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       # taz.de -- Berliner SPD-Fraktionschef: Salehs letzte Bastion
       
       > Lange galt Raed Saleh als mächtigster Mann der SPD Berlin. Den
       > Landesvorsitz ist er zwar los, an der Fraktionsspitze kann er sich aber
       > behaupten.
       
   IMG Bild: Erneutes Waterloo abgewendet: Raed Saleh am Dienstag bei der SPD-Fraktionssitzung im Abgeordnetenhaus
       
       Berlin taz | Raed Saleh bleibt Vorsitzender der SPD-Fraktion im
       Abgeordnetenhaus – und zwar weiter allein. Bei der auf Dienstagnachmittag
       vorgezogenen Wahl des Fraktionsvorstands erhielt der 46-Jährige insgesamt
       25 von 33 Stimmen. Auf den ehemaligen Finanzsenator Matthias Kollatz, der
       kurz zuvor seine Gegenkandidatur angemeldet hatte, entfielen in der
       geheimen Abstimmung nur 8 Stimmen.
       
       Nicht nur hier konnte sich Saleh durchsetzen. Auch ein – von ihm
       abgelehnter – Antrag, sofort eine männlich-weibliche Doppelspitze für die
       Fraktion einzuführen, fand keine Mehrheit. 10 Abgeordnete stimmten dafür,
       23 dagegen. Es bleibt damit bei der festgelegten Linie, dass sich nun eine
       noch einzusetzende Arbeitsgruppe bis Sommer 2025 mit Geschlechterparität in
       der Fraktion und der Option einer Doppelspitze befassen soll.
       
       „Ich bin sehr stolz auf meine Fraktion, eine sehr starke Fraktion“, sagte
       Saleh nach der Entscheidung. Zudem hätten sich die Abgeordneten ja darauf
       geeinigt, „dass grundsätzlich eine Doppelspitze möglich ist“. Auch hierauf
       sei er „stolz“. Seine kurze Wahlanalyse: Die SPD wolle, „dass wir uns nicht
       mehr mit uns selbst beschäftigen“, es gehe jetzt darum, „geschlossen
       rauszugehen“.
       
       Die Wahl des Fraktionsvorstands war nach übereinstimmenden Berichten
       eigentlich auf Juni terminiert. Dass sie in der vergangenen Woche
       kurzerhand auf diesen Dienstag verlegt wurde, sorgte in der Partei
       flügelübergreifend für Unmut. Saleh widersprach jetzt auf Nachfrage: „Es
       gab nie einen Termin.“
       
       ## Segler-Tipps bleiben ungehört
       
       Mehr noch als der Termin stand der Umstand in der Kritik, dass sich der
       Spandauer bislang konsequent einer Fraktionsdoppelspitze verweigert. Martin
       Matz, der innenpolitische Sprecher der Fraktion, gab kurz vor der
       Fraktionsabstimmung in den sozialen Medien noch den Rat: „Der erfahrene
       Segler verringert bei starken Winden die Angriffsfläche, indem er die Segel
       refft.“ Sein Appell verhallte ungehört.
       
       Der alte und neue Fraktionschef verweist intern stets darauf, dass nicht
       nur die SPD-Bundestagsfraktion, sondern auch andere Landtagsfraktionen mit
       einer oder einem Vorsitzenden auskommen. Tatsächlich sprach sich auch die
       Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen 2023 klar gegen eine
       Doppelspitze aus.
       
       Raed Saleh führt die Fraktion seit über zwölf Jahren, seit Ende 2020 teilt
       er sich mit Franziska Giffey zusätzlich den Landesvorsitz. Letzteren werden
       beide am Samstag beim SPD-Landesparteitag aber ohnehin abgeben müssen.
       Während Giffey ihren Chefinnenposten freilich von sich aus aufgibt,
       [1][erfolgt der Rückzug Salehs von der Parteispitze alles andere als
       freiwillig]. In der jetzt zu Ende gegangen Mitgliederbefragung kam er in
       der ersten Runde zusammen mit seiner Co-Kandidatin Luise Lehmann auf nicht
       mal 16 Prozent und schied vor der Stichwahl aus.
       
       Das Rennen an der Basis gemacht haben [2][letztlich Neuköllns
       Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola
       Böcker-Giannini] vom rechten Parteiflügel. In der zweiten und
       entscheidenden Runde der Befragung setzten sich die beiden gegen die
       Parteilinken Kian Niroomand und Jana Bertels durch.
       
       ## Mission Machtsicherung
       
       Die vorgezogene Fraktionswahl wurde in der SPD auch und vor allem als
       Panikreaktion verstanden, mit der sich Saleh seine Machtbasis im
       Abgeordnetenhaus sichern will. Die neuen Parteivorsitzenden Hikel und
       Böcker-Giannini kritisierten den Schritt ebenso wie das unterlegene Duo.
       Kian Niroomand sagte dazu: „Das ist genau der Stil, den viele Mitglieder
       dieser Partei nicht mehr wollen.“
       
       Klar ist: Der Rückhalt für die Politik Salehs bröckelt stückchenweise. Bei
       der letzten Abstimmung über den SPD-Fraktionsvorstand kurz nach der
       Wiederholungswahl 2023 – und vor dem von Saleh und Giffey vorangetriebenen
       Kursschwenk von Rot-Grün-Rot zur CDU – wurde er noch mit
       realsozialistischen 100 Prozent wiedergewählt. Inzwischen sind es eben nur
       noch 75 Prozent. Saleh ficht das nicht an. „Die Fraktion ist jetzt
       sortiert“, sagte er.
       
       21 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berlins-scheidender-SPD-Chef-Saleh/!6003169
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
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