unterstützern nicht im Rahmen des Völkerrechts fertig zu werden.
       
       Die palästinensische Führung und NGOs setzen zunehmend auf internationales
       Recht. Die jüngsten Entwicklungen seit Beginn des Gazakriegs – etliche
       Klagen vor dem IStGH und dem Internationalen Gerichtshof (IGH) – dürften
       sie darin bestärken. Israel wirft der palästinensischen Seite daher
       „lawfare“ vor: Internationales Recht werde instrumentalisiert, um Israel zu
       delegitimieren.
       
       29 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.972mag.com/icc-israel-surveillance-investigation/
   DIR [2] https://www.972mag.com/
   DIR [3] https://www.mekomit.co.il/
   DIR [4] https://www.theguardian.com/us
   DIR [5] https://www.icc-cpi.int/news/statement-icc-prosecutor-karim-aa-khan-kc-applications-arrest-warrants-situation-state
   DIR [6] https://www.theguardian.com/world/article/2024/may/28/israeli-spy-chief-icc-prosecutor-war-crimes-inquiry
   DIR [7] /Israels-Vorstoss-gegen-NGOs-in-Palaestina/!5806472
   DIR [8] https://www.972mag.com/lavender-ai-israeli-army-gaza/
   DIR [9] /Schreiben-liegt-der-taz-exklusiv-vor/!5553564
   DIR [10] /Kriegsverbrechen-im-Nahostkonflikt/!5755833
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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