URI: 
       # taz.de -- DFB schafft B-Juniorinnen-Bundesliga ab: Zurück auf die Dorfplätze
       
       > Die U17-Fußballerinnen der SpVg Aurich gewannen erneut die Bundesliga
       > Nord/Nordost. Aber die Freude ist getrübt: Der DFB schafft die Liga ab.
       
   IMG Bild: Die U17-Fußballerinnen der SpVg Aurich sind bundesweit erfolgreich. Das kann nun ein Ende finden
       
       Hamburg taz | Die U17-Fußballerinnen der SpVg Aurich haben dieses Jahr zum
       zweiten Mal in Folge die Bundesliga Nord/Nordost gewonnen. In dem
       ostfriesischen Ort wurde in den vergangenen Jahren eine Struktur
       geschaffen, die es jungen Spielerinnen ermöglicht, sich bundesweit mit
       anderen Spitzentalenten auf höchsten Niveau zu messen und sich so einen
       Traum zu erfüllen. Doch das ist jetzt vorbei. Der DFB schafft die
       B-Juniorinnen-Bundesliga zur kommenden Saison ab. Stattdessen sollen die
       Spielerinnen nun auf den Dorfplätzen der Region gegen die U-15-Jungs
       spielen.
       
       Aus Sicht des DFB lohnt sich die seit zwölf Jahren bestehende Liga nicht.
       „Aufwand und Ertrag stehen in der Liga oftmals nicht im gesunden
       Verhältnis“, schreibt der Verband zur Begründung auf seiner Webseite. Eine
       2019 vom DFB-Ausschuss Frauen- und Mädchenfußball in Auftrag gegebene
       Evaluation kam zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Ligastruktur
       Spitzentalente nicht genug ausbildet und weiterentwickelt. Nicht genug
       Spielerinnen schafften aus der U17-Bundesliga heraus den Sprung in die
       Frauen-Bundesliga, dazu kämen weite Anfahrten zu Auswärtsspielen.
       
       Als Alternative zur Bundesliga wird daher nun ein bundesweiter
       Pokalwettbewerb eingeführt. Ob ein kleiner Verein wie Aurich hier jedoch
       regelmäßig vertreten sein wird, ist unklar. In der kommenden Saison sind
       sie dabei, fortan müssten sie sich allerdings stets als Meister in
       Niedersachsen qualifizieren, da ihre Frauenmannschaft nicht in der ersten
       oder zweiten Liga spielt. Ein wirklich adäquater Ersatz zur Bundesliga ist
       der Pokal wohl ohnehin nicht. Es gibt weniger Partien und es besteht immer
       die Gefahr, früh auszuscheiden und so möglicherweise nur zwei Spiele
       absolvieren zu können.
       
       Für die leistungsorientierten Mädchenmannschaften soll zusätzlich die
       Möglichkeit geschaffen werden, in den regionalen Ligen der Jungs, die dem
       Leistungsniveau der Mädchen entsprechen, mitzuspielen. Für die SpVg Aurich
       bedeutet das ab kommender Saison Spielbetrieb in der Landesliga der
       U15-Junioren. Es stellt sich die Frage, ob Fußball durch die [1][Reform]
       für Mädchen an Anziehungskraft verliert.
       
       Nach Ansicht des DFB werden die Spitzentalente in Spielen gegen die
       Jungenmannschaften besser gefördert. Die Physis und Geschwindigkeit sind
       eine andere, diese Herausforderung bringe die Mädchen voran.
       
       Stefan Wilts, Trainer der SpVg Aurich ist sich nicht sicher, ob das
       sinnvoll ist. „Das wird sich in ein paar Jahren herausstellen, attraktiv
       ist es jedenfalls nicht.“ Besonders bei den Spielerinnen, die nicht zur
       absoluten Spitzenklasse gehören, könne dies zu Frustration führen. „Es ist
       schwierig, wenn man in der Woche fünfmal unter Mädchen trainiert und dann
       am Wochenende auf einen ganz anderen Gegner mit einer ganz anderen Dynamik
       und Körperlichkeit trifft“, sagt er.
       
       Statt gegen große Vereine wie den Hamburger SV, [2][Werder Bremen] oder
       Hertha BSC wird dann also wieder auf den Dorfplätzen der Region gekickt.
       Für die Spielerinnen der SpVg Aurich ist das natürlich ein Verlust, aus
       ganz Deutschland sind sie in den ostfriesischen Ort mit seinen 42.000
       Einwohner:innen gezogen, um dort auf höchstem Niveau Fußball zu spielen
       und sich mit anderen Talenten zu messen.
       
       Der Verein hat in den vergangenen Jahren eine familiäre Infrastruktur
       geschaffen, die das ermöglicht. In sechs Wohngemeinschaften leben die
       Spielerinnen zusammen, gehen in Aurich zur Schule, fünfmal die Woche geht
       es auf den Trainingsplatz.
       
