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       # taz.de -- Rassistisch grölende Studentin auf Sylt: Uni entscheidet über Rauswurf
       
       > Eine der Sylt-Rassist*innen studiert an der Hamburger Hochschule für
       > Angewandte Wissenschaft. Ihre Exmatrikulation wird aktuell geprüft.
       
   IMG Bild: Ob die Studentin hier auch dabei war? Verfassungsschutzleiter Torsten Voß bei einer Veranstaltung in der HAW im Januar 2020
       
       Hamburg taz | Auf Instagram äußerte sich Hamburgs Hochschule für Angewandte
       Wissenschaft (HAW) zum weiteren Verfahren „bezüglich des rassistischen
       Videos“. Denn [1][wie die Medien berichteten], ist jene junge Frau, die an
       Pfingsten in der „Pony-Bar“ auf Sylt ihr gut gelauntes Gesicht in die
       Kamera hielt und [2][„Ausländer raus“ sang], dort Studentin. Sie erhält nun
       zwei Monate Hausverbot, auch für Lehrveranstaltungen, schreibt die
       Hochschule. Außerdem werde auf Grundlage des Hamburgischen
       Hochschulgesetzes (HambHG) ein Exmatrikulationsverfahren geprüft.
       
       „Die Exmatrikulation ist ein ultimativer Schritt, der über die Zukunft
       eines Menschen entscheiden kann“, erklärte die Präsidentin der HAW, Ute
       Lohrentz, als sie sich tags drauf in einer [3][E-Mail an alle
       Hochschulangehörigen] wandte. Deshalb sehe das Gesetz vor, dass ein
       Exmatrikulationausschuss sorgfältig prüft, ob so ein Verfahren eingeleitet
       wird. Sprich: Es kann auch sein, dass dieser Ausschuss, der am Montag
       erstmals tagen soll und an dem auch ein Studierender aus den Gremien der
       HAW teilnimmt, die Sache noch abbläst.
       
       Rechtsradikale und rassistische Vorfälle, so Lohrentz weiter, passierten in
       der Mitte der Gesellschaft, „und auch an unserer Hochschule“. Deshalb rufe
       sie Studierende und Beschäftigte dazu auf, gemeinsam dafür zu sorgen, dass
       die HAW Hamburg eine weltoffene und tolerante Hochschule bleibt. Wie ein
       Sprecher der HAW mitteilt, schickte die Präsidentin zudem per Mail ein
       Gesprächsangebot an die Studierende.
       
       Die drohende Exmatrikulation ist nicht die erste Reaktion, die diese zu
       spüren bekommt. Schon vor Tagen soll sie [4][ihren Job als Assistentin
       einer Influencerin] verloren haben. Rechtlich ist beides strittig, wenn es
       um Aktivitäten in der Freizeit geht.
       
       ## Paragraf für Zwangexmatrikulation politisch umstritten
       
       Der hier zur Anwendung stehende Paragraf 42, Absatz 3, Nummer 3 des HambHG
       besagt, dass Studierende zwangsexmatrikuliert werden können, wenn sie ihrer
       Hochschule durch „schweres schuldhaftes Verhalten Schaden“ zufügten. Der
       Paragraf wurde 2003 unter der rechtspopulistischen CDU-FDP-Schill-Regierung
       eingeführt und führte zu Protesten, da befürchtet wurde, dass man so
       Studierende für kritische Äußerungen bestraft. Der damalige parteilose
       Wissenschaftssenator Jörg Dräger beharrte darauf, sagte aber zugleich, er
       überlasse es den Hochschulen in ihrer Eigenständigkeit, mit dem Paragrafen
       „verantwortungsvoll umzugehen“.
       
       Die [5][Mopo zitiert nun] den auf Hochschulrecht spezialisierten
       Rechtsanwalt Arne-Patrik Heinze mit der Einschätzung, die HAW hätte gute
       Chancen. Die Eindrücke aus dem Video könnten vertretbar als Verstoß gegen
       die freiheitlich demokratische Grundordnung eingestuft werden. Das wiederum
       könne die Hochschule als „schweres, schuldhaftes Fehlverhalten“ bewerten.
       Dabei gehe es um das Recht der Hochschule, ihren Ruf vor Schaden zu
       bewahren. Das Verhalten der Studentin könne den geregelten Ablauf der
       Hochschule beeinträchtigen, etwa, wenn ausländische Studierende sich durch
       die Parolen bedroht fühlten oder es zu Unruhen an der Hochschule komme.
       
