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       # taz.de -- Kinotipps für Berlin: Der Lauf eines Lebens
       
       > Eine Dokumentation würdigt Charles Aznavour, das Zeughauskino zeigt den
       > Feiertagsklassiker „Sissi“ und das Babylon Mitte noch einmal „Mars
       > Attacks!“.
       
   IMG Bild: „Aznavour by Charles!, (2024)
       
       Im klassischen TV ist die Mitte der 1950er Jahre entstandene
       österreichische Produktion „Sissi“ der am gefühlt häufigsten gespielte Film
       an Feiertagen. Kaum ein Weihnachten vergeht, ohne dass die noch jugendliche
       Romy Schneider in der Rolle als bayerische Prinzessin, die durch die Heirat
       mit ihrem Cousin Franz Joseph zur österreichischen Kaiserin avanciert, über
       die Bildschirme flimmert.
       
       Dass die Popularität des einstigen Kassenschlagers auch fast 70 Jahre
       später noch derart nachwirkt, ist schon erstaunlich. Natürlich ist „Sissi“
       ein Produkt seiner Zeit: eine ordentliche Menge romantischer royaler
       Schmus, gepaart mit Alpenidylle und filmhandwerklichem Können. Für
       Realitätssinn blieb kein Platz. Vor allem aber bietet der Film natürlich
       das „Traumpaar“ Schneider und Karlheinz Böhm, denen die Emanzipation von
       ihren Rollen später gewaltig schwer wurde (und schwer gemacht wurde).
       
       Auch in dieser Hinsicht wirkte „Sissi“ ausdauernd nach. Heute schaut man
       sich den Film am besten im Hinblick auf die sehr unterschiedlichen
       „Sissi“-Bilder und -Fantasien an, zu denen die Kaiserin
       Filmemacher:innen über die Jahrzehnte hinweg immer wieder inspiriert
       hat. Auch Schneider selbst verkörperte Sisi (wie die Kaiserin sich selbst
       nannte) ja noch einmal: als vom Hofleben desillusionierte Frau in Luchino
       Viscontis „Ludwig II.“ (19. 5., 17.30 Uhr, [1][Zeughauskino]).
       
       Charles Aznavour war schon zu Lebzeiten eine Legende, als Chansonnier
       ebenso wie als Kino- und Fernsehstar. Jahrzehntelang erlebte das Publikum
       den französisch-armenischen Entertainer auf der Bühne und auf der Leinwand,
       man sah ihn an und vielleicht auch zu ihm auf.
       
       Doch mit welchem Blick schaute Aznavour selbst auf die Welt? Ein Jahr vor
       seinem Tod 2018 mit 94 Jahren zeigte der Star dem Autor und Regisseur Marc
       di Domenico eine ganze Kammer mit 8mm- und 16mm-Filmen, die er im Lauf
       seines Lebens gedreht hatte: Straßenszenen mit fremden Menschen, Moden, die
       ihn interessierten, Erinnerungen an berufliche oder private Reisen, Szenen
       bei Dreharbeiten, Aufnahmen geliebter Frauen.
       
       Di Domenico stellte dieses Material für den Film „Aznavour by Charles“
       zusammen und ergänzte es behutsam durch einige Konzert- und Filmausschnitte
       sowie einen Off-Kommentar, der ausschließlich Interviews und persönlichen
       Aufzeichnungen Aznavours entstammt. Dazu gibt es jeweils thematisch
       passende Chansons zu hören.
       
       Herausgekommen ist ein durchaus ungewöhnliches Porträt, das sich am Blick
       des Künstlers auf die Welt orientiert. Man spürt die große Neugier, die
       Zugewandtheit zu den Menschen, das Verständnis für die kleinen Leute mit
       den großen Träumen. Und es ist auch ein Blick mit Haltung, etwa gegen den
       Algerienkrieg. Das Kino Filmkunst 66 spielt „Aznavour by Charles“ jetzt aus
       Anlass des 100. Geburtstags des Künstlers am 20. Mai (20. 5., 12 Uhr,
       [2][Filmkunst 66]).
       
       In einer kleinen Reihe mit Science-Fiction-Filmen, die das Babylon Mitte
       bis zum 22. Mai zeigt, stellt Tim Burtons „Mars Attacks!“ den satirischen
       Aspekt des Themas sicher: In Anlehnung an die naiven Alienfilme der 1950er
       Jahre schuf er eine frenetische Farce um kleine grüne Marsmännchen in
       fliegenden Untertassen, die sich – ausgesprochen fies gesinnt – daran
       machen, die Erde zu kolonisieren.
       
       Ein schmieriger amerikanischer Präsident (Jack Nicholson) ist da ebenso
       machtlos wie das Militär, und die Medien sind auch nur auf spektakulären
       Rummel aus. Die Rettung der Erde wird schließlich zufällig entdeckt:
       Hillbilly-Countrymusik (17. 5., 20.30 Uhr, [3][Babylon Mitte]).
       
       16 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/vorfuehrung/sissi-11467/
   DIR [2] https://www.filmkunst66.de/programm
   DIR [3] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/scifi/7188-scifi-mars-attacks
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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