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       # taz.de -- Dominikaner über das Klosterleben: „Ich habe keine Angst vor Pöbelei“
       
       > Pater Laurentius Höhn ist Dominikanermönch und weiß, dass die Kirche
       > schwere Fehler gemacht hat. Verstecken will er seine Ordenskleidung aber
       > nicht.
       
   IMG Bild: Pater Laurentius im Innenhof seines Ordens in Vechta
       
       taz: Herr Höhn, als es um das Foto von Ihnen ging, sagten Sie: Ich komme in
       Zivil und packe mein Habit, also die Ordenskleidung, in die Tasche. Sind
       Sie ungern im Habit in der Öffentlichkeit? 
       
       Laurentius Höhn: Ich persönlich nicht, aber ich weiß zu unterscheiden, dass
       es Momente gibt, wo der Habit unpraktisch ist oder wo er abschrecken kann.
       Aber ich trage jetzt seit über 36 Jahren diesen Habit und ich trage ihn
       gern. Ich habe auch keine Angst, dass ich angepöbelt werde.
       
       Das war die Frage, die ich nicht so direkt stellen wollte. 
       
       Nein, ich habe da keine Angst. Ein Berliner Mitbruder, der viel Habit
       trägt, sagte, es sei dort überhaupt kein Problem: Man würde da schon mit
       Imamen verwechselt und allein deshalb nicht beargwöhnt. Der Code ist nicht
       mehr bekannt. Ich meine, wer trägt heute alles einen Rosenkranz?
       
       Das heißt, Sie werden selten als Stellvertreter der katholischen Kirche
       wahrgenommen – mit all dem, was das seit einiger Zeit eben auch bedeutet? 
       
       Richtige Ablehnung habe ich noch nie erlebt. Nur einmal, das war gerade die
       Zeit, [1][als die Missbrauchsgeschichten hochkamen], war ich auf der Straße
       und wurde von einem Fenster aus als Kinderficker bezeichnet.
       
       Wie haben Sie reagiert? 
       
       Das war ja etwas feige, aus dem Fenster im zweiten Stock. Ich war
       erschrocken und bin weitergegangen. Ich bin nicht der Typ, der da den
       Disput sucht – da kann man nur verlieren, glaube ich. Ich halte mich dafür
       auch nicht souverän genug, da ist man ja schon emotional betroffen. Es gibt
       aber auch Leute, die kommen und sagen: Toll, dass es euch noch gibt. So wie
       ich im Habit auftrete, das sage ich auch meinen Novizen, repräsentiere ich
       den ganzen Orden, und wenn ich mich darin schlecht benehme, färbt das ab.
       
       Was genau repräsentieren Sie? 
       
       Ich repräsentiere eine Suche oder eine Lebensform, die ich mit Begeisterung
       immer noch mache. Es gibt auch Ernüchterung, aber es ist erst mal mein Weg.
       Ich sehe es nicht als fundamentalistische Missionierung, aber wenn Menschen
       mich seriös fragen, bin ich gerne bereit, dazu Rede und Antwort zu stehen
       oder eben auch zu werben für diesen Weg. Aber sachte.
       
       Sachte? 
       
       Die Zeit der Frontmissionare, für die außerhalb der Kirche kein Heil ist,
       ist vorbei. Wir sind in Deutschland angekommen bei 25 Prozent Katholiken
       und 25 Prozent Protestanten. Die Kirche hat mal klein begonnen, vielleicht
       wird es wieder klein enden. Aber ich glaube ja auch nicht an die Kirche,
       ich glaube an Gott. Kirche macht auch Fehler, sie macht viele Fehler
       derzeit.
       
       Welche Fehler macht sie? 
       
       Menschen in kirchlichen Strukturen haben zu lange verschleiert, dass
       Priester, Bischöfe, Amtsträger, also gerade die Männer in der Kirche, zum
       Teil kriminell mit Nähe und Distanz umgingen. Wir müssen die staatlichen
       Organe dazuholen bei der ganzen Aufklärung. Dass innerhalb der Kirchen
       versucht wurde, eigene Schutzräume aufzubauen, das kommt ganz schlecht an.
       Und vielleicht auch die Moral.
       
       Inwiefern? 
       
