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       # taz.de -- Die Wahrheit: Kätzchen Krah
       
       > Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl ändert seine
       > Medienstrategie und erscheint jetzt nur noch als süßes kleines Tierchen.
       
   IMG Bild: Von Faschisten missbrauchte Symbolkatze
       
       „Verharmlosen Sie die Verbrechen der SS, Herr Krah?“, fragt die
       Moderatorin, aber der Europawahl-Spitzenkandidat der AfD ist abgelenkt.
       Fasziniert folgen seine Augen dem hin und her pendelnden Mikrofonkabel,
       beinahe hypnotisiert wirkt der extrem rechte, aber auch extrem putzige
       Politiker.
       
       „Sind Sie Nationalsozialist?“, bohrt die Journalistin nach, dann entgleisen
       ihre Gesichtszüge. „Oder ein entzückendes Kätzchen?“
       
       Maximilian Krah maunzt zustimmend, er ist ein Kätzchen.
       
       Auch das Publikum in der vollbesetzten Mehrzweckhalle, in die eine
       Lokalzeitung schon vor Monaten zum Gespräch mit dem AfD-Politiker geladen
       hatte, verzichtet daraufhin auf kritische Nachfragen, stattdessen wandert
       der Rechtsextreme von Arm zu Arm. „Ich fühle mich emotional extrem
       missbraucht“, bekennt ein Gegendemonstrant, den es zwischen Antifaschismus
       und Tierliebe zerreißt.
       
       Um das Auftrittsverbot zu umgehen, das der AfD-Vorstand gegen den eigenen
       Spitzenkandidaten verhängt hat, lässt sich Maximilian Krah bei öffentlichen
       Terminen jetzt von einem Kätzchen doublen.
       
       Während der kaltgestellte Kandidat aus der Deckung agiert und mit
       skandalösen Äußerungen wie zuletzt in der italienischen Zeitung La
       Repubblica die Grenzen des Sagbaren in Richtung 1933 verschiebt, soll sein
       flauschiger Avatar für Sympathiewerte sorgen. Das Kalkül könnte aufgehen.
       
       „Inhaltlich stimmen Wähler extremen Aussagen oft zu“, erklärt
       Politikwissenschaftlerin Julia Goltran. „Gleichzeitig werden sie ungern
       daran erinnert, dass sie Faschisten wählen. Und gegen Katzen-Content ist
       die wehrhafteste Demokratie machtlos.“
       
       Was zunächst wie eine Verzweiflungstat eines unhaltbaren Kandidaten wirkte,
       könnte Zukunftspotenzial haben. Musste AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla
       bisher allein in Talkshows sitzen, um mit Dackelblick und treuherzigen
       Beteuerungen die Entgleisungen seiner Parteifreunde aus der Welt zu
       winseln, könnte er sich künftig auf harmlos wirkende Avatare verlassen.
       „Die Brandmauer dürfte noch weniger halten“, schwant Goltran, „wenn sich
       Beatrix von Storch von einem Küken repräsentieren lässt.“
       
       Auch AfD-Europalistenzweiter Petr Bystron, gegen den wegen Bestechlichkeit
       ermittelt wird, tritt wieder in Erscheinung. Als Platzhalter kann er
       bislang zwar nur eine alte Matroschka-Puppe aufbieten, doch auch die dürfte
       das Original in der Wählergunst überflügeln.
       
       Angeblich kursiert ein Vorschlag, das durchweg problematische
       Spitzenpersonal der AfD komplett durch Maskottchen zu ersetzen. Marine Le
       Pen soll es zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit der Partei gemacht
       haben.
       
       Immerhin gilt die französische Rechtsaußenpopulistin selbst als
       Kunstgeschöpf. Als furchteinflößende Rechtsradikale ins Frankensteinlabor
       ihrer Public-Relations-Strategen eingewiesen, entstieg sie ihm im Habitus
       einer bürgerlichen Präsidentschaftsanwärterin.
       
       24 May 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Bartel
       
       ## TAGS
       
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