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       # taz.de -- Ramaphosa vs. Zuma: Südafrikas 30-jähriger Krieg
       
       > Seit dem Ende der Apartheid bestimmt die Rivalität zwischen Jacob Zuma
       > und Cyril Ramaphosa Südafrikas Politik. Nun könnte sie entscheidend
       > werden.
       
   IMG Bild: Südafrikas Präsident und ANC-Chef Cyril Ramaphosa hält in der vergangenen Woche seine Wahlkampf-Abschlussrede in Johannesburg
       
       Berlin taz | Nach den Wahlen hängt Südafrikas Zukunft vom Ausgang des
       Machtkampfs zweier Männer ab: [1][Cyril Ramaphosas], des Staatschefs, der
       die regierende ehemalige Befreiungsbewegung ANC (African National Congress)
       in die schwerste Wahlniederlage seiner Geschichte geführt hat; und
       [2][Jacob Zumas], Ramaphosas Vorgänger als Staatschef, der mit seiner
       erfolgreichen Parteineugründung MK (Umkhonto we Sizwe) den ANC gedemütigt
       hat.
       
       Die Geschichte des ANC seit Südafrikas Befreiung 1994 ist in großen Teilen
       die Geschichte der Rivalität zwischen diesen beiden Figuren, die
       unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch im Schicksal untrennbar
       vereint erscheinen. Als Südafrikas weiße Apartheidregierung 1990 den
       schwarzen Freiheitskämpfer [3][Nelson Mandela] aus der Haft entließ, den
       ANC legalisierte und den Prozess der Demokratisierung einleitete, war der
       damals 37-jährige Ramaphosa Südafrikas mächtigster Gewerkschaftsführer
       und neben Mandela eines der sichtbarsten schwarzen Gesichter in Südafrikas
       neuer multiethnischer Politik. Der damals 48-jährige Zuma hingegen agierte
       im Hintergrund: Nach einer langen Zeit als politischer Häftling und im
       politischen Exil war er Chef des ANC-Geheimdienstes.
       
       Zuma kam aus einfachen Verhältnissen, Ramaphosa war studierter Jurist. Zuma
       verkörperte den militärischen ANC-Untergrundkampf, Ramaphosa die
       ANC-Metamorphose zu einer politischen Partei. Beim ersten legalen
       ANC-Parteitag 1991 setzte sich Ramaphosa in einer Kampfabstimmung gegen
       Zuma als ANC-Generalsekretär durch, das wichtigste Parteiamt neben
       Parteichef Mandela. Zuma wurde Ramaphosas Stellvertreter.
       
       ## Beide waren an Massaker an Bergarbeitern nicht unbeteiligt
       
       Aber Ramaphosas Ambitionen, Mandela an der Staats- und Parteispitze zu
       beerben, erfüllten sich nicht. Er zog sich aus der Politik zurück und wurde
       zum Geschäftsmann und Multimillionär, der dank der ANC-Politik der
       gesetzlichen Bevorzugung schwarz geführter Unternehmen bald über das größte
       schwarze Firmenimperium Südafrikas regierte. Zuma hingegen stieg politisch
       auf und wurde unter Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki Vizepräsident.
       Zunehmende Vorwürfe von Affären, Vergewaltigung, HIV-Leugnung oder
       Korruption kosteten ihn 2005 zwar das Amt, aber am Ende musste auch Mbeki
       den Hut nehmen. Zuma brauchte nur die Scherben aufzusammeln, um als neuer
       ANC-Chef ab 2007 und neuer Staatschef 2009 die Führung Südafrikas zu
       übernehmen.
       
       Wie sehr der ANC bereits auf Abwege gekommen war, erwies sich 2012, als
       Südafrikas Polizei in der Stadt Marikana am helllichten Tag auf streikende
       Bergarbeiter schoss und ein Massaker mit 34 Toten anrichtete. Ramaphosa
       gehörte zu den Bergbauunternehmern, die ein hartes Vorgehen gegen die
       Streikenden gefordert hatten. Zuma führte die Regierung, die das umsetzte
       und hinterher die Bergleute selbst für ihren Tod verantwortlich machte.
       Noch im selben Jahr wurde Ramaphosa Zumas Stellvertreter.
       
       Das Marikana-Massaker markiert den politischen Bankrott des ANC. Zuma
       ruinierte dann auch den Staat. Er belohnte private Geschäftsfreunde mit
       Zugriff auf staatliche Auftragsvergaben und politische Entscheidungen
       bis hin zur Besetzung von Ministerposten. Diese auch als state capture
       bezeichnete Korrumpierung politischer Institutionen brachte ihn schließlich
       zu Fall. Sein Nachfolger wurde Ramaphosa, erst 2017 als ANC-Chef und dann
       2018 als Staatschef – die späte Erfüllung eines alten Traums.
       
       Zuma schwor Rache. Er akzeptierte die von Ramaphosa ermutigte konsequente
       Strafverfolgung seiner Korruptionsaffären nicht. Als Zuma wegen Missachtung
       der Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, führte das 2021 zu
       Südafrikas schwersten Unruhen seit Ende der Apartheid mit mehreren Hundert
       Toten. Wieder spielten Ramaphosa und Zuma die Hauptrollen in einer blutigen
       Tragödie.
       
       Zumas Rache kommt nun spät, aber umso heftiger. Mit seiner neuen Partei
       unter dem alten Namen des einstigen bewaffneten Untergrundflügels des ANC
       hat der mittlerweile 82-Jährige dem ANC die größte Niederlage seit Ende
       der Apartheid beschert. Ob der mittlerweile 71-jährige Ramaphosa sich
       halten kann, ist offen.
       
       2 Jun 2024
       
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