       Wir sind manchmal inkonsequent. Nehmen wir das Thema Homosexualität. Im
       Grunde sagt die Kirche heute, wenn sie sich auf die Naturwissenschaft als
       Trägerin von Wahrheit einlässt, dass es Menschen mit homosexueller
       Veranlagung gibt. Aber diese Menschen können es nach geltender kirchlicher
       Lehrmeinung nicht ausleben, weil ausgelebte Sexualität ihr zufolge immer
       noch auf die Weitergabe des Lebens hin orientiert ist, was natürlich
       positiv ist. Man könnte aber im Sinne Christi als dem Anwalt für
       gelingendes Leben vielleicht sagen: Die geschlechtliche Liebe kann auch
       ohne diesen Gedanken positiv bejaht werden, sonst wird dem Menschen etwas
       verweigert, was zu seiner Verwirklichung gehört. [2][Das wäre eine liberale
       Position]. Aber Konservative sagen: Das steht anders in der Bibel.
       Vertreter von Kirche und Theologie sind da in einer großen Diskussion sehr
       polarisiert. Mich überfordert dies manchmal. Ich kümmere mich um meinen
       kleinen Schrebergarten und bin mit dem ganz glücklich, auch wenn das feige
       klingen mag für manche.
       
       Ihr Schrebergarten ist die Ausbildung der Novizen, also der künftigen
       Mönche. Da nehmen Sie doch ziemlich direkt Einfluss auf die Zukunft. 
       
       Noch bis September, dann endet meine Amtszeit. Ich habe da in manchen
       Ausbildungsjahren idealistische junge Mitbrüder mitbekommen, die mit viel
       Feuer kommen und die theologisch und kirchenpolitisch anders ticken als
       ich.
       
       Nämlich? 
       
       Zum Teil konservativer, etwa was die Rolle der Frau in der Kirche angeht.
       Ich kann mir das Priesteramt der Frau durchaus theologisch gut begründet,
       wohl verstanden als Entscheidung der Kirche, nicht als revolutionären Akt,
       vorstellen. Ich bin ja nun schon 28 Jahre Priester, ich habe viele Menschen
       kennengelernt, die aus Verzweiflung die Kirche verlassen haben oder
       frustriert sind. Ich bin umsichtiger, kreativer geworden, die Botschaft an
       die Menschen zu bringen.
       
       Eigentlich läuft der Weg doch eher andersrum. 
       
       Ich glaube, es gibt beides. Es gibt einen Neokonservatismus beim
       Ordensnachwuchs und sicher auch beim Priesternachwuchs. Das ist per se auch
       in Ordnung, wenn es nicht fundamentalistisch wird. Ich bin ja auch nicht
       derjenige, der Berufung „macht“, Berufung kommt ja von Gott.
       
       Wie funktioniert der Eintritt in ein Kloster? 
       
       Zuerst kommt das Postulat, das ist ein halbes Jahr, ein erstes Mitleben in
       einem Konvent, noch ohne Habit. Dann ein Jahr Noviziat. Das
       Gemeinschaftsleben muss passen, die Novizen müssen mit den Gelübden
       klarkommen. Danach wird die Profess, also das Ordensgelübde, auf zwei Jahre
       abgelegt. Es ist noch nicht die endgültige Bindung. Zu Zeiten des Dominikus
       haben die Leute den Habit bekommen und sofort waren sie wohl für ihr Leben
       gebunden. Das ist heute nicht mehr denkbar. Die Leute, die zu uns kommen,
       werden durchgecheckt: Wir machen Präventionskurse, man muss psychologische
       Gespräche führen.
       
       Was sind das für Präventionskurse? 
       
       Das klingt jetzt wieder so verteidigend. Aber die Kirche macht ganz viel.
       Menschen, die heute in den kirchlichen Beruf gehen wollen, müssen
       Präventionskurse gegen sexuellen Missbrauch machen: Was ist das? Was gehört
       dazu? Wohin muss man sich wenden, wenn man da was feststellt bei sich oder
       bei anderen? Die Postulanten bei uns führen ein mehrstündiges Gespräch mit
       einem Psychologen oder Psychiater. Der prüft, ob es etwas Auffallendes
       gibt, und die Postulanten willigen ein, dass mir das Ergebnis mitgeteilt
       wird. Wir machen in dem Bereich sehr viel, aber die Amtskirche ist da spät
       sensibel geworden. Ich bin 1987 in den Orden eingetreten, drei Wochen nach
       meinem Abi, da gab es das alles noch nicht.
       