       In einem etwas ähnlich gelagerten Fall hat die Universität Hamburg kürzlich
       anders reagiert. Das [6][Hamburger Abendblatt fand heraus], dass der junge
       Mann, der Ende April auf dem Hamburger Steindamm eine Demo für ein Kalifat
       anmeldete, Lehramt an der Uni Hamburg studiert. Er gilt als Kopf der
       extremistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“. Und auch seine Forderungen
       stehen im Kontrast zur demokratischen Grundordnung.
       
       Gefragt, ob die Uni einen Anlass sehe, so jemanden zu exmatrikulieren,
       sagte ein Sprecher, der Uni-Hamburg es seien „keine relevanten Vorfälle im
       universitären Kontext im Zusammenhang mit dieser Person bekannt, die eine
       Prüfung einer Exmatrikulation veranlassen“. Die Uni habe keinen Einfluss
       auf private Äußerungen ihrer Studierenden in sozialen Medien. „Was
       außerhalb des universitären Kontexts passiert, ist auch außerhalb der
       Einflusssphäre der Universität, das ist Aufgabe für Polizei und Justiz“, so
       der Sprecher.
       
       Der auch auf Hochschulrecht spezialisierte [7][Rechtsanwalt Joachim
       Schaller] sagt, ihm sei aus den letzten Jahren kein Fall bekannt, bei dem
       an der HAW oder einer anderen Hamburger Hochschule ein Studierender wegen
       Schädigung seiner Lehranstalt zwangsexmatrikuliert wurde. „Ich halte diesen
       Paragrafen auch in diesem Fall nicht für einschlägig“, sagt Schaller zur
       taz. Was eine Studierende in ihrer Freizeit tue, habe mit der Hochschule
       gar nichts zu tun.
       
       Auch zwei Monate Hausverbot hält er für die junge Frau für fraglich, „weil
       sie nichts an der Hochschule getan hat“. Schaller, der seit Jahren in
       Hamburg studentische Asten berät, hält generell nichts von
       Ordnungsrechtsparagrafen im Hochschulgesetz. „Wenn an Hochschulen etwas
       passiert und es Konflikte gibt, reicht das Hausrecht der Hochschulleitungen
       vollkommen aus.“
       
       Studierende verfügten über ein Rechtsverhältnis mit ihrer Hochschule und
       über eine „gewaltige Rechtsposition“, [8][zitiert der Spiegel] auch die
       Wiesbadener Verwaltungsrechtlerin Sibylle Schwarz. Dieses Rechtsverhältnis
       zu kündigen, sei nicht einfach, „auch dann nicht, wenn Studierende auf
       Videos in ihrer Freizeit rassistische Parolen singen“. Die HAW habe durch
       die Berichterstattung möglicherweise einen Reputationsschaden erlitten. Im
       vorliegenden Fall sei die Studentin aber erst durch Verbreitung des Videos
       als solche identifiziert worden. „Das Singen auf Sylt hat erst mal nichts
       mit der Hochschule zu tun“, so die Juristin. Anders wäre es bei einer Party
       auf dem Uni-Gelände.
       
       Für Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) bedeutet die
       von Schwarz-Gelb-Schill geerbte Rechtslage, dass sie sich ganz raushalten
       kann. Ob und wie viele Zwangsexmatrikulationen es gab, kann ihre Behörde
       nicht sagen, das würde „nicht gemeldet“, so ihre Sprecherin. Das Gesetz
       mache Zwangsexmatrikulationen möglich, die individuelle Anwendung und die
       Bewertung einzelner Fälle unterliege „der Hochschulautonomie“.
       
       30 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rechtsextreme-Gesaenge-auf-Sylt/!6012559
   DIR [2] /Verbot-des-Songs-Lamour-toujours/!6010287
   DIR [3] https://www.haw-hamburg.de/detail/news/news/show/gemeinsam-fuer-eine-weltoffene-tolerante-hochschule/
   DIR [4] /Rechte-Reiche-im-rassistischen-Video/!6012658/
   DIR [5] https://www.mopo.de/hamburg/auslaender-rausquot-rufe-auf-sylt-hamburger-uni-prueft-rauswurf-von-studentin/
   DIR [6] https://www.abendblatt.de/hamburg/politik/article242066946/Hamburger-Top-Islamist-studiert-an-der-Uni-auf-Lehramt-1.html
   DIR [7] /Studienplaetze-vom-Staat/!5052788
   DIR [8] https://www.spiegel.de/start/sylt-was-droht-studierenden-die-rechte-parolen-groelen-a-ca55b357-eea3-4043-8e46-984a099cc686
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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