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       # taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Wahl-O-Mat
       
       > Schon jetzt kann jederzeit gewählt werden – im Briefwahllokal. Ein
       > Abenteuer für sich. Mit Kugelschreiber und manchen dummen Fragen.
       
   IMG Bild: Vorstellung des Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2025
       
       Ich war schon wählen! Das geht nämlich auch vorher, per Briefwahl. Wobei
       ich den Brief gleich dort abgegeben habe, wo ich die Wahlunterlagen
       erhalten habe. Im Briefwahllokal, sozusagen.
       
       Das Briefwahllokal war ein recht gediegenes Gebäude, das zahlreiche
       Bürgerämter beinhaltete, kurzum, es war ein Rathaus. Vielerlei Lampen
       bestrahlten ein geräumiges Treppenhaus, alles war gut ausgeschildert, es
       gab keine Schlangen. Ich musste nicht einmal eine Wartenummer ziehen.
       
       Eine freundliche Beamtin wies mich an, hielt mich aber entweder für
       begriffsstutzig oder war es gewohnt, dass Leute dumme Fragen stellten. Ich
       stellte dann auch ein paar: Zum Beispiel die, ob es in der Wahlkabine einen
       Kugelschreiber gebe. Ja, den gab es.
       
       Ich darf hier selbstverständlich nicht näher beschreiben, was in dieser
       Wahlkabine dann vor sich ging, schließlich gibt es ein Wahlgeheimnis. Doch
       so viel sei verraten: Es gab nur eine Wahlliste, die ich breit
       auseinanderfaltete, um zu schauen, was sich so alles anbot. Und ja, die
       Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung stand tatsächlich auf der
       Liste, diese Partei ist kein Scherz, sie meint es ernst. Gewählt habe ich
       sie aber nicht.
       
       Mein Kreuz trug ich woanders ein; was ungefähr den Vorgaben des
       Wahl-O-Maten entsprach, den ich vorher befragt hatte. Dessen Ergebnis war
       überraschend eindeutig – die Partei für schulmedizinische
       Verjüngungsforschung lief ferner unter ferner liefen. Ich faltete
       umständlich den einen Zettel in den einen Umschlag und dann den Umschlag
       mit dem zweiten Zettel, der irgendwas bestätigte, in den finalen zweiten
       Umschlag, den ich dann nach Austritt aus der Kabine in den
       Briefwahlbriefkasten warf, der aussah wie eine normale Wahlurne, fertig.
       
       Gar nicht so schwer, das Wählen. Obwohl, das vorletzte Mal, als ich in
       Berlin gewählt habe, das war schon etwas komplizierter. Wenn ich mich nicht
       falsch erinnere, gab es da nicht weniger als fünf Zettel, die man irgendwie
       falten und in irgendwelche Umschläge hinein … Kein Wunder, dass die Wahl
       teilweise wiederholt werden musste; draußen standen die Leute schon
       Schlange.
       
       Aber es kommt nicht auf den Vorgang an sich an, sondern auf den Inhalt.
       Also auf das, was man wählt, nicht auf das Wie. In meiner
       Ausweichwahlheimat Österreich zum Beispiel zeigen Schiebermützen eine
       gewisse Linksausrichtung an, daran kann man sich grob orientieren, während
       die bürgerlich-ökologische Mitte eher görenhafte junge Frauen in ihre Mitte
       stellt, die Politik als Seifenoper in bitchy zu verstehen scheint.
       
       Die Sozialdemokraten sind erstaunlicherweise noch links, was ihnen aber
       genauso erstaunlicherweise weder jemand krumm nimmt noch gutrechnet,
       während „eine Stadt nach der anderen an die Kommunisten fällt“, wie es ein
       Freund so freundlich ausgedrückt hat. Ein schönes Land, wären da nur nicht
       all die Rechten. Aber die gibt es hierzulande ja auch.
       
       30 May 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
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