       Drei Wochen nach dem Abi – war das ein guter Zeitpunkt oder war das früh? 
       
       Ich bereue es nicht. Ich war fertig mit dem Abi und ich hatte auch keine
       Beziehung. Vielleicht war ich ein bisschen naiv, ich weiß noch, wie meine
       Mutter geweint hat, als ich auszog. Ich wollte Journalist werden oder
       Schauspieler oder Ordensmann – etwas mit Wort und mit Bühne, das war so
       mein Ding.
       
       War es Zufall, dass es das Kloster wurde und nicht Bühne oder Journalismus? 
       
       Weil es nicht so nach Berufung klingt? Ich war ja schon lange mit dem
       Dominikanerkloster in unserer Nachbarschaft vertraut, meine Eltern waren
       dort in der Gemeinde aktiv. Berufung geht ja auch irdische Wege über
       Menschen. Ich hatte einen sehr guten Heimatpfarrer, und das Kloster machte
       eine sehr gute Jugendarbeit. Ich war da beim „Kloster auf Zeit“ und bekam
       das Leben dort mit: dass die Leute auch mal fernsehgucken und mal ein Bier
       trinken. Dass es gottverbundene Menschen mit Ecken und Kanten sind. Wobei
       ich eine Woche nach der Einkleidung austreten wollte.
       
       Warum? 
       
       Der Habit passte nicht, ich fühlte mich fremd und nicht berufen. Dann saß
       ich in der Kapelle und bin nach fünf Minuten Stille ganz ruhig
       rausgegangen. Seitdem bin ich nie wieder an den Punkt gekommen,
       auszutreten. Ich hatte keine Erscheinung, der Heilige Geist hat mir nicht
       als Taube ins Ohr gepickt. Oder vielleicht doch irgendwie. Ich glaube fest,
       dass Gott mich diesen Weg geführt hat, aber sehr unspektakulär. Es ist ja
       sicher nicht einfach so ein Fingerschnipp, „Laurentius, komm“ gewesen, das
       heißt, da hieß ich ja noch Stefan. Bis zur ewigen Profess hat es bei mir
       sieben Jahre gedauert.
       
       Waren Sie unsicher, ob es der richtige Weg ist? 
       
       Man hat natürlich im Studium wieder viele Leute kennengelernt, auch
       Theologinnen. Doch zu unserem Gelöbnis gehört, dass ich auf Familie
       verzichte, ich verzichte auch auf gelebte Sexualität. So etwas muss man
       prüfen.
       
       Was haben Sie noch gelobt? 
       
       Gehorsam und Armut. Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt. Als ich in den
       Orden eintrat, gab’s plötzlich für mich fast täglich Nachtisch und
       Vorsuppe, das war neu für mich, da bin ich materiell quasi aufgestiegen. In
       meinem Noviziatsjahrgang war ein Hotelierssohn, der ist vom Materiellen
       her eher abgestiegen. Gehorsam ist gelegentlich auch etwas Schweres: dass
       ein anderer mir sagt, ich möchte jetzt, dass du das machst. Ich bin gerade
       in dieser Situation, weil ich jetzt eine neue Stelle bekomme.
       
       Können Sie Wünsche äußern? 
       
       Ja, ich kann zum Beispiel sagen, dass ich gerne an einem ganz anderen Ort
       oder im Ausland tätig sein will. Wir reden von dialogischem Gehorsam. Da
       gibt es zwei Lösungen: Man kann sehr hartnäckig sein oder – was einfacher
       für den Oberen ist – einer Entscheidung nach gegenseitigem Zuhören
       zustimmen, auch wenn das vielleicht nicht hundertprozentig der eigenen Idee
       entspricht, aber vielleicht dem Willen Gottes.
       
       Ist das nicht eine Zumutung? 
       
       Man muss im Ordensleben viel mit Verzicht umgehen können, Verzicht aber
       nicht als Strafe Gottes, sondern als Freiheit, etwas anderes zu tun. Das
       ist ja auch die Begründung fürs Zölibat der Weltpriester: Ich heirate
       nicht, ich kümmere mich nicht um eine Familie, damit ich freier sein kann
       für die Verkündigung an viele Menschen. Sicherlich gibt es ebenfalls gute
       Gründe, um zu überlegen, den Zölibat, den es ja nicht immer gab, auf
       freiwillige Basis zu stellen.
       