       Heinz Reinders von der Universität Würzburg forscht seit Jahren zur
       [3][Nachwuchsförderung im Juniorinnenbereich] und ist selbst Trainer einer
       U17-Mannschaft. Eine grundsätzlich bessere Leistungsförderung von jungen
       Spielerinnen, die gemeinsam mit und gegen Jungs trainieren und spielen,
       sieht er nicht.
       
       „Juniorinnen, die in Mädchenteams ausgebildet werden, unterscheiden sich in
       ihren fußballerischen Leistungen nicht von Nachwuchstalenten, die in
       Jungenteams trainiert und gespielt haben“, sagt er. Vielmehr müssten
       Trainingsbedingungen und ein Umfeld geschaffen werden, mit dem sich die
       Spielerinnen identifizieren können.
       
       Auch die Verletzungsgefahr steigt, wenn Juniorinnen bei den Junioren
       mitspielen. „Die Wahrscheinlichkeit von Bänderverletzungen und
       Gehirnerschütterungen steigt deutlich, auch Erschöpfungssyndrome sind
       dramatisch erhöht“, sagt Reinders. Das Problem liege auch darin, dass
       Trainer:innen nicht genug in den besonderen Voraussetzungen des
       Mädchenfußballs geschult sind, etwa in der Verletzungsprävention oder dem
       zyklusbasierten Training.
       
       In Aurich will man den Kopf trotz alledem nicht in den Sand stecken, die
       erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre soll weitergeführt werden. Neben
       dem Pokal und der Landesliga der U15-Jungs plant man die Bewerbung zum
       „Förderzentrum weiblich“. Mit den Förderzentren will der DFB neue
       Strukturen schaffen, in denen sich Talente entwickeln können, mit
       hochqualifizierten Trainer*innen in einem professionellem
       Trainingsumfeld.
       
       ## Ohne Aufstieg kein Förderzentrum
       
       In Aurich ist dieses gegeben, der Erfolg spricht für den Verein. Die
       Anforderungen des DFB sind allerdings hoch. Da die Frauenmannschaft der
       SpVg Aurich nur in der Oberliga Niedersachsens und nicht wie gefordert eine
       Liga höher in der Regionalliga spielt, sind die Voraussetzungen aktuell
       noch nicht gegeben. Trainer Stefan Wilts, der zur kommenden Saison auch die
       Frauen trainieren wird, ist trotzdem optimistisch, dass man diese
       Bedingungen rechtzeitig erfüllen wird, also den Aufstieg schafft.
       
       Viel Gutes kann man der Reform in Aurich nicht abgewinnen. „Bei den
       Spielerinnen ist es mit großer Enttäuschung verbunden“, sagt Wilts. Das
       Team habe ein lachendes und ein weinendes Auge. „Es war eine schöne Zeit,
       die man sicherlich auch vermissen wird“, sagt er. Die Halbfinalspiele um
       die Deutsche Meisterschaft seien nochmal ein Highlight gewesen.
       
       3.410 Zuschauer*innen feuerten die Mannschaft Anfang Mai im Hinspiel
       gegen Borussia Mönchengladbach in Aurich an. Am Ende verlor die Mannschaft
       knapp mit 0:1. Nach langer Führung im Rückspiel gelang den Borussinnen in
       letzter Minute der Ausgleichstreffer und besiegelte so das Aus. Für Fans
       und Spielerinnen war es somit vorerst das letzte Mal Bundesligafußball in
       Aurich.
       
       29 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Torhueterin-ueber-Einsaetze-bei-den-Maennern/!5952566
   DIR [2] /Pionierin-ueber-Frauenfussball/!5811283
   DIR [3] /Fehlende-Nachwuchsfoerderung/!5601070
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Kähler
       
       ## TAGS
       
   DIR Frauenfußball
   DIR Fußball
   DIR Deutscher Fußballbund (DFB)
   DIR Niedersachsen
   DIR Mädchen
   DIR Fußball
   DIR Fußball
   DIR Frauenfußball
   DIR Frauen-WM 2019 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Saisonstart der Frauen-Bundesliga: Im Umbruch
       
       Die Bundesliga startet – mit Befürchtungen um dominante Münchnerinnen,
       Debatten über Aufstockung und Belastung und ausgeglichenerer Mittelklasse.
       
   DIR Queerfeindliche Banner im Stadion: Das Spiel mit dem Geschlecht
       
       Spieler fordern Männlichkeitsbilder heraus, der Fußball der Frauen boomt.
       Trotzdem bestimmt die Kategorie Geschlecht den Fußball wie kaum eine
       andere.
       
   DIR DFB-Geschäftsführer über Frauenfußball: „Ausgliederung kein Allheilmittel“
       
       DFB-Geschäftsführer Holger Blask über den Reformbedarf der
       Frauenfußball-Bundesliga. Hilft etwa ein angestrebtes Grundgehalt von 2.920
       Euro weiter?
       
   DIR Fehlende Nachwuchsförderung: Alles muss anders werden
       
       Frauenfußballförderung ist in Deutschland gerade beim Nachwuchs
       größtenteils immer noch eine Privatangelegenheit.