       Was ermöglicht Ihnen diese Lebensform Kloster? 
       
       Dass wir uns gegenseitig auch bestärken, Sozialkontrolle im guten Sinne.
       Ich verzichte auf Partnerschaft, aber ich verzichte nicht auf Gemeinschaft.
       Früher haben wir mal gesagt, Kloster kommt von claudere, abgeschlossen.
       Heute sagen wir eigentlich: Konvent, von convenire, einem Zusammenkommen
       mit Mitbrüdern, die ein gleiches Ideal wie ich probieren zu leben, und das
       bestärkt mich total.
       
       Aber Sie entscheiden nicht selbst, mit wem Sie da zusammenleben. 
       
       Genau, und es ist auch keine Freundesclique. Ich würde sagen, ich habe
       Freunde, aber ich habe keinen Freund im Orden. Das mag hart klingen, ist
       aber gar nicht schlimm. Es gibt auch Menschen, mit denen ich mehr über
       meinen Glauben rede als mit Mitbrüdern. Wir sind manchmal eine heilige,
       aber sehr nüchterne Zweckgemeinschaft.
       
       Eine alternde Zweckgemeinschaft. 
       
       Ich bin jetzt auch langsam schon im höheren Segment gelandet, hier im Haus
       bin ich jetzt der zweitälteste Profess. Wir haben hier in Vechta noch einen
       ganz guten Altersdurchschnitt, aber klar, es gibt viele Gemeinschaften, wo
       man mit Mitte 50 die Jugend ist. Wir Dominikaner sind weltweit versetzbar.
       Wenn bei uns mal ein Kloster schließen muss, dann werden wir woanders
       hingehen, dann werde ich in einem anderen Land oder einer anderen Stadt
       leben. Ich bin ein Wandermönch, das ist mein zehntes Kloster hier. Ab
       Herbst werde ich ein Sabbatical in Frankreich machen, danach werde ich
       wieder meine Koffer packen. Das ist irgendwann natürlich anstrengend, weil
       man nicht jünger wird.
       
       Das religiöse Leben ist keine Gleichung von Minus und Plus, aber trotzdem
       gefragt: Was gewinnen Sie durch den Verzicht auf eine bestimmte Art von
       Bindung? 
       
       Schon eine neue Freiheit, das ist nicht nur eine Floskel. Ich habe keine
       Familie, meine Eltern sind gestorben, ich habe nur noch meinen Bruder. Ich
       habe Zeit, mich mit dem Evangelium auseinanderzusetzen und zu überlegen,
       wie kann ich diese Botschaft an diese Welt weitergeben? Ob das immer
       gelingt, ist eine andere Frage. Ich habe hier einen Gesprächskreis
       angefangen, Bonhoeffer und der Krieg, und dafür fünf Stühle zu Beginn
       aufgestellt. Es kamen 26 Leute.
       
       Tatsächlich sind Sie so beschäftigt, dass es nicht so leicht war, einen
       Gesprächstermin zu finden. 
       
       Ja, ich bin manchmal ein bisschen hektisch. Wenn man Spaß daran hat, etwas
       anzubieten, kann man auch mal in die Schnappatmung fallen. Ich merke, dass
       ich manchmal zu wenig kontemplativ bin, mir nicht eine halbe Stunde nehme,
       mich still hinzusetzen und zu betrachten. Der große Mystiker Meister
       Eckhart hat in etwa gesagt: Weg mit den Bildern! Die weiße Wand bringt dir
       mehr als 1.000 Ikonen. Aber ich schau mir lieber die Ikonen an als die
       weiße Wand.
       
       Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen, ist der stark durchgetaktet? 
       
       Ich stehe um sieben auf, dann gibt es das Morgengebet, und danach kommt die
       Tätigkeit. Bei mir ist das meistens Unterricht für die Novizen, dann
       Mittagsgebet und das Mittagessen. Danach Siesta und dann freies Tun, also
       studieren oder etwas ausarbeiten oder für Termine unterwegs sein, und dann
       ist abends die Messe, Abendgebet und danach Abendbrot. Manchmal sitzen wir
       noch zusammen und trinken ein Glas oder sehen einen Film. Das sind die
       Fixpunkte, geistlich und kulinarisch, aber dazwischen gibt es viel
       Freiheit. Das ist für die Novizen auch spannend, die müssen sich selbst
       organisieren. Ich sage dann immer: Guckt, dass ihr etwas für euren Körper
       tut, macht Sport, und guckt, wie ihr euer Studium organisiert.
       
       Was ist für Sie wichtig ihnen beizubringen? 
       
       Dass sie nicht falsch idealisieren, dass sie nicht eine Momentaufnahme
       absolut setzen. Nur Gott ist absolut. Wir Menschen sind gebrechlich und
       verwundbar. Die Novizen sollen schon moralisch denken, aber nicht zu eng.
       Die Liebe kommt vor der Moral. Sie sollen auch lebenstauglich sein. Früher
       war die Klosterküche tabu, wir waren da nur zum Abwaschen nach dem Essen.
       Jetzt sollen sie kochen können und wissen, was ein Pfund Kartoffeln kostet.
       
       Wie sehr hat sich das Noviziat verändert, seitdem Sie selbst Novize waren? 
       
       Wir hatten nur zweimal die Woche Ausgang, das klingt jetzt fast wie
       Knastrunde. Ich habe das gut überlebt. Aber die Novizen dürfen jeden Tag
       raus und müssen auch nicht Bescheid sagen. Ich gehe nie in deren Zimmer,
       wir treffen uns an einem neutralen Ort zum Gespräch. Und noch eins: Hier in
       Vechta ist ja gerade Daniela Klette, die mutmaßliche Terroristin, in Haft.
       Ich bin geprägt von der RAF-Zeit, natürlich kenne ich Schleyer und
       Mogadischu. Wenn ich das den Novizen erzähle, gucken sie mich mit großen
       Augen an. Aber ich denke, wir leben auch immer mit der Geschichte und es
       ist mir für die Novizen wichtig, dass wir Geschichte würdigen und uns in
       Beziehung zu ihr setzen, eine Haltung zu ihr einnehmen. Ich stand mal bei
       den Kartäusern als Wanderer vor der Tür, da las ich am Eingangstor: „Wir
       Mönche beten für euch, deswegen könnt ihr uns nicht besuchen.“ Ich
       respektiere das, aber es ist nicht meine Botschaft.
       
       Was ist denn Ihre Botschaft? 
       
       Wir beobachten die Zeit, die ist, und hoffen, dass wir sie glaubwürdig und
       gottesfürchtig mitgestalten oder kritisieren können. Wenn der Papst sagt,
       der Raubtierkapitalismus tötet, dann kann das ein ökologisch gesinnter
       Mensch unterschreiben, sofort. Die Metaphysik ist das eine, aber es gibt ja
       auch eine Gestaltung hier auf Erden. Jesus hat in einem patriarchalen
       System gelebt, aber er ist ganz neu umgegangen mit denen, die am Rand
       standen.
       
       Gerade wird oft über die Orden geschrieben, dass mit ihnen eine
       jahrtausendelange Tradition zu Ende geht. 
       
       Es gibt einige Orden, denen es sehr schlecht geht. Orden waren früher nicht
       selten ein Aufstiegssystem. Doch das System der Wohlfahrt oder der Bildung
       ist heute völlig säkularisiert, das muss nicht mehr im Orden geschehen. Bei
       uns sind die Zahlen auch gesunken, aber ich glaube nicht, dass der Orden zu
       Ende ist, bevor ich sterbe. Wir denken manchmal ein bisschen zu
       eurozentrisch, zu deutsch. In Vietnam ist der meiste Ordenssachwuchs von
       uns Dominikanern. Die katholische Kirche wächst nicht in Deutschland, aber
       sie wächst weltweit Und die vielzitierte „Volkskirche“ – was meint dieses
       Wort eigentlich genau?
       
       Und? 
       
       Volkskirche heißt, das Volk ist getauft. Aber praktiziert es deswegen
       seinen Glauben im Kirchgang? Im 19. Jahrhundert sind viele Menschen aufs
       Feld gegangen, die waren auch nicht alle sonntags in der Kirche. Wir haben
       manchmal so eine, gerade auch von rechten Parteien betonte Erwartung, dass
       früher alles besser war, auch im Glauben. Aber das ist Quatsch mit Soße.
       Jede Zeit ist gleich nah zu Gott.
       
       5 Jun 2024
